Berlin verstehen

12 Brandwände in Berlin: Die gemauerten Leinwände der Stadt

Ähnlich wie Brachen, gehören auch Brandwände in Berlin zu einer aussterbenden Spezies. Die kahlen und fensterlosen Mauern an den Seiten von Mietskasernen dienen einerseits dem Feuerschutz, in vielen Fällen sind die riesigen Flächen aber das Ergebnis von Kriegen, Abriss und Zerstörung. Immer wenn aus einer klassischen Blockrandbebauung ein Haus rückgebaut werden musste, blieben die Außenmauern der anliegenden Häuser als Brandwände stehen. Andere Gründe für Brandmauern sind die unmittelbare Nähe der Wohnhäuser zu Bahntrassen, Industriearealen oder Flüssen und Kanälen. Schneisen also, an denen die normale Stadtbebauung endet.

Die Brandmauern sind eine urbane Ausnahme, unverputzten Ziegelsteine erinnern an die Vergangenheit der Berliner Wohnungsbaus. Viele dienen aber als Leinwand für Künstler, Sprüher und Politaktivisten, andere als Werbefläche, teilweise für traditionsreiche Unternehmen. Heute erlebt Berlin einen Bauboom und die Brandwände verschwinden. Wo immer es geht, bauen Investoren neue Wohnhäuser in die leerstehenden Baulücken. Hier zeigen wir 12 existierende und verschwundene Brandwände in Berlin.


Bendzko-Immobilien

Bendzko-Immobilien-Werbung an der Brandmauer eines Wohnhauses in Berlin. Foto: Imago/Schöning
Bendzko-Immobilien-Werbung an der Brandmauer eines Wohnhauses in Berlin. Foto: Imago/Schöning

Die riesigen Banner im dunklen Grün des Immobilienunternehmens Bendzko konnte man in Berlin an verschiedenen Stellen von der Autobahn aber auch aus der Ringbahn sehen. Bendzko galt als „Der Vater der Eigentumswohnung“, seit den frühen 2000er-Jahren ist der einstige Immobilienkönig West-Berlins nicht mehr im Geschäft. Die Werbung war aber noch Jahre später im Stadtraum sichtbar.


Möbel-Hübner

Brandwände in Berlin: Brandwand mit Möbel-Hübner-Werbung an der Bundesallee in Friedenau. Foto: Imago/Schöning
Brandwand mit Möbel-Hübner-Werbung an der Bundesallee in Friedenau. Foto: Imago/Schöning

Das Einrichtungshaus Möbel Hübner in der Genthiner Straße in Tiergarten wurde vor mehr als 100 Jahren gegründet, heute ist es eines der letzten inhabergeführten Möbelhäuser Berlins. Wie einst die Supermarktkette Bolle oder die Eisdielenkette Eis Hennig gehört auch Möbel Hübner zu den traditionsreichen Berliner Marken. Die schöne grüne Werbung mit der den Hut lüpfenden Hand ließ man an eine Brandwand in Friedenau pinseln.


Heinrich von Kleist

Porträt von Heinrich von Kleist an einer Brandmauer in Schöneberg. Foto: Imago/Joko
Porträt von Heinrich von Kleist an einer Brandmauer in Schöneberg. Foto: Imago/Joko

Viele Brandwände dienen in Berlin als Werbeflächen, aber an einige lassen Wohnungsunternehmen und Baugenossenschaften imagefördernde Bilder malen. In Schöneberg etwa blickt der Dichter Heinrich von Kleist auf eine kleine Grünanlage.


Macker haut ab

"Macker haut ab" – Parole an einer Brandwand in Friedrichshain. Foto: Imago/Steinach
„Macker haut ab“ – Parole an einer Brandwand in Friedrichshain. Foto: Imago/Steinach

Wo Firmen nicht für ihre Produkte oder Dienstleistungen werben und die Bauherren keine kreative Idee für die oft hunderte Quadratmeter großen Flächen hatten, verschaffen sich findige Sprüher Zugang und gestalten die urbane Leinwand nach eigenem Ansinnen. Hier in Friedrichshain prangt „Macker haut ab“ an der Brandwand. Warum auch immer.


Berliner Morgenpost

Brandwände in Berlin: Werbung für die "Berliner Morgenpost" in Friedenau. Foto: Imago/Schöning
Werbung für die „Berliner Morgenpost“ in Friedenau. Foto: Imago/Schöning

Gemalte Werbung an einer Brandwand hat etwas Nostalgisches. Im Zeitalter von digitalen Werbeflächen auf Social-Media-Kanälen wirkt eine Werbebotschaft, die sich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte an einer Hauswand halten soll, seltsam überholt. Doch hier in Friedenau erinnert der Schriftzug der „Berliner Morgenpost“ an längst vergangene Zeiten, als die gedruckte Tageszeitung noch die wichtigste Informationsquelle war.


Feuermauern

Feuermauern an der S-Bahn nahe Sonnenburger Straße, Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Viennaslide
Feuermauern an der S-Bahn nahe Sonnenburger Straße, Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Viennaslide

Diese Häuser an der Sonnenburger Straße in Prenzlauer Berg stehen direkt an den S-Bahngleisen. Hier endet die reguläre Bebauung und die Brandwände sind nicht die Folge einer Fliegerbombe, die eine Lücke in die Stadt riss, sondern ein notwendiger Abschluss des bebauten Bereichs. Meist sind diese Wandflächen entlang der Schienen mit Graffiti und Street Art übersät.


Tacheles

Brandwände in Berlin: Tacheles an der Oranienstraße in Mitte, 2010. Foto: Imago/Schöning
Tacheles an der Oranienstraße in Mitte, 2010. Foto: Imago/Schöning

Das Künstlerhaus Tacheles mit Kino, Theater, Konzertsaal und Ateliers galt nach der Wende als kreatives Zentrum in der Mitte der wiedervereinigten Stadt. Die riesige Brandwand, die zum Hof zeigte, war zugleich eine der größte urbanen Leinwände auf der sich ungezählte Künstler verewigten. Heute gehört der einst von einer Künstlerinitiative besetzte Ort zu den größten Berliner Neubauprojekten. Finanzkräftige Investoren errichten auf dem Gelände einen Stadtblock mit Büro- und Geschäftsräumen sowie zahlreichen Kulturinstitutionen.


Brandmauer in Wedding

Brandmauer eines Wohnhauses in Wedding. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg
Brandmauer eines Wohnhauses in Wedding. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

Unverputzt, roh, riesig. Diese Brandmauer eines Hauses in Wedding ist quasi die historische Essenz des Berliner Wohnungsbaus. Bevor Stahl und Beton als Baumaterialien die Ziegelsteine ablösten, schichteten einst Maurer die im Umland gebrannten und über Wasserwege in die Stadt transportierten Klinker so lange übereinander, bis am Ende Millionen Menschen in Berlin leben konnten.


Stimmen für den Mindestlohn

 Malerei für den Mindestlohn am Schiffbauerdamm. Foto: Imago/Schöning
Malerei für den Mindestlohn am Schiffbauerdamm. Foto: Imago/Schöning

Werbung, Kunst und wilde Sprüherei zieren die Brandwände in Berlin, und immer wieder auch politische Parolen. Berühmt wurde der Schriftzug „Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern sondernd zwischen oben und unten“ an einer Brandmauer zwischen Mitte und Kreuzberg unweit des Bethaniendamms. Hier am Schiffbauerdamm ging es um den politischen Mal-Aktivisten um den Mindestlohn.


Am Sachsendamm

Brandwände in Berlin: Zwei Brandwände am Sachsendamm in Schöneberg: Malerei und Werbung für die GSG, Gesellschaft für Stadtentwicklung und Stadterneuerung. Foto: Imago/Schöning
Zwei Brandwände am Sachsendamm in Schöneberg: Malerei und Werbung für die GSG, Gesellschaft für Stadtentwicklung und Stadterneuerung. Foto: Imago/Schöning

Viele Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienkonzerne entdeckten die großflächige Bemalung von Brandwänden als ästhetische Verschönerungsmaßnahme für ihre Objekte. Auch als Schutz vor Vandalismus und Graffiti. Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren wurden erste Projekte dieser Art in West-Berlin verwirklicht. Künstler erhielten Aufträge und ihre Werke prägten fortan das Stadtbild. Eine Wandbild-Kultur entstand, mit mal naiven und verspielten, mal abstrakten und mal historischen Motiven. Auch heute werden, etwa auf Plattenbauten in Marzahn oder Hellersdorf, aber auch den Neubauten entlang der Heidestraße, die fensterlosen Wände mal mehr und mal weniger gelungen verschönert.


Triste Wände in Mitte

Alte Fassade an der Chausseestrasse in Mitte. Foto: Imago/IPON
Alte Fassade an der Chausseestrasse in Mitte. Foto: Imago/IPON

Der Drang, kahle Wände zu bemalen, sie mit Werbung zu überstreichen oder sich auf ihnen künstlerisch auszutoben, ist angesichts solcher Bilder nachvollziehbar. Diese alten Wohnhäuser in Mitte sehnen sich geradezu nach Farbe. Eher werden sie aber von Investoren generalmodernisiert oder abgerissen und an ihrer Stelle neue Apartmenthäuser errichtet.


Brandwand im Hinterhof

Brandwände in Berlin: Kinder spielen in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg, 1991. Foto: Imago/Werner Schulze
Kinder spielen in einem Hinterhof in Prenzlauer Berg, 1991. Foto: Imago/Werner Schulze

Dass dieses Foto 1991 in Prenzlauer Berg entstanden ist, mag man kaum glauben. Die Szene mit den auf dem Hinterhof spielenden Kindern hätte auch in den 1970er-Jahren stattfinden können oder direkt nach dem Krieg. Heute spielen die Kinder in der Kastanienallee vermutlich nicht mehr so analog.


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