Vor zweieinhalb Jahren ist unsere Autorin nach dem Studium von Hildesheim nach Berlin gezogen. Obwohl sie als Kind viel Zeit in Berlin verbracht hat, ist der Umzug vom niedersächsischen Hildesheim nach Berlin-Charlottenburg doch eine Umstellung. Vor allem der Kampf auf dem Wohnungsmarkt, Spätis und das Radfahren in Berlin waren neu.
Nach dem Studium ziehen alle nach Berlin? Mist, stimmt
In meinem Studiengang in Hildesheim gibt es den Running-Gag: Nach dem Studium ziehen alle nach Berlin. Eigentlich wollte ich das Klischee „Ich mach was mit Kultur und Medien, ich geh nach Berlin“ nicht unbedingt erfüllen. Klar war nur, dass ich nach dem Studium in der kleinen Großstadt Hildesheim „raus“ wollte. Süddeutschland fiel raus, es blieben Hamburg, Köln und Berlin. Und warum eigentlich nicht doch nach Berlin? Immerhin habe ich dort früher viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht.
Ich plante also meinen Umzug von Hildesheim nach Berlin und machte mich auf Wohnungssuche. Ich schrieb wild Bewerbungen an alle Wohnungs-Inserate, die zu meinen Suchkriterien passten, und fuhr für zehnminütige Massen-Besichtigung zweieinhalb Stunden von Hildesheim nach Berlin. Als eine Hausverwaltung mir am Telefon eine Wohnung in Charlottenburg anbot, sagte ich sofort zu. Musste danach aber erst einmal überlegen, welche der vielen besichtigten Wohnungen eigentlich gemeint war.
Im Vergleich dazu ist der Wohnungsmarkt in Hildesheim gerade zu tiefenentspannt. Dort kostet eine Zwei-Zimmer-Wohnung 390 Euro warm. In Berlin kann man in manchen Kiezen innerhalb des S-Bahn-Rings auf diese Miete einen Tausender drauflegen. „Für das Geld kann man in Niedersachsen ja ein ganzes Haus mit Garten mieten“, sagten meine Verwandten. Ja, das steht dann aber eben nicht in Berlin. Ich packte also einen Transporter voll und fuhr los. Beim Ausladen des vollgestopften Umzugsautos, bietet der Späti-Besitzer von nebenan sofort seine Hilfe an und heißt mich so herzlich Willkommen in Berlin.
In Hildesheim ist dann doch weniger Vielfalt als in Berlin
Auch sonst hat Berlin mich gut aufgenommen. Es ist immer etwas los. Das Kultur-Angebot ist nahezu unerschöpflich. Die Supermärkte schließen erst um 24 Uhr. Die Bahnen fahren immer. Alle findet passende Nischen und Lebensentwürfe. Aus Hildesheim war ich weniger Vielfalt gewöhnt: Es gibt ein Kino, ein Theater und ein Kulturzentrum. Die Geschäfte in der Fußgängerzone schließen um 18 Uhr. Der letzte Bus vom Hauptbahnhof fährt um 23:20 Uhr.
Um von Berlins Überangebot nicht erschlagen zu werden, versuchte ich mich erst einmal in Charlottenburg zu orientieren. Immerhin wohnen in Charlottenburg-Wilmersdorf alleine schon dreimal so viele Menschen wie in Hildesheim. Neue Lieblingsplätze: der Schlosspark Charlottenburg, der Zoopalast, der Savignyplatz. Und der Späti direkt nebenan.
Obwohl ich als Kind einen Großteil meiner Ferien in Berlin bei meinen Großeltern verbracht habe, ist Berlin nicht gleich Berlin. Ortskenntnisse in Köpenick helfen nur bedingt bei der Orientierung im neuen Charlottenburger Kiez. Wie meine Oma sagt: „Im Westen kenn ick jar nichts.“ Trotzdem begegnen mir immer wieder Orten meiner Kindheit. Dann schwelge ich in Erinnerungen an das Baden im Müggelsee, die „ausgestopften Tiere“ im Naturkundemuseum und die Tage im FEZ. Und immer wieder ein Highlight meiner Sommerferien: Ein neuer Döner-Laden in Kreuzberg verkauft Döner für 1,50 Euro.
Graues Wetter und gefährliches Radfahren: Schön in Berlin zu sein
Auch wenn Berlin natürlich viel größer, vielfältiger und lebendiger ist, erinnert mich trotzdem viel an meine Heimat. Die Einkaufsmeile in der Wilmersdorfer Straße ähnelt optisch stark der Fußgängerzone am Kröpcke in Hannover. Und auch wettermäßig musste ich mich nicht umstellen. Neulich fragte mich ein Bekannter aus Süddeutschland, ob das Wetter in Niedersachsen auch so grau und windig ist wie in Berlin. Bis dato war mir nie aufgefallen, dass es in Berlin windig ist oder zumindest windiger als irgendwo sonst. Doch hier tauscht man die funktionale Regenjacke lieber mal gegen einen stylischen Mantel aus einem der vielen Second-Hand-Läden. Fashion before function.
Ungewohnt war am Anfang jedoch das Radfahren. In Hildesheim ist das Fahrrad (neben dem Auto) der beste Weg, um von A nach B zu kommen. Zum Uni-Campus, der idyllisch zwischen Feldern außerhalb der Stadt liegt, führt ein Radweg am Fluss entlang. Im Gegensatz dazu musste ich mich erst einmal an rücksichtslose Autofahrer*innen und plötzlich endende Radwege gewöhnen. In Berlin habe ich mir erst einmal einen Fahrradhelm gekauft.
Die Feuertaufen als Berliner Fahrradfahrer*in – fast von einem ausparkenden SUV überrollt werden und mich brüllend auf der Kreuzung mit einem Autofahrer über Vorfahrtsregeln streiten – habe ich schon überstanden. Trotzdem ist Radfahren in Berlin für mich ganz besonders. Jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit sehe ich von Weitem die Siegessäule und denke: Moin Gold-Else, schön in Berlin zu sein.
Mehr Umzüge in Berlin
Umziehen nach Berlin sind immer spannend. Besonders interessant ist der Umzug von London nach Berlin von einer Hauptstadt in die nächste. Oder auch der Umzug von Leipzig nach Berlin: Vom Crime-Hotspot ins Hinterhof-Idyll von unserer Autorin. Aber auch, wenn man innerhalb von Berlin umzieht gibt es viel zu erzählen: Wie beim Umzug von Neukölln nach Moabit: Zufrieden im Dazwischen oder den Umzug vom Wedding nach Prenzlauer Berg: Manche Vorurteile stimmen einfach. Und für alle, die Berlin verstehen wollen: 12 Dinge, an die sich Zugezogene in Berlin erstmal gewöhnen müssen.