Ein eklatanter Fall von Transphobie hat sich am Mittwoch in Lichtenberg ereignet: Ein Mann bedrohte eine nicht-binäre Person mit einer Waffe. Queerfeindliche Angriffe in Berlin sind keine Einzelfälle. Deswegen hat die Aktivistin Stella Spoon eine Bewegung ausgerufen und ruft am Samstag zur Demo gegen Transphobie auf. Unsere Autorin findet: Alle, die sich als Verbündete von Queers sehen oder selbst queer sind, sollten hingehen.
Berlin ist nicht das queere Paradies, als das es dargestellt wird
Es reicht. Es reicht mit queerfeindlichen Angriffen in Berlin. Und damit, dass Berlin als Paradies für queere Menschen in deutschen und internationalen Medien und in Freundeskreisen, berlinerischen und anderen, dargestellt wird. Der Angriff auf eine nicht-binäre Personen in Lichtenberg am Mittwochnachmittag hat erneut gezeigt: Berlin ist eben nicht sicher, vor allem nicht für Menschen, die eher klein sind, eher weiblich, eher auffällig. Die sich nicht einem Geschlecht zuordnen lassen, die sich im Übergang von einem zum anderen Geschlecht befinden, die breite Schultern haben und geschminkt sind.
Der Übergriff passierte in der Nähe eines Supermarktes an der Bernhard-Bästlein-Straße in Lichtenberg. Toto Stoffels, Künstler:in und Fotograf:in, aß nach eigener Aussage gerade eine Wassermelone, als ein Mann kam und Stoffels etwas zurief, das das Wort „trans“ enthielt. Stoffels hörte den Mann auch sagen, anscheinend auf englisch: „Ich werde dir durch den Kopf schießen.“
Transphobie in Lichtenberg: Der Mann zieht eine Waffe
Stoffels beginnt zu filmen. Auf dem Video ist zu hören, wie der Mann etwas wie „Hurensohn“ sagt und Stoffels fragt, was sein Problem sei. Dann zieht der Mann plötzlich eine Waffe und zielt auf Stoffels, der wegläuft. Danach machen sich der Mann und seine Begleiterin davon.
Das Berliner Anti-Gewalt-Projekt Maneo hat 2020 510 Fälle mit trans- oder homophobem Hintergrund registriert. Das bedeutet: Jeden Tag wurde mindestens eine queere Person in Berlin angegriffen. Die meisten Übergriffe passierten in Friedrichshain, Mitte, Kreuzberg, Neukölln und Schöneberg. Stadtteile, in denen LGBTIAQ*-Läden, Bars und Clubs mehr oder weniger zum Stadtbild gehören, in denen einige Menschen vielleicht sogar den Eindruck bekommen, dort könnten Queers ein Leben ohne Einschränkungen führen.
Das ist fatal, denn dem ist schlicht nicht so. Auch in Berlin küssen sich viele homosexuelle Paare nicht auf der Straße. Menschen, die trans sind, trauen sich oft nicht oder nur mit ungutem Gefühl, spät alleine durch die Straßen zu laufen. Queer sein in Berlin bedeutet, in unzähligen Alltagssituationen auf der Hut zu sein, Blicke zu ertragen und im schlimmsten Fall verbale oder körperliche Gewalt zu erleben.
Jeden Tag mindestens ein queer-feindlicher Angriff
Da waren zum Beispiel im Februar der 44-jährige Schöneberger, der in Schöneberg auf dem Weg zur Arbeit auf dem Weg zur Arbeit verfolgt und beleidigt wurde und die 62-jährige Neuköllnerin, deren Balkon mit Eiern beworfen wurde, weil sie trans ist. Die Drag-Künstler*in Olympia Bukkakis, die im ersten Lockdown in Neukölln niedergeschlagen wurde. Und die Regisseurin Amina Maher, eine trans Frau of Color, die vor wenigen Tagen in der Berliner U-Bahn zusammengeschlagen wurde.
Die Liste ist lang. Und die Diskrimierung beschränkt sich nicht auf Privatpersonen, die queere Menschen attackieren. Die nicht-binäre trans Frau* Stella Spoon berichtet auf ihrer Instagram-Seite von ihrer Freundin, die ein Späti-Besitzer nicht bedient habe, weil sie trans ist. Als sie sich geweigert habe, den Laden zu verlassen, habe der Späti-Mann die Polizei gerufen. Anstatt den Mann zurecht zu weisen, hätten die Beamten nicht die Aussage der Frau aufnehmen wollen. Stattdessen sollen sie fortlaufend die falschen Pronomen benutzt und sich über sie lustig gemacht haben. Außerdem weigerten sie sich laut der Betroffenen, eine weibliche Beamtin hinzuziehen. Zum Schluss hätten sie ihre Fingerabdrücke genommen und sogar ihr Handy eingezogen.
Stella Spoon will sich das nicht mehr gefallen lassen. „Sogar die queeren Räume in Berlin, also Clubs und Bars, sind dominiert von weißen cis Männern. Wir trans Personen haben die Schnauze voll, und die meisten POCs auch“, sagt sie. „Immer wieder passieren auch Vorfälle mit Türstehern und Türsteherinnen bei queeren Partys, bei denen trans Personen diskriminiert werden.“
Demo gegen Transphobie: Der Beginn einer Bewegung?
Spoon hat den Beginn einer Bewegung für trans Rechte ausgerufen und bittet alle Betroffenen und Menschen, die sich als Verbündete verstehen, am kommenden Samstag auf die Straße zu gehen. „Trans*-Menschen und vor allem Trans*-Menschen of Colour stehen an vorderster Front. Unsere Körper sind schon allein dadurch politisch, weil sie existieren. Wir sind ständig mit dem Patriarchat der weißen Vorherrschaft konfrontiert“, schreibt sie in ihrem Aufruf.
Berlin sei kein sicherer Ort für queere und transsexuelle Menschen. Die vergangenen Tage hätten dies schmerzhaft gezeigt. Trotzdem sagt sie: „Berlin könnte unsere letzte Hoffnung sein, etwas zu bewegen. Schaut euch an, was in der Welt passiert.“
Berlin hat den Ruf, eine besonders tolerante, offene und diverse Stadt zu sein. Das stimmt zum Teil. Aber es hat eben auch diese andere, hässliche Seite. Wenn Berlin weiter Hafen für verfolgte queere Personen sein soll, auch und vor allem für trans Personen, sollten wir uns ihr anschließen und mit ihr für ein besseres Berlin kämpfen.
- Demo gegen Transphobie/Demo against Transphobia, Samstag, 7. August, 14-18 Uhr, Platz der Luftbrücke
Bars und Clubs sind für viele Queers wichtige Rückzugsorte. So steht es um die queeren Bars und Clubs in Berlin nach der Krise. Erst kürzlich war der CSD. Unser Autor erklärt, warum wir ihn als politische Demonstration und weniger als Party brauchen. Berliner:innen haben einige queere Hymnen produziert. Hier sind 12 Berliner Queer-Pride-Songs, die wir lieben: Von Pet Shop Boys bis Peaches. Neuigkeiten und aktuelle Texte zu queeren Themen findet ihr hier.