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Kommentar

Berlins neue Senatsbaudirektorin: Düstere Aussicht, null Transparenz

Die SPD hat die Architektin Petra Kahlfeldt zur Senatsbaudirektorin ernannt. Der Schachzug bedeutet nicht nur eine düstere Zukunft für Berlin, sondern lässt auch Böses in Hinblick auf den Umgang der SPD mit Transparenz und Teilhabe ahnen.

2006 gestaltete Petra Kahlfeldt den Berlin-Pavillion für Burger King um.
Neue Senatsbaudirektorin: 2006 gestaltete Petra Kahlfeldt den Berlin-Pavillion für Burger King um. Foto: Imago/Christian Kielmann

Senatsbaudirektorin: Kahlfeldt baute Villen und hochpreisige Eigentumswohnungen

Wenn die Kahlfeldts bauen, bekommen FDP-Wählerinnen und Möchtegern-Millionäre mit hoher Wahrscheinlichkeit glasige Augen: Die Bauten des Architektenehepaares Petra und Paul Kahlfeldt zeichnen sich vor allem durch den zur Schau gestellten Reichtum ihrer Bewohnerinnen und Bewohner aus. Mächtige griechisch anmutende Säulen, verzierte Simse, bodentiefe Fenster blicken auf weitläufige Gärten und Pools in Dahlem und Zehlendorf. Wer dachte, solch Prunk und Protz könne im 21. Jahrhundert niemand in Berlin mehr ernsthaft bauen, der überzeuge sich auf der Webseite der Kahlfeldts vom Gegenteil.

Man könnte sich lustig machen über die Dekadenz der Kahlfeldts und sie danach in Ruhe ihre pompösen Villen bauen lassen – wenn der neue Bausenator Andreas Geisel (SPD) nicht eine Entscheidung getroffen hätte, bei der einem Angst und Bange werden kann: Er hat Petra Kahlfeldt zur neuen Senatsbaudirektorin ernannt.

Damit prägt künftig eine Frau das Gesicht der Berliner Stadtentwicklung, die für Privatisierung öffentlicher Flächen, Re-Traditionalisierung städtischen Bauens und Rekonstruktion historischer Viertel sowie zweifelhafte Ästhetik ohne ökologische und soziale Komponente steht. Angesichts von Jahrhundertaufgaben wie dem Umbau Berlins zu einer klimagerechten Stadt mit mehr gemeinwohlorientiertem Wohnungsbau, ist das eine verheerende Aussicht. Bis 2050 soll der Bausektor klimaneutral werden.

Kahlfeldt könnte den Ausverkauf der Stadt aktiv vorantreiben

Zwar sind auch unter Kahlfeldts Vorgängerin Regula Lüscher Quartiere entstanden, bei denen einen das kalte Grauen packt: das Areal um den Spittelmarkt zum Beispiel, das geprägt ist von Gebäuden mit gesichtslosen Sockelgeschossen ohne Geschäfte, Cafés oder Bars, dafür mit hochpreisigen Wohnungen darüber. Unzählige Bauten in Schießschartenoptik. Oder die schreckliche Europacity um den Hauptbahnhof.

Oft wurde Lüscher vorgeworfen, sie gebe zu viel auf Partizipationsprozesse, wolle alle anhören, anstatt einfach mal zu bauen. Aber wenigstens, das kann man ihr zugute halten, hörte sie andere an und schaffte keine Fakten mit Gebäuden, die nur den wohlhabenden Berliner:innen zugute kommen. Bei Kahlfeldt dagegen ist zu befürchten, dass sie den Ausverkauf der Stadt aktiv vorantreibt.

Auch wenn die Berufung Petra Kahlfeldts eine grauenhafte Nachricht für alle ist, die darauf gehofft hatten, dass Berlin sich endlich den Herausforderungen der Gegenwart stellt: Verwunderlich ist sie nicht. Vielmehr passt sie in die wohnungspolitische Linie der SPD und ihrer neuen Bürgermeisterin, Franziska Giffey. Denn deren Credo und Lösungsansatz, um den Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu beheben, ist bekanntlich Bauen, Bauen, Bauen – vor allem mit privaten Wohnungsbauunternehmen.

Die SPD hat die Forderung nach Transparenz bei der Ernennung ignoriert

Wo das hinführt, wenn man nur baut, ohne darauf zu achten, was für Wohnungen gebaut werden und wer sie baut, kann man am Beispiel von Hamburg sehen. Dort sind die Mieten 2019 so sehr gestiegen, wie seit 20 Jahren nicht, trotz mehr als 100.000 neuen Wohnungen seit 2011. Übrigens genau die Stadt, die Giffey kürzlich noch als gutes Beispiel anführte.

Fast noch beunruhigender als der Umstand, dass Petra Kahlfeldt zur neuen Senatsbaudirektorin ernannt wurde, ist, wie es dazu kam oder eher: der Fakt, dass es dazu keinerlei Informationen gibt. Die SPD gab ihre Ernennung einfach bekannt und verteilte damit eine schallende Ohrfeige an die mehr als 450 Unterzeichner:innen eines offenen Briefes an Bürgermeisterin Giffey und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh.

Die Architektinnen und Architekten, Initiativen und Verbände, die den Brief unterzeichnet hatten, forderten darin ein Mitspracherecht und Transparenz bei der Ernennung der neuen Senatsbaudirektorin oder des neuen Senatsbaudirektors. Die SPD hat den Brief ignoriert. Jetzt fordern die Unterzeichner:innen, die Ad-hoc-Ernennung zurückzunehmen.

Das Traurige ist: Auch dieses Manöver der SPD ist nicht wirklich verwunderlich. Denn es passt ins Bild. Ganz ähnlich verhalten sich die SPD und Giffey in Bezug auf den Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer profitorientierter Wohnungsbaukonzerne, bei dem 59,1 Prozent der Berliner bei der Wahl Ende September dafür gestimmt hatten. Noch immer fehlt ein klares Bekenntnis zu dessen Umsetzung. Stattdessen fokussiert sich der Koalitionsvertrag auf privaten Neubau. Es scheint, als spielten Transparenz und Teilhabe für den Berliner Wahlsieger SPD eine untergeordnete Rolle.


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