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Videotheken in Berlin: 12 Fotos aus der medialen Vergangenheit

Mit den Videotheken, nicht nur in Berlin, eröffneten sich damals völlig neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Nicht immer bot diese auch Vorteile. Zwar waren die Menschen freier, mussten sich nicht mehr nach den Kinos richten, doch führte das auch dazu, dass sie diese eben auch seltener aufsuchten. Doch bis es überhaupt dazu kam, dass Produktionen von Welles, Hitchcock oder auch Lumet von der Leinwand auf die Wohnzimmerbildschirme wanderten, dauerte es. Ende der 1960er-Jahre stellte Willy Brandt das TV-Signal auf Farbe um und nur einige Jahre später entwickelten mehrere Unternehmen portable Geräte, mit denen man sich das Kinoerlebnis nach Hause holen konnte.

Die Ära der Videorecorder war angebrochen. Nachdem sich das VHS-System durchgesetzt hatte, begann der rasante Aufstieg der Videotheken. In Kassel eröffnete ein gewisser Eckhard Baum bereits 1975 einen Laden, in dem man die Kassetten ausleihen konnte, damit war er ein Pionier. 1983 gab es in Deutschland bereits 5000 Videotheken. Auch in Berlin gehörte sie fortan zum Stadtbild dazu. Etwa 20 Jahre währte die Homevideo-Kultur, bis sie von Internet und Streamingdiensten obsolet gemacht wurde, da half auch der zwischenzeitliche DVD-Boom nicht. Hier erzählen wir entlang von 12 Fotos die Geschichte der Videotheken in Berlin. Die meisten sind längst wieder verschwunden, doch einige halten sich, teilweise mit neuen Konzepten, noch wacker!


Videothek in der Bergmannstraße, Kreuzberg

Videotheken in Berlin: Videothek an der Bergmannstraße in Kreuzberg, 1999. Foto: Imago/Lem
Videothek an der Bergmannstraße in Kreuzberg, 1999. Foto: Imago/Lem

Die Bergmannstraße ist für Kreuzberg 61 das, was für Kreuzberg 36 die Oranienstraße ist. Eine geschäftige Pulsader, die das Tempo und die Befindlichkeit des Kiezes in sich vereint. Kleine Läden, Boutiquen, Second-Hand-Geschäfte, Bars und natürlich die Restaurants und Imbisse mit Spezialitäten aus aller Welt reihen sich hier dicht aneinander. Zwischen Mehringdamm und Marheineke-Markthalle tobt das Leben! Die Videothek an der Ecke Am Tempelhofer Berg gehörte 1999 noch dazu.


Video Collection, Wilmersdorf

Video Collection an der Berliner Straße in Wilmersdorf, 2005. Foto: Imago/Schöning
Video Collection an der Berliner Straße in Wilmersdorf, 2005. Foto: Imago/Schöning

2005 konnte man in der Video Collection an der Berliner Straße in Wilmersdorf DVDs für einen Euro ausleihen. Videokassetten waren da bereits vom Markt verschwunden und höchstens noch etwas für Nostalgiker. Dadurch entfiel das nervige Zurückspulen der Bänder. Aber man musste auch eine DVD abholen und wieder zurückbringen. Schon bald war es damit ebenfalls vorbei.


Filmgalerie 451, Mitte

Filmgalerie 451, Videothek in Mitte, 2001. Foto: Imago/BRIGANI-ART

Im Gegensatz zu den normalen Videotheken, die vornehmlich Mainstream-Filme und Pornos im Sortiment hatten, sind spezialisierte Läden wie die Filmgalerie Berlin (auch bekannt als Filmgalerie 451) bis heute noch relevant. Massenware aus Hollywood, Kinderfilme und Erotikproduktionen kann man sich in Sekunden aus dem Netz ziehen. Wer aber nach Perlen der Kinogeschichte, obskuren Underground-Streifen oder avantgardistischer Filmkunst sucht, wird in der Filmgalerie Berlin fachmännisch versorgt.

  • Filmgalerie Berlin Invalidenstraße 148, Mitte, online

Videothek Rabero, Lichtenberg

Videothek an der Frankfurter Allee in Lichtenberg, 1996. Foto: Imago/Rolf Zöllner
Videothek an der Frankfurter Allee in Lichtenberg, 1996. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Während in West-Berlin die Videoeuphorie bereits in den frühen 1980er-Jahren begann, musste sich der Ostteil der Stadt etwas gedulden. Erst nach dem Mauerfall zogen die Videorecorder in die Wohnungen der ehemaligen DDR-Bürger und -Bürgerinnen, und die Videotheken schossen aus dem Boden, wie Pilze nach dem Regen. Diese Videothek an der Frankfurter Allee in Lichtenberg ist ein gutes Beispiel für die VHS-Invasion im einstigen Arbeiter- und Bauernstaat.


Video-Rent-Club, Friedrichshain

Video-Rent-Club in Friedrichshain, 2006. Foto: Imago/Enters
Video-Rent-Club in Friedrichshain, 2006. Foto: Imago/Enters

Um 2006 waren Videotheken bereits bedroht, der Anfang vom Ende der Ära zeichnete sich ab, doch mit einem erweiterten Angebot, etwa dem Verleih von Spielen für die Playstation und andere Spielkonsolen konnten sich einige Betreiber noch über Wasser halten.


Video Collection, Prenzlauer Berg

Videotheken in Berlin: Videothek an der Schönhauser Allee, 2009. Foto: Imago/Steinach
Videothek an der Schönhauser Allee, 2009. Foto: Imago/Steinach

Die Video Collection an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg bespielte noch um 2009 mehrere hundert Quadratmeter Fläche und versorgte die Nachbarschaft mit einem Normalprogramm, aber auch ausgesuchten Filmen, in denen etwas weniger geballert wurde. Independent-Produktionen, alte Filmklassiker und aktuelle Blockbuster gehörten zum Programm des in den 1990er-Jahren gegründeten Ladens. 2012 war Schluss, zum einen setzte sich das Filmangebot im Internet durch und die Videotheken verloren Kundschaft, in Prenzlauer Berg kam aber noch ein weiteres Problem hinzu: Gentrifizierung. Der Betreiber konnte irgendwann nicht mehr die immer weiter steigende Miete zahlen und machte dicht.


Video World, Zehlendorf

Video World in der Berliner Strasse in Zehlendorf, 2010. Foto: Imago/Manja Elsässer
Video World in der Berliner Straße in Zehlendorf, 2010. Foto: Imago/Manja Elsässer

Die vermutlich größte und bekannteste Videotheken-Kette in Berlin war lange Video World. Etwa 50 Filialen gehörten deutschlandweit zu der Firma, in Berlin gab es in den meisten Bezirken mindestens einen Video-World-Laden, etwa hier in Zehlendorf. Schaut man heute auf der Webseite der Firma nach, findet sich eine letzte Niederlassung in Potsdam, in Berlin ist schon seit einiger Zeit der Ofen aus.


Videodrom, Kreuzberg

Videodrom in Kreuzberg. Berlins älteste Programm-Videothek, 2018. Foto: Imago/Mike Wolff/Tagesspiegel

Das Videodrom in Kreuzberg ist eine Legende. Filmkunst, Autorenkino, Avantgarde, Dokumentationen, B-Movies, Trash und Obskuritäten gehörten zum Programm des alten Eckladens in der Zossener Strasse. Die Mitarbeiter waren ausgewiesene Filmfreaks, nirgendwo sonst bekam man derart seltene, unerhörte und krude Filme. Irgendwann zog das Videodrom um und residiert seitdem in der Friesenstraße, unweit des Columbiadamms. Noch heute gehört das Sortiment zum besten der Stadt, dennoch ist die goldene Ära der fantastisch sortierten Programmvideotheken vorbei. 2015 schloss das Negativeland in Prenzlauer Berg, und der Kellerladen in Schöneberg, in dem man einst Raritäten ausleihen konnte, existiert schon lange nicht mehr.

  • Videodrom Friesenstraße 11, Kreuzberg, online

Filmkunstbar Fitzcarraldo

Filmkunstbar Fitzcarraldo in Kreuzberg. Foto: Imago/Jürgen Held
Filmkunstbar Fitzcarraldo in Kreuzberg. Foto: Imago/Jürgen Held

Klassische Videotheken verschwinden aus Berlin. So musste sich die Branche teilweise neu erfinden. Einen guten Ansatz verfolgt das Team der Filmkunstbar Fitzcarraldo in Kreuzberg. Der Laden ist eine Mischung aus uriger Bar mit schrägem Retro-Interieur, in der Filmveranstaltungen stattfinden können. Im Keller liegen noch gut 10.000 Filme: Arthouse, Klassiker, Indie und mehr. Das Konzept aus Bar und Videothek funktioniert hier recht gut.

  • Filmkunstbar Fitzcarraldo Reichenberger Str. 133, Kreuzberg

Videoservice, Prenzlauer Berg

Videotheken in Berlin: Videothek mit Späti-Angebot, 2020. Foto: Imago/Sabine Gudath
Videothek mit Späti-Angebot, 2020. Foto: Imago/Sabine Gudath

Auch der Chef dieses Spätis in der Kastanienallee hat sich für ein Hybridkonzept entschieden. Neben dem normalen Angebot aus Bier, Zigaretten und Softdrinks, das vor allem Touristen und Nachtschwärmer anzieht, verleiht dieser Videoservice-Späti zudem noch Filme auf DVD.

  • Videoservice Kastanienallee 67, Prenzlauer Berg

Madeleine und der Seemann

Madeleine und der Seemann, eine Perle unter den Café-Videotheken in Berlin. Foto: Madeleine und der Seemann
Madeleine und der Seemann, eine Perle unter den Café-Videotheken in Berlin. Foto: Madeleine und der Seemann

Unweit vom Nöldnerplatz im charmanten Lichtenberger Kaskelkiez verbirgt sich ein Schatz der Berliner Videotheken-Kultur. In dem gemütlichen Café mit dem besonders schönem Namen Madeleine und der Seemann kann man für ein Stück selbstgemachten Kuchen und eine Tasse Cappuccino einkehren und im Anschluss noch eine DVD mitnehmen. Zwar ist das Filmangebot in den vergangenen Jahren geschrumpft, dafür überzeugt die Atmosphäre. Und das Konzept lässt hoffen, dass die Videotheken in Berlin auf die eine oder andere Art doch noch eine Chance haben.

  • Madeleine und der Seemann Kaskelstraße 31, Lichtenberg, online

Video Center, Prenzlauer Berg

Videotheken in Berlin: Die Videothek Video Center leer, 2020. Foto: Imago/Sabine Gudath
Videothek Video Center, 2020. Foto: Imago/Sabine Gudath

Internet killed the Video Star – es wird im Fall von VHS-Kassetten und DVDs wohl kein Revival geben, wie aktuell bei der Vinyl-Schallplatte. So werden früher oder später die Videotheken komplett von der Bildfläche verschwinden. In Berlin existieren heute noch einige Videoläden mit Ausleihe, viele Betreiber handeln zusätzlich mit Computerspielen oder Hifi-Geräten, anderen haben sich als hippe Bars und Cafés neu erfunden, das ganz klassische Geschäftskonzept ist jedoch im Zeitalter von Amazon Prime, Netflix, Disney Plus und Youtube längst überholt.

Es ist aber noch nicht endgültig vorbei. Wer Lust auf eine „richtige“ Videothek hat, sollte in Prenzlauer Berg im Video Center in der Greifswalder Straße 169 (direkt am S-Bahnhof) vorbeischauen. In vielen alten Videotheken residieren heute aber Modegeschäfte, Restaurants oder Frisöre. Etwa 30 Jahre währte die Ära der Videotheken in Berlin. Es ist an der Zeit, Abschied zu nehmen.


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