Interview

Tiefbasskommando: Keine Hip-Hop-Crew ballert härter

Laser, Bullenwannen und Geballer: Die Berliner Hip-Hop-Crew Tiefbasskommando macht Underground-Rap zum Gesamtkunstwerk – und träumt von einem eigenen Musical. Im Gespräch zeigen sich drei Mitglieder der TBK-Familie ohne Masken und voller Ideen. Sicher ist: Tiefbasskommando ist die durchgeknallteste und spannendste Hip-Hop-Crew der Hauptstadt.

Doch lieber mit Maske: Tiefbasskommando aus Berlin hat es von besetzten Häusern und Club-
Toiletten in die Columbiahalle geschafft. Foto: Promo

Tiefbasskommando: Hip-Hop-Avantgarde

tipBerlin Bei euch geht es um Eckkneipen, illegale Raves, besetzte Häuser: Verkörpert ihr das sterbende Berlin?

Eisberg Das meiste ist schon tot.

Double G So mit 14, 15 haben wir Mitte unsicher gemacht. Damals ging das noch. Auf der Palastwiese, wo jetzt das Schloss wieder steht, haben wir nachts Bong geraucht. Auch an das Tacheles denke ich oft.

Retado Das mit den Freiräumen tut richtig weh. Die letzten unangepassten Orte verschwinden. Aber ich liebe die City immer noch. Es wird einem nur immer schwerer gemacht, ohne viel Kohle gute Sachen tun zu können und die Kultur aufrecht zu halten. Trotzdem gibt es immer noch viel Gutes.

Eisberg Wie TBK-Konzerte zum Beispiel.

Double G Kauft unsere T-Shirts.

Eisberg Damit wir das Finanzamt bezahlen können.

Tiefbasskommando: „Die Majors wollen uns um den Finger wickeln“

tipBerlin Das sollte kein Problem sein. Ihr macht die Columbiahalle voll. Wie Underground ist das alles noch?

Double G Ich muss nicht mehr der Rapper von der Ecke sein, der erzählt, dass er kein Geld hat und Drogen verkauft. Der Hip-Hop-Zug ist doch abgefahren. Mittlerweile ist es das Normalste der Welt, dass man seine Fühler ausstreckt und Crossover macht.

Retado Da sind wir schon experimenteller.

Eisberg Avantgarde.

Retado Wir machen alles Independent und haben keine großen Ambitionen, irgendwo zu unterschreiben.

Eisberg Die Majors wollen uns um den Finger wickeln.

Double G Das wird bitte die Headline. Oder fett gedruckt. Die Labels durchblicken uns nicht. Das tun wir ja selber nicht. 

tipBerlin Die Musikindustrie braucht Schubladen…

Retado Man nehme 30 Prozent Pop, 50 Prozent Underground-Rap, 20 Prozent Techno und eine Prise Punk. So gehst du an die Nummer nicht ran. Die meinten dann: Ihr seid ja sowas zwischen K.I.Z. und den Atzen.

Eisberg Wir sind die Atzen 2.0.

Double G Headline!

Tiefbasskommando im Gespräch: „Wir sind die Atzen 2.0.“

tipBerlin Ihr lasst euch nicht reinreden. Wie baut man trotzdem so einen Hype auf?

Eisberg Es gibt Leute, die unseren Blödsinn feiern. Die Resonanz ist krass.

Retado Am Anfang wollten wir nicht mal Konzerte spielen.

Eisberg Wir haben uns während der Pandemie in einem leerstehenden Haus in Neukölln eingenistet und ein Tape aufgenommen. Einfach so als Zeitvertreib.

Retado Und es hat geknallt. Ich habe Raves veranstaltet und so sollte auch unser erstes Konzert werden. Aber wir haben uns so lange davor gedrückt, bis es groß wurde.

Double G Wir sind direkt auf Tour gegangen. Corona hat uns die kleinen Shows erspart.

Eisberg Ich könnte mir eh nicht vorstellen, für irgendjemanden Vorband zu spielen.

Double G Mir fällt kein Künstler ein,  bei dem ich denken würde: boah, voll die Ehre. Wir wollen zu keiner Sparte gehören, wir machen den Scheiß, auf den wir Bock haben.

Eisberg Der Scheiß, auf den wir Bock haben, ist auch einfach extrem geil.

Double G Headline!

„Der Scheiß, auf den wir Bock haben, ist auch einfach extrem geil“

tipBerlin Und jetzt spielt ihr in der Columbiahalle. Was nun?

Eisberg Ich will aus einer Kanone auf die Bühne geschossen werden.

Retado Wir arbeiten viel mit Visuals. Am geilsten ist so LED-Kram. Und Lasershows. Wir haben tendenziell zu viele Ideen. Unser Grafiker und ich hätten am liebsten ein völlig bescheuertes TBK-Musical mit wahnsinnigen Kulissen, das komplett abgeht.

Eisberg Bei den letzten Shows haben wir eine Bullenwanne aufgebaut. Und einen Schweinekopf, der Schweinesounds macht, wenn man draufschlägt.

Retado Ich bin Fan von Liveversionen. Auf ’nem Konzert soll man ’was erleben, das man nur da erleben kann.

Eisberg Und vielleicht auch ’was, was in Erinnerung bleibt.

tipBerlin In euren Songs geht es auch um die Abgründe des Nachtlebens. Muss man aufpassen?

Double G Es ist noch keine Massenschlägerei ausgebrochen. Es gibt auf unseren Konzerten Awareness-Teams.

Retado Da kann man auch hingehen, wenn man zu viel… Rotwein getrunken hat. Die Leute sollen Party machen, sich wohl fühlen und auf einander aufpassen.

  • Columbiahalle Columbiadamm 13–21, Kreuzberg, Sa 9.12., 20 Uhr, ausverkauft, weitere Infos hier

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