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Interview

Götz Widmann über Joint Venture und die Story hinter „Hank starb an ’ner Überdosis Hasch“

1993 gründete Götz Widmann gemeinsam mit Martin „Kleinti“ Simon das Duo Joint Venture. Zum Sound akustischer Gitarren sangen sie Lieder über Haschisch, Bier und Sex mit Politikern. Ein Gespräch zum Jubiläum. 

Joint Venture: Martin „Kleinti“ Simon (links) und Götz Widmann (rechts). Liedermacher wollten sie nicht sein und erfanden für ihre Musik das Genre „Unanständige Lieder“. Foto: Archiv

Götz Widmann, 1965 im unterfränkischen Bad Brückenau geboren, studierte BWL und gründete 1993 das Duo Joint Venture. Nach dem Tod von Martin „Kleinti“ Simon begann Widmann seine Solokarriere. Seit 2001 sind 16 Alben erschienen, er singt über Alltagsthemen, Politik, Sexualität, Alkohol und Haschisch.

Götz Widmann: „In der ersten Zeit stand bei uns das Partymachen im Vordergrund“

tipBerlin Herr Widmann, Sie feiern mit zwei Konzerten im SO36 30 Jahre Joint Venture. Wie war das damals im Jahr 1993, als Sie zusammen mit Martin „Kleinti“ Simon das Liedermacher-Duo ins Leben gerufen haben? 

Götz Widmann Kleinti und ich kannten uns vorher schon ein paar Jahre, da wohnte er in Bonn und ich in Heidelberg. In der ersten Zeit stand bei uns das Partymachen im Vordergrund. Wenn einer von uns den anderen besuchte, haben wir alles andere stehen und liegen lassen und einen draufgemacht. Musik spielte nur eine Nebenrolle. Als wir Joint Venture gründeten, hatte ich aus purer Orientierungslosigkeit fünf Jahre meines Lebens mit einem BWL-Studium verschwendet. Kleinti hatte aus purer Orientierungslosigkeit erst drei Jahre mit einer Klempnerlehre und dann nochmal drei Jahre mit einer Hotelfachausbildung verschwendet. Ich war irgendwann fertig mit meinem Studium und wusste danach nur eins, dass ich auf gar keinen Fall in einem der Jobs arbeiten wollte, für die ich ausgebildet worden war. 

tipBerlin Und was haben Sie stattdessen gemacht? Musik?

Götz Widmann Erst einmal nicht. Ich drückte mich noch ein paar Jahre vor der Entscheidung und entschloss mich, erst mal eine Doktorarbeit zu schreiben, das schien mir das dünnste Brett. Mittlerweile hatte ich mich in eine Frau in Bonn verliebt und war zu ihr gezogen, damit wohnten Kleinti und ich plötzlich in der gleichen Stadt, was unsere Freundschaft noch weiter intensivierte. Irgendwie hatten wir dann einen starken Drang, etwas zusammen zu machen, weil wir uns bei so vielen Dingen so wunderbar ergänzten. Und so kamen wir auf die Idee, dass ich meine Doktorarbeit im Maritim-Hotel Bonn mache, wo Kleinti arbeitete, und er mich dabei als Mann der Praxis unterstützt. Ich hatte schon einen Prof gefunden, der das interessant fand, und Kleintis Chef hatte unseren Plan auch abgenickt. Wir wollten das ernsthaft machen.

tipBerlin Aus der Idee wurde dann aber doch nichts… oder?

Götz Widmann: „Wenn sie uns unsere Kompromisse nicht leben lassen, müssen wir eben unsere Träume leben“

Götz Widmann Nein, es gab zwei Wochen vor dem geplanten Projektbeginn eine Kündigungswelle im Maritim-Konzern und Kleinti wurde gefeuert. Damit waren wir mit dem Öffnen eines einzigen Briefes beide unserer bürgerlichen Perspektiven beraubt. Wir haben dann artgerecht reagiert, uns ganz garstig betrunken und so morgens gegen drei einigten wir uns auf die Formel: „Wenn sie uns unsere Kompromisse nicht leben lassen, müssen wir eben unsere Träume leben“ und gründeten Joint Venture. Wir nahmen uns vor, das genauso ernst zu nehmen, wie wir es bei der Scheißdoktorarbeit getan hätten. So sind wir am nächsten Morgen in einem neuen Leben aufgewacht. Der Dalai Lama hat einmal gesagt: „Nicht zu bekommen was du dir wünschst, ist oft ein großes Glück“.

Ein Joint, ein Bier, ein Song – Joint Venture in den 1990er-Jahren. Foto: Archiv

tipBerlin Folkige Gitarre und Gesang galten Anfang der 1990er-Jahre vermutlich nicht als sehr cool, wollten Sie die deutschen Simon & Garfunkel werden?

Götz Widmann Nee, wir konnten einfach nichts anderes. Wir hatten auch immer von einem Bassisten und Schlagzeuger geträumt, aber die konnten wir uns nicht leisten, und später waren die zwei Klampfen unser Markenzeichen geworden, dann haben wir das so gelassen.

tipBerlin Sie wurden Liedermacher. Wie sah die Szene damals aus? 

Götz Widmann Das Wort Liedermacher hat man eher mit Reinhard Mey, Hannes Wader oder Franz-Josef Degenhardt assoziiert. Funny van Dannen und Hans Söllner waren da ja auch noch ziemlich neu. Kleinti kannte sich ziemlich gut aus  was deutsche Liedermacher anging, ich hatte auf den erhobenen Zeigefinger und das Lehrerhafte, das die irgendwie alle haben, aber nie so richtig Bock. Mein Ding war da schon immer eher der Mittelfinger, mich nervt das heute noch, wenn jemand glaubt, mir vorschreiben zu müssen, was ich denken und sagen darf und was nicht. Die große Zeit der politischen Liedermacher war Anfang der 1990er definitiv vorbei. Wenn man einen Veranstalter angerufen hat, um ein Konzert klarzumachen, hat man das Wort Liedermacher besser vermieden, sonst konnte man gleich wieder auflegen. Es war nicht einfach. Wir haben dann die Formel „Unanständige Lieder“ für unsere Kunstform gefunden, das hat mir immer am besten gefallen, mit dem Begriff Liedermacher bin ich nie so richtig warm geworden.

tipBerlin Stichwort „Unanständige Lieder“. In Ihren Texten geht es ziemlich oft um den Konsum von Haschisch, war das eine thematische Lücke im deutschen Showgeschäft oder haben Sie einfach gerne gekifft?

Götz Widmann Wir haben in erster Linie gerne gekifft und dann festgestellt, dass wir mit unseren bekifften Songs anscheinend anderen Menschen sehr viel Vergnügen bereiten können. Und wir wären ja blöd gewesen, wenn wir das dann nicht gemacht hätten.

Die Story hinter „Hank starb an ’ner Überdosis Hasch“

tipBerlin Die Story mit Hank müssen wir jetzt doch erzählen. Es wird kurz persönlich, aber der Zufall ist schon ziemlich irre: Ich schrieb 1994 in meiner Schülerzeitung „Die Erben der Quer“, die an meinem Tempelhofer Gymnasium erschien, den kurzen Text über das erste Haschischopfer, einen Rotterdamer Hafenarbeiter, der beim Verladen von einer halben Tonne Haschisch erschlagen wurde. Der Text ist auf dubiosen Wegen ins „Hanfjournal“ gelangt, wo Sie ihn dann gelesen haben, und daraus entstand das Lied „Hank starb an ’ner Überdosis Hasch“, der größte Hit von Joint Venture. Mir wurde das erst vor Kurzem klar.

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1994 schrieb Jacek Slaski, heute Musikredakteur des tipBerlin, in seiner Schülerzeitung „Die Erben der Quer“ den Text über das erste Haschischopfer, einen Rotterdamer Hafenarbeiter, der da noch nicht Hank hieß, daraus wurde der Joint-Venture-Klassiker „Hank starb an ’ner Überdosis Hasch“. Foto: Archiv
„Hank starb an ’ner Überdosis Hasch“ von Joint Venture

Götz Widmann: „Es ist schon seltsam, 30 Jahre später genau von dem Menschen interviewt zu werden, der sich die Story von einem meiner allergrößten Klassiker ausgedacht hat.“

Götz Widmann Und ich wusste nicht, dass das ein klassischer Fall von Fake News war. Es ist schon seltsam, 30 Jahre später genau von dem Menschen interviewt zu werden, der sich die Story von einem meiner allergrößten Klassiker ausgedacht hat. Und noch seltsamer ist es, dass dem Erfinder der Geschichte der Song fast 30 Jahre lang verborgen geblieben ist.

tipBerlin Das stimmt, es tut mir auch leid, aber ich habe irgendwann wohl etwas weniger gekifft. Meine Freundin kann bei Hank aber mitsingen! Neben Drogen haben Sie gerne auch über versaute Themen gesungen, etwa Sex mit Politikern. Darf man das Vulgäre nicht allein dem Deutschrap überlassen? 

Götz Widmann Keine Ahnung, ich bin halt so. Manchmal schreibe ich auch feinsinnige Sachen. Das Leben ist vielschichtig und ich versuche, es mit allen seinen Facetten abzubilden.

tipBerlin Manche Songwriter wollen mit ihren Liedern die Welt verändern oder zumindest etwas besser machen, hatten Sie auch solche Ambitionen?

Götz Widmann: „Vielleicht wähle ich dann sogar einmal zur Belohnung die FDP“

Götz Widmann Ich glaube, da ist es wichtig, dass man seinen Einfluss nicht überschätzt. Ich bin schon zufrieden, dass es jetzt nach 30 Jahren ernsthafte Bestrebungen gibt, Cannabis zu legalisieren. Ich hoffe, die Ampel hält so lange, dass sie wenigstens das hinkriegen. Vielleicht wähle ich dann sogar einmal zur Belohnung die FDP. (grinst)

tipBerlin Martin „Kleinti“ Simon starb im Juni 2000, kurz vor seinem 34. Geburtstag, was auch das Ende für Joint Venture bedeutete. Ist das Jubiläum auch eine Hommage an Ihren einstigen Weggefährten?

Götz Widmann Na klar. Er ist im Grunde die Hauptperson auf dieser Tour. 

tipBerlin Vermissen Sie ihn noch?

Götz Widmann Jeden Abend zur Zeit.

tipBerlin Seit seinem Tod sind Sie solo unterwegs und haben zahlreiche Platten aufgenommen. Wie war es, plötzlich alleine auf der Bühne zu stehen?

Götz Widmann Ich habe mir das so nicht ausgesucht und habe mich als Hälfte eines Duos immer sehr wohl gefühlt. Aber es musste irgendwann weitergehen. Und das hat zum Glück geklappt und war beruhigend, denn mir war ja nicht nur mein bester Freund gestorben, sondern auch meine komplette Existenz weggebrochen. Nach sieben Jahren Rock’n‘Roll war ich da schon für jeden anderen Job versaut. Die Bühne entpuppte sich als die beste Therapie, all die lachenden Gesichter und die Lebensfreude, da kann man gar nicht anders, als wieder auf die Beine zu kommen.

tipBerlin Vom akustischen Sound der klassischen Songwriter haben Sie sich auf den Alben verabschiedet. Die neuen Songs sind komplexer arrangiert, wollen Sie nicht mehr der einsame Typ mit der Gitarre sein?

Götz Widmann Der bin ich doch live eh immer noch und da finde ich das auch am besten, weil es einem eine unfassbare Freiheit, gibt solo aufzutreten. Aber auf den Alben mache ich gerne ein bisschen mehr Musik. Da steckt kein großer Plan dahinter, ich habe einfach Lust darauf und kenne so viele tolle Leute, mit denen es unglaublich Spaß macht zusammenzuarbeiten.

Götz Widmann: „Hanf und Hopfen“ vom Album „Tohuwabohu“ (2020)

tipBerlin Sie sind nun Ende 50, aber auch auf ihrem letzten Album singen Sie vom Hanf und Bier, wenn auch etwas nachdenklicher. Ist das Thema nicht langsam ausgereizt oder gilt für Götz Widmann stoned forever?

Götz Widmann Wir leben in einer Zeit, in der die Vernunft immer mehr die Kontrolle übernimmt, die Welt wird von spaßtechnisch komplett vertrockneten Gesundheitsfanatikern regiert. Ich finde, das wird immer schlimmer und es gibt kaum Widerstand. Was dabei an Lebensfreude und zwischenmenschlicher Kultur verloren geht, wird nirgendwo thematisiert. Insofern meine ich, dass es wichtig ist, dem schönen, durchgedrehten, ungesunden Leben ab und zu mal eine Stimme zu geben. Das wird mit zunehmendem Alter sogar glaubwürdiger, weil der Preis für eine harte Nacht natürlich immer höher wird mit den Jahren. Das bleibt für mich ein relevantes Thema, solange ich Songs schreiben kann. 

  • SO36 Oranienstraße 190, Kreuzberg, Fr 12.1. + Sa 13.1., 20 Uhr, VVK: 24 €

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