In Berlin wurde der Buchdruck nicht erfunden – aber was hier heute publizistisch geschieht, ist auf jeden Fall beeindruckend. Wir stellen euch die wichtigsten Berliner Verlage vor: Geheimtipps und alte Bekannte, Häuser mit Tradition und junge Verlagsprogramme, die den Betrieb umkrempeln wollen.
Aufbau Verlag
Ohne den Aufbau-Verlag hätte sich die Literatur in der DDR anders entwickelt. 1945 gegründet, wurde Aufbau zum wichtigsten belletristischen Verlag. Ein besonderer Schwerpunkt galt anfangs während der Nazizeit verfolgten Autor*innen, insbesondere auch jüdischer Herkunft, aber auch dem Nachdruck von Klassikern. Seit der Wende gehört der Verlag zu den ersten literarischen Adressen der Stadt. Aufbau ist die verlegerische Heimat von Autor*innen wie Sofie Sarenbrant, Fred Vargas, Greg Iles, Kristin Hannah, Louise Erdrich, und Bov Bjerg und führt unter seinem Dach auch so feine Programme wie Blumenbar für junge literarische Stimmen.
AvivA Verlag
1997 von Britta Jürgs gegründet, hat AvivA mehrere spannende Felder im Fokus: Der in Moabit beheimatete Berliner Verein bringt insbesondere Werke von deutschsprachigen, oft jüdischen Autorinnen der 1920er- und 1930er-Jahre heraus, darunter Victoria Wolff, Lilli Grün, Alice Berend oder Vicki Baum, daneben Dramatikerinnen und Journalistinnen aus dem englischsprachigen Raum. Ein weiteres Augenmerk legt dieser Berliner Verlag mit der Künstlerinnen-Reihe auf Frauen in der Kunst- und Kulturgeschichte.
Berlin Verlag
Zu den Autor*innen, die im Berlin Verlag erscheinen, zählen Margaret Atwood, James Salter, Zeruya Shalev und Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer sowie Akademie-der-Künste-Mitglied Ingo Schulze. Seit 1994 existiert der Verlag, der zwischenzeitlich zu der Bertelsmann-Gruppe gehörte und nun bei Piper gelandet ist. Neben deutscher und internationaler Belletristik erscheinen beim Berlin Verlag auch Sachbücher renommierter Autoren, etwa die Orientierungshilfe für Abiturient*innen „Wozu nach den Sternen greifen, wenn man auch chillen kann?“ von Ulrike Bartholomäus.
Edition Tiamat
Verleger Klaus Bittermann gehört zum Stadtbild dazu. Künstlerschal, schicker Anzug und Sonnenbrille, ein Dandy unter den Büchermachern dieser Stadt. Nicht weniger exzentrisch sind seine Autor*innen im Berliner Verlag Edition Tiamat. Desperados, Outsider, bissige Satiriker, störrische Intellektuelle. Franz Dobler, Funny van Dannen, Wiglaf Droste und Wolfgang Pohrt gehören zum Stall, ebenso wie US-Legenden. Etwa der Musikkritiker Lester Bangs, Gonzo-Journalist Bill Cardoso und der jüdische Cowboy Kinky Friedman.
Elfenbein Verlag
Noch während des Studiums verlegten Ingo Držečnik und Roman Pliske die Literaturzeitschrift „metamorphosen“, 1996 entstand daraus in Heidelberg der Elfenbein Verlag. Seit 2001 befindet sich die Zentrale in Prenzlauer Berg, und das Programm hat sich weit von den Anfängen entfernt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf portugiesischer Literatur, daneben finden sich bedeutende Werke aus Italien, Tschechien, Spanien und weiteren Ländern im Programm. Der Elfenbein Verlag widmet sich zudem der deutschsprachigen literarischen Moderne mit Werkausgaben von Klabund und Maria Luise Weissmann. Und der Erfolg hält an: 2019 und 2020 wurde das Berliner Verlagshaus mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet.
Galiani
Zwei Lektoren des Eichborn-Verlages gründeten 2009 den ebenso feinen wie erfolgreichen Galiani Verlag. Neben Gegenwartsliteratur, etwa den Romanen von Karen Duve, Sven Regener und Larissa Boehning, konzentriert sich der Verlag auf Neuübersetzungen von verschollenen Meisterwerken legendärer Autoren wie Michail Bulgakow und Daniil Charms. Ein weiterer Fokus sind aufwendig illustrierte und handwerklich perfekt gestaltete Bücher. So veröffentlicht die Berliner Grafikerin Kat Menschik bei Galiani regelmäßig eigne bzw. von ihr illustrierte Titel.
Jaron Verlag
„Berlin ist geil“ – der Slogan, unter dem 1996 Dr. Norbert Jaron das erste Buchprogramm eröffnete. Heute dehnt sich der kleine Berliner Verlag auf die anderen ostdeutschen Bundesländer aus.
Von Bildbänden, Reiseführern, Sachbüchern und Romanen über Berlin ist für jeden Leser etwas zu finden. Namen wie Horst Bosetzky und Heinz Knobloch prägen die Autorengeschichte. Auch stößt man nicht selten auf Bücher wie „Street Art in Berlin“ von Kai Jakob oder Bildbände des Fotografen Harald Hauswald, dem C/O Berlin eine Retrospektive widmete.
Jovis Verlag
Architektur und Stadtplanung sind für den Jovis Verlag nicht wegzudenken. Seit 1995 finden sich bei Jovis Themen aus der zeitgenössischen Kunst, Fotografie, Design und Architektur. Bücher mit inhaltlicher Relevanz und ansprechender Gestaltung werden vor allem von Architekten und Künstlern wie Le Corbusier und Eckard Gerber vertreten. Nun veröffentlicht der Jovis Verlag Schwerpunkte aus der Architektur, Landschaft und Urbanistik.
Kookbooks
Gründer Daniela Seel und Andreas Töpfer sehen in „Kook“ nicht nur den Slangausdruck für ‚Spinner‘, sondern vielmehr einen jungen, innovativen Literaturverlag. „Labor für Poesie als Lebensform“ lautet seit 2003 das Selbstverständnis des Independent-Verlags.
Dass Kookbooks bereits drei Jahre nach seiner Gründung mit dem Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung ausgezeichnet wurde, hat einen Grund. Zeitgenössische Lyrik, Prosa aber auch Essays und Übersetzungen werden von formalästhetischer Qualität und Originalität gezeichnet.
Korbinian Verlag
Zu den Verlegern gehören Katharina Holzmann, Sascha Ehlert und David Rabolt. Seit 2015 existiert der Korbinian Verlag und publiziert Literatur, die unterhält, aneckt und im Zweifel kompromisslos sein möchte. „Taxi“ von Cemile Sahin und „Immortal – Dead Soon III, Maniac 1.000.000 Eigenfikkung“ von Kevin Kemter sind aufregende Publikationen des kleinen Berliner Verlags. Die Bücher lassen sich der Richtung „Underground“ zuordnen. Korbinians Literatur möchte Individualität und Kreativität Zuspruch verleihen.
Martin Schmitz
Von der Galerie zum Verlag. Martin Schmitz bietet seit 1989 nicht nur ein Forum für Autoren, Musik, Film, Text und Design. Ungeachtet aktueller Trends und Moden steht für den Verlag vor allem die Veröffentlichung von Werken mit einzigartigen, unvergleichlichen Qualitäten an erster Stelle. So sind Werke aus der Popliteratur wie „Autobigophonie“ von Françoise Cactus oder „Das Armloch“ von Rosa von Praunheim keine Seltenheit.
Matthes & Seitz
Mit Frank Witzel, dem Autor von „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ ist ein Träger des Deutschen Buchpreises im Programm von Matthes & Seitz vertreten, aber auch französische Gegenwartsautor*innen, so etwa Éric Vuillard, und russische Schriftsteller*innen wie Olga Slawnikow, bilden das Fundament des literarischen Programms. Die Wurzeln des 1977 gegründeten Verlags von Axel Matthes und Claus Seitz liegen in München, seit 2004 ist er auch in Berlin vertreten und verlegt Werke aus den Bereichen Literatur und Sachbuch. Wichtige Programmreihen sind Naturkunden, Fröhliche Wissenschaft, Batterien und französische Bibliothek.
Querverlag
1995 gründeten Ilona Bubeck und Jim Baker den Querverlag: Deutschlands erstes schwul-lesbisches Verlagshaus. Neben wissenschaftlichen Werken wie Lutz van Dijks „Einsam war ich nie – Schwule unter dem Hakenkreuz 1933–1945“ oder Büchern zu queerer Theorie stehen Romane schwuler und lesbischer Autor*innen im Programm, beispielsweise Stephan Niederwieser, Karen-Susan Fessel, Antje Wagner, Ariane Rüdiger, Axel Schock, Jan Stressenreuter, Vojin Saša Vukadinović und Malou Berlin. Besonders für Aufsehen sorgte der Querverlag 2016 mit dem kontrovers aufgenommen Sammelband „Beißreflexe“.
Reprodukt
Ohne den Reprodukt Verlag würde es eine solche Independent-Szene nicht geben. Die Zeichner*innen weichen von den klassischen Comicthemen ab. Der Verlag wurde 1991 von den Brüdern Gilbert und Jaime Hermandez in Koproduktion mit dem Schweizer Verlag Edition Moderne gegründet. Autobiografische Bezüge und Fiktion findet man bei Reprodukt seit 1994 englischer und deutschsprachiger Ausgabe. Seit 2004 erscheinen Alben von Zeichnern, die im frankobelgischen Mainstream beheimatet sind. Etwa Lewis Trondheims „Kaput & Zösky“ und Manu Larcenets „Der alltägliche Kampf“.
Suhrkamp
Die literarische und wissenschaftliche Gesamtphysiognomie ist das verlegerische Prinzip des Verlags. Suhrkamp verlegt keine Bücher, sondern Autoren. Auf Anregung Hermann Hesses gründete Peter Suhrkamp 1950 den Verlag. Ein Jahr später wurde die Bibliothek Suhrkamp ins Leben gerufen. Klassiker wie Hermann Hesse, Bernard Shaw und Bertolt Brecht stehen bei Suhrkamp an der Tagesordnung. Darüber hinaus findet man Schwerpunkte aus der Lyrik, der dramatischen Literatur, den Briefwechseln, Biographien, Essays und Werkausgaben. Die längste Zeit residierte Suhrkamp in Frankfurt/Main, der Umzug nach Berlin erfolgte nach dem Tod des legendären Verlegers Siegfried Unseld. Das neue Verlagshaus befindet sich in der Torstraße.
Tropen
Erste Bestellungen nahm noch der Pförtner an der Düsseldorfer Kunstakademie entgegen, aber für den Tropen Verlag sind die Zeiten der Improvisation längst vorbei. Der nach Berlin übersiedelte Verlag ist mittlerweile Imprint von Klett-Cotta und kann mit kiezorientiertem deutschsprachigen Programm punkten, hat aber auch Sachbücher Internationales, etwa von William Gibson, im Angebot.
Verbrecher Verlag
Der unabhängige Verlag existiert seit 1995 unter der Leitung von Werner Labisch und Jörg Sundermeier. 2016 holte Sundermeier Kristine Listau ins Boot. Im Programm: Belletristik, Debütromane, Sachbücher, Politik, Kunstbücher, Comics und Filmliteratur, dazu in regelmäßigen Abständen die Verbrecher Versammlung, auf der die Autor*innen neue Werke vorstellen. Das Motto lautet nach wie vor schlicht „Verbrecher Verlag – gute Bücher!“.
Wagenbach
1964 von Klaus Wagenbach gegründet, seit 2002 von Susanne Schüssler fortgeführt. Der Verlag veröffentlicht Bücher aus Überzeugung und Vergnügungen. Von unbekannten Autoren bis hin zu Klassikern. Neben Literatur, Geschichte, Kunst- und Kulturgeschichte darf bei Wagenbach auch Politik in Fremdsprache nicht fehlen.
Mehr zur Literaturstadt Berlin
Welche Werke finden sich im Programm der Berliner Verlage? Mit diesen Büchern sind sie zur Frankfurter Buchmesse 2020 gereist. Von Erich Kästner bis Christiane F.: Unsere große Liste mit 100 Berlin-Romanen, die man gelesen haben sollte. Die könnt ihr online bestellen, klar. Aber den Kiez zu unterstützen, ist viel schöner. Geht doch in eine unserer Lieblings-Buchhandlungen in Berlin! Oder macht euch auf die Suche nach Erstausgaben in einem dieser 12 schönen Antiquariate in Berlin.