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Kommentar

Echt jetzt? Peter Plate fordert eine Quote für deutsche Musik im Radio

In einem Interview mit der Berliner Zeitung spricht sich Peter Plate für eine Quote für deutsche Musik im Radio aus. Der Berliner ist Produzent deutschsprachiger Popmusik, darunter von Sarah Connor, Michelle und Barbara Schöneberger, sowie Gründer der Popschlagerband Rosenstolz. An seiner Forderung ist viel Deutsches dran – und vieles daran ist falsch und heuchlerisch. Ein Kommentar von Jacek Slaski.

Peter Plate bei der Premiere des Kinofilms "Bibi & Tina - Mädchen gegen Jungs", 2016. Foto: Imago/Future Image
Peter Plate bei der Premiere des Kinofilms „Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs“, 2016. Foto: Imago/Future Image

Deutsch-Quote fürs Radio: Übermächtiger Einfluss anderer Länder?

Die Diskussion um eine Quote für deutschsprachige Musik im Radio flammt immer wieder auf. Seit den 1990er-Jahren debattieren Künstler lautstark in den Medien, ob das auf Deutsch getextete und gesungene Liedgut in besonderer Weise schützenswerte wäre oder nicht. Die prominenten Fürsprecher solch einer Regelung hießen in der Vergangenheit Heinz Rudolf Kunze, Konstantin Wecker und Reinhard Mey, und selbst Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg meldeten sich in der Sache zu Wort.

Die Argumente in dem Streit sind klar sortiert:

  • Auf der einen Seite droht der „übermächtige Einfluss aus den USA und aus England“, der die hiesigen Künstler erdrückt.
  • Auf der anderen Seite stehen liberale Verweise auf die Unabhängigkeit des Marktes, aber auch die Sorge vor einer nationalistischen Tendenz hinter den Vorstößen.

Befürworter der Quote verweisen auch auf die schwierige ökonomische Situation für deutsche Künstler und die Regelung im Nachbarland Frankreich. In dem drittgrößten Musikmarkt in Europa müssen Radioprogramme 40 Prozent der Sendezeit mit Produktionen französischer Interpreten füllen. Kritiker fühlen sich hingegen an die DDR erinnert, wo es die sogenannte 60-40-Bestimmung gab. 60 Prozent der ausgestrahlten Musik musste aus volkseigener Herstellung stammen.

Natürlich will sich kein Mensch den ganzen Tag von Kunze, Wecker oder eben Peter Plate berieseln lassen

Nun ist Frankreich nicht die DDR und die künstlerische Bandbreite im Arbeiter- und Bauernstaat war eine andere, als der musikalische Ausstoß der Grand Nation. Doch auf rein ästhetischer Ebene lässt sich diese Debatte nicht führen. Denn natürlich will kein Mensch, der noch ganz bei Trost ist, sich den ganzen Tag von Kunze, Wecker oder eben Peter Plate berieseln lassen. Eine Radioquote kann und darf aber nicht nach geschmacklichen Erwägungen entschieden werden.

Peter Plate ist klug genug, das auch zu wissen. Er argumentiert über die wirtschaftlichen Aspekte und die Realitäten der Musikindustrie und sieht im Protektionismus eine Chance. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung verweist er auf die in Corona-Zeiten besonders schwierige Situation, in der sich (übrigens nicht nur deutschsprachige) Künstler befinden. Der Weg aus dieser Misere ist für ihn die Quotenregelung, denn damit sind GEMA-Ausschüttungen verbunden.

Wohl wissend um die Brisanz der Debatte, begreift sich der finanziell unabhängige Plate als Anwalt der Zukurzgekommenen und spricht nicht als selbst Betroffener. Nur ist das wirklich so oder heuchelt er hier? Plates eigenes Duo Rosenstolz und die von ihm produzierte Musik, darunter Alben mit der Schlagersängerin Michelle und der Soulpop-Queen Sarah Connor, würden von so einer Regelung besonders profitieren.

Die deutsche Musikindustrie und auch die GEMA sind kein faires System

Nicht zuletzt auch aufgrund der zwielichtigen GEMA-Zahlungen, die erfolgreiche Komponisten wie Dieter Bohlen bevorzugen und wenig bekannte Interpreten mit Peanuts abspeisen. Die deutsche Musikindustrie und auch die GEMA sind kein faires System. Es geht nicht darum, jungen Talenten künstlerische Freiheit zu geben, sondern vor allem um Profit. Das ist kein Geheimnis, muss aber an der Stelle noch einmal gesagt werden.

Bevor man also, so wie Plate jetzt, nach einer Regelung von oben ruft, die so ganz nebenbei für einen selbst auch noch lohnenswert wäre, sollte man vielleicht erst einmal vor der eigenen Türe kehren und für mehr Fairness im Business sorgen und endlich mal die GEMA reformieren.


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