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Sophie Passmanns „Pick Me Girls“: Keine Fragen, wenig Antworten

Sophie Passmanns neues Buch „Pick Me Girls“ ist ihr bisher persönlichstes Werk: Es erzählt davon, wie Frauen sich verbiegen, um Vorstellungen von Weiblichkeit im Patriarchat mehr oder weniger zu entsprechen. Für echte Solidarität und den Aufruf zur Veränderung bleibt dabei wenig Platz. 

Sophie Passmann bei der Premiere des Musicals Hamilton im Oktober 2022. Diese Woche erschien ihr neues Buch „Pick Me Girls“.
Sophie Passmann bei der Premiere des Musicals Hamilton im Oktober 2022. Diese Woche erschien ihr neues Buch „Pick Me Girls“. Foto: Imago/gbrci/Future Image

Von Selbsthass und männlicher Bestätigung: Sophie Passmanns „Pick Me Girls“

In ihrem neuen Buch richtet Sophie Passmann den Blick auf sich selbst und fragt sich, welche Frau sie hätte sein können, wenn es das Patriarchat nicht geben würde. Es geht dabei um Körpernormen und Essstörungen, um gescheiterte Beziehungen, um Shitstorms und Schönheits-OPs. Als Ausgangspunkt für ihr Memoir hat sie sich eine Trope ausgesucht, die vielen aus den sozialen Medien bekannt sein dürfte: das pick me girl.

In den letzten Jahren tauchte das pick me girl auf TikTok und Instagram immer wieder auf, wurde zum viralen Trend. Die Bezeichnung, die sich auf Deutsch etwa mit „wähl mich“ übersetzen lässt, wird für Mädchen und junge Frauen verwendet, die sich mit der Behauptung schmücken, sie seien „anders als andere Frauen“, um Männern zu gefallen. Sie versuchen, sich für den männlichen Blick interessanter und attraktiver zu machen, indem sie beispielsweise vorgeben, lieber Bier zu trinken und mit ihren männlichen Freunden Fußball zu schauen, anstatt sich mit anderen Frauen über Make-up auszutauschen – unabhängig davon, ob das überhaupt der Wahrheit entspricht. Das Problem: indem sich ein pick me girl von „typisch weiblich“ konnotierten Hobbies, Interessen oder Verhaltensweisen abgrenzt, werden genau diese geschlechtsbezogenen Stereotypen gleichzeitig reproduziert und herabgewertet.  

Sophie Passmann war ein pick me girl. In ihrem Buch geht sie der Frage nach, warum: aus Scham, aus Selbsthass, aufgrund der Annahme, „dass mit einem selbst etwas grundlegend falscher, hässlicher oder unangenehmer ist als mit anderen Mädchen.“ Als sie zum ersten Mal vom Begriff des pick me girl gehört habe, sei sie deshalb verärgert gewesen, schreibt Passmann. Weil schon wieder Frauen anderen Frauen die Schuld geben. Frauen würden schließlich nicht aus reinem Hass auf andere Frauen zu pick me girls, sie werden dazu gemacht. Ihre Schlussfolgerung: Frauen können es in dieser Gesellschaft einfach nicht richtig machen.

Eine Frage bleibt bei Sophie Passmann offen: und jetzt?

In „Pick Me Girls“ kann man nun nachlesen, wie Sophie Passmann als Teenager versuchte, besonders cool, besonders klug oder besonders witzig zu sein, um zu kompensieren, dass ihr Körper nicht dem vorherrschenden Schönheitsideal entsprach. Man kann auch nachlesen, warum sie heute aus Überzeugung ein pick me girl ist, wenn es darum geht, Möbel aufzubauen und Lampen aufzuhängen, und warum sie sich dafür entschieden hat, sich mit Ende zwanzig die Augenringe unterspritzen zu lassen. Und inmitten von alldem bleibt leider vor allem eine Frage offen: und jetzt?

„Pick Me Girls“ ist ein Buch, das als Passmanns persönlichstes Buch beworben wird. Es ist aber auch ein Buch, das beworben wird mit der Behauptung, ein stellvertretendes Frauenleben nachzuzeichnen. Doch um welche Frau geht es hier?

Um eine Frau, deren Leben sich durch eine gänzlich cis heteronormative Linse betrachten lässt. Um eine Frau, die es sich finanziell leisten kann, dem gesellschaftlichen Druck und den eigenen Selbstzweifeln mit teurem Shampoo und kosmetischen Eingriffen zu begegnen und diese Entscheidung schlicht damit zu verargumentieren, dass Frauen im Patriarchat keine andere Wahl haben: „Es gibt immer diese rührenden Momente, in denen jungen Frauen geraten wird, auf den ganzen Kram zu verzichten und einfach zu erkennen, dass sie schön sind. Das ist in etwa so hilfreich, wie einem klinisch Depressiven zu sagen, er solle einfach mal wieder an die frische Luft gehen.“

Selbstverwirklichung durch Schönheits-OPs

Wenn wir es richtig anstellen, würden wir die Schönheitschirurgie laut Passmann ohnehin nur noch eine, maximal zwei Generationen brauchen: Denn würde man diese Eingriffe als eine Möglichkeit betrachten, einen Zustand von Zufriedenheit zu erreichen, dann werde es „irgendwann gar keine jungen Mädchen mehr geben, die es für nötig halten, etwas an ihrem Körper verändern zu müssen.“

Weshalb genau sie sich da so sicher ist, das erfahren Passmanns Leserinnen nicht. Und da bliebe immer noch die Frage: Wie viele und welche Personen können es sich leisten, mithilfe von Schönheits-OPs einen solchen „Zustand der Zufriedenheit“ zu erreichen, den sie dann im besten Fall an ihre Töchter weitergeben dürfen?

Weißer, liberaler Feminismus stellt das Individuum ins Zentrum und hat häufig einen blinden Fleck für Diskriminierungsformen wie Rassismus, Klassismus oder Ableismus; Lebensrealitäten abseits der weißen hetero cis und nicht-behinderten Frau werden ausgeblendet. Dieser Feminismus dient somit letztendlich immer eher der Förderung bereits privilegierter Frauen innerhalb des bestehenden Systems, anstatt nach der Abschaffung solcher Hierarchien zu streben.

Sophie Passmann ist und bleibt in „Pick Me Girls“ selbst ihr einziger Referenzpunkt. So entsteht der Eindruck, dass sie selbst am Ende eher vom Feminismus profitiert, als dass ein feministischer Diskurs durch dieses Buch vorangetrieben werden soll.

Wer kann überhaupt ein pick me girl sein?

Bei einer Auseinandersetzung mit der Trope des pick me girl gibt es noch viel Potenzial. Man könnte ja beispielsweise den Blick noch genauer darauf richten, dass Frauen einander gegenseitig dafür herabwürdigen, Anerkennung von Männern zu suchen. Und zum Beispiel danach fragen, welche Strukturen eigentlich dafür sorgen, dass diese Anerkennung noch immer eine so wichtige Ware ist. Oder danach, wie es angesichts dieser noch immer bestehenden patriarchalen Strukturen mehr Solidarität geben kann. Und dabei vielleicht auch zu diskutieren, wer überhaupt ein pick me girl sein kann.

Das Buch liefert nicht nur keine Antworten auf diese und ähnliche Fragen, es geht nicht einmal so weit, sie zu stellen. In Anbetracht der Tatsache, dass in autobiografischen Essays durchaus viel Potenzial für politische Diskurse liegen kann, ist das schade. Denn viele von Sophie Passmanns Leserinnen werden sich mit den Erfahrungen und Gedanken, die sie in „Pick Me Girls“ beschreibt, sicherlich identifizieren können.

Zu Beginn des Buches schreibt Passmann, sie glaube, dass sie jungen Frauen mit ein paar Dingen in diesem Buch das Leben leichter machen kann. Es sei das Buch, das sie selbst „mit 14 Jahren gebraucht hätte.“ Trotzdem wird man beim Lesen das Gefühl nicht los, dass dieses Buch vor allem einer Person helfen soll: Sophie Passmann selbst.

  • Sophie Passmann: „Pick Me Girls“ Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten, 22 €

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