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Windmühlen in Berlin: Relikte des Landlebens mitten in der Stadt

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es rund 150 Windmühlen in Berlin und den umliegenden, damals noch selbstständigen Dörfern. Heute sind es acht. Immerhin. Schließlich würden die Wenigsten überhaupt landwirtschaftliche Bauwerke mit teilweise mehr als 200 Jahren auf dem Buckel in einer Großstadt erwarten. Einige Berliner Mühlen stehen seit Ewigkeiten an der gleichen Stelle, andere brannten ab und wurden wiederaufgebaut – oder direkt aus Friesland nach Berlin geholt. Wir stellen euch die Windmühlen in Berlin vor. Von skurrilen Kontrasten in Marzahn bis hin zur Dorfidylle in Gatow.


Windmühlen in Berlin: Britzer Windmühle

Die mehr als 150 Jahre alte Britzer Mühle ist immer noch im Einsatz. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Es ist schon erstaunlich, dass es überhaupt noch Windmühlen im dicht besiedelten Berlin gibt. Besonders faszinierend ist die 1865 erbaute Britzer Mühle, eine typische und voll funktionstüchtige Galerie-Holländermühle, in der tatsächlich immer noch Mehl mit Windkraft gemahlen wird. Das historische Bauwerk, die umliegenden Wiesen und Obstbäume fühlen sich doch ein wenig fremd an in einem Ortsteil von Neukölln. Wenn man in die richtige Richtung schaut, könnte man meinen, man befände sich an einer Mühle in der Lüneburger Heide. Hier kann man sogar immer noch eine Ausbildung zum Diplom-Windmüller machen, oder frisches Brot aus Mühlenproduktion kaufen.


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Adlermühle in Mariendorf

Die Adlermühle in Mariendorf ist nach dem Wappentier Preußens benannt. Foto: Imago/Schöning

Wie die Britzer Mühle ist auch die Adlermühle in Mariendorf eine achteckige Galerie-Holländermühle. Anders als ihr Neuköllner Gegenstück ist sie jedoch schon seit 1959 nicht mehr im Einsatz. Zumindest nicht im klassischen Sinne. Heute dient die schöne Mühle als Vereinsheim und Freizeitstätte des Berliner Schwimmvereins „Friesen 1895“ e. V., der die verwahrloste Mühle wieder auf Vordermann brachte. Die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung veranstaltet hier Führungen und beliebte Events wie das Pfingstkonzert. In der ersten Etage gibt es einen Partyraum, in dem 50 Leute Platz finden. Der Name geht übrigens auf den preußischen Adler zurück. Das Wappentier ist über dem Eingang angebracht. Bei ihrem Bau 1889 soll die Adlermühle die größte Windmühle der Mark Brandenburg gewesen sein.

  • Vereinsheim Adlermühle Buchsteinweg 32, Mariendorf

Windmühlen in Berlin: Zehlendorfer Mühle

Die Zehlendorfer Mühle ist eine Holländermühle in der seltenen Rundform. Foto: Norhei, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Es gibt so einige Traumhäuser in Zehlendorf. Das wohl ungewöhnlichste von ihnen ist die alte Holländische Mühle. Das 1881 errichtete Gebäude erzählt eine bewegte Geschichte. Da der Wind nicht ausreichte, wurde erst ein Petroleummotor (1898), dann ein Gasmotor (1918) und später ein Elektromotor (1921) eingebaut. Die Mühle erzählt also die Schritte der Industrialisierung.

Die Flügel blieben nur aus ästhetischen Gründen erhalten, bevor sie im Zweiten Weltkrieg demontiert wurden, um den Bombern einen Orientierungspunkt zu nehmen. In der Nachkriegszeit verfiel die Mühle allmählich. Erst 1997 kehrte wieder Leben in das historische Gebäude ein, als sich ein Investor fand, der die Mühle in Absprache mit den Denkmalschützern sanierte und zu einem Wohnhaus ausbaute. In einem Schaukasten kann man sich über die spannende Geschichte informieren. In der Nähe liegt der idyllische Dreipfuhlpark. Mühle und Grünanlage sind beliebte Ausflugsziele.

  • Zehlendorfer Mühle Berliner Straße 75, Zehlendorf

Jungfernmühle in der Gropiusstadt

Der Name der Jungfernmühle in der Gropiusstadt geht auf eine tragische Geschichte zurück. Foto: Imago/Steinach

Die Jungfernmühle in der Gropiusstadt ist Berlins älteste erhaltene Windmühle. Errichtet wurde sie 1757 vom holländischen Zimmermann Adrian den Ouden, einem der letzten niederländischen Bewohner des berühmten Holländischen Viertels in Potsdam. Ursprünglich befand sich auch die Mühle in Potsdam. Der Name der Mühle geht auf eine tragische Geschichte zurück: Während einer Besichtigung soll die Müllerstochter auf der Galerie gestorben sein, nachdem sie durch eine plötzliche Windböe von einem der Flügel erfasst und meterhoch durch die Luft geschleudert worden war. Der Legende nach ließ der Vater ein Abbild seiner toten Tochter in Eichenholz stechen und unter der Mühlenwelle einsetzen, wo es sich noch heute befinden soll. Rund hundert Jahre später wurde die Jungfernmühle erst nach Rixdorf und dann an ihren heutigen Standort in Buckow verlegt. Seit 2018 bewirtschaftet die Restaurantgruppe Wiesenstein die Jungfernmühle.

  • Jungfernmühle Goldammerstraße 34, Gropiusstadt, weitere Infos hier

Windmühlen in Berlin: Marzahner Bockwindmühle

Die Marzahner Bockwindmühle steht direkt neben Plattenbauten. Foto: Imago/epd-bild/Rolf Zoellner

Marzahn ist jetzt wirklich kein Ort, an dem man eine hölzerne Windmühle erwarten würde. Doch tatsächlich: Zwischen tristen Plattenbauten und Großwohnsiedlungen, eingerahmt von der lauten Landsberger Allee und der regen Allee der Kosmonauten, befindet sich ein verkehrsberuhigtes Kleinod mit funktionierender Mühle. Sie liegt am alten Kern des ehemaligen Angerdorfes Marzahn auf einem Hügel, auf dem auch Gänse, Schafe, ein Pferd und ein Esel leben. Außerdem stehen hier historische landwirtschaftliche Geräte.

Ein wirklich seltsamer Kontrast zu den umliegenden Betonbauten. Tatsächlich ist die Mühle jedoch jünger als die Wohnhäuser. Bei der Marzahner Bockwindmühle handelt es sich nämlich um einen Neubau von 1994. Die drei Vorläufermühlen reichen allerdings zurück bis in das Jahr 1815. Heute werden hier immer noch bis zu 1000 Kilogramm Roggen- oder Weizenmehl pro Tag erzeugt. Fortbildungskurse und Führungen finden regelmäßig statt. So ländlich kann die Stadt sein: Weitere alte Dorfkerne in Berlin stellen wir hier vor.

  • Marzahner Bockwindmühle Hinter d. Mühle 4, Marzahn, weitere Infos hier

Holländermühle Foline im Technikmuseum

Die Holländermühle Foline steht im Technikmuseum. Foto: Photograph by Mike Peel (www.mikepeel.net)., CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Im Museumspark des Deutschen Technikmuseums in Kreuzberg stehen gleich zwei Windmühlen. Eine von ihnen ist die kleine, achteckige Galerie-Holländermühle Foline aus Poghausen in Ostfriesland. Die Kornmühle mit Windrose und Jalousieflügeln ist gelegentlich in Betrieb, obwohl die Umgebung mit hohem Baumsbestand untypisch für Mühlen ist. Auf dem Gelände des stillgelegten Bahnbetriebswerks des ehemaligen Anhalter Bahnhofs liegt nicht nur der sechs Hektar umfassende Museumspark, sondern auch der Ostpark des Parks am Gleisdreieck, dessen westlicher Weg an den beiden Windmühlen vorbeiführt. Um die beiden Mühlen von der Nähe aus zu betrachten, sollte man das Technikmuseum besuchen. Es lohnt sich. Auf dem Gelände des heutigen Museumsparks sollen um 1830 übrigens zehn Windmühlen gestanden haben.

  • Deutsches Technikmuseum Trebbiner Str. 9, Kreuzberg, weitere Infos hier

Windmühlen in Berlin: Bohnsdorfer Bockwindmühle im Technikmuseum

Bohnsdorfer Bockwindmühle, Blick auf Bock und Steert. Foto: Lienhard Schulz/GFDL/CC-BY-SA-2.5,2.0,1.0, Wikimedia Commons

Die zweite Windmühle im Technikmuseum ist die Bohnsdorfer Bockwindmühle. Die Mühle wurde 1820 in Köpenick errichtet, musste aber nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs dem wachsenden Berlin weichen. In Bohnsdorf wurde sie wieder aufgebaut, wo sie in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt wurde. Erst 1983 wurde die Windmühle im Museumspark des Deutschen Technikmuseums rekonstruiert. Bockwindmühlen sind der älteste Windmühlentyp Europas. Das Besondere dabei ist, dass das Mühlenhaus auf einem „Bock“ steht, der sich mit dem langen „Steert“ in den Wind drehen lässt. Die verschiedenen Funktionsweisen der Holländerwindmühle und der Bockwindmühle werden beide im Technikmuseum vorgeführt.

  • Deutsches Technikmuseum Trebbiner Str. 9, Kreuzberg, weitere Infos hier

Bockwindmühle in Gatow

Die Neue Bockwindmühle wurde zum 750jährigen Bestehen von Gatow erbaut. Foto: A.Savin, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Auf dem 52 Meter hohen, historischen Windmühlenberg in Gatow stand bis 1921 eine fast hundert Jahre alte Bockwindmühle. Nachdem der Mühlenbesitzer und Ortsbäcker das heruntergekommene Bauwerk an eine Produktionsfirma verkauft hatte, ließ der Regisseur Richard Eichberg die 1845 errichtete Mühle in der letzten Szene seines Skandalfilms „Die Mordsmühle auf Evenshill“ abfackeln. Ein Opfer für den perfekten Streifen, Method Acting quasi. Die Uraufführung des in den USA indizierten und im Deutschen Reich nicht jugendfreien Films fand 1921 in Berlin statt. Heute sind alle Kopien verschollen. Das dramatische Ende der Mühle sieht niemand mehr.

87 Jahre später, pünktlich zum Jubiläum „750 Jahre Gatow an der Havel“ wurde eine neue Bockwindmühle an der gleichen Stelle errichtet. Die mehr als 200 Jahre alte Mühle aus der Prignitz soll der abgebrannten Gatower Mühle gleichen. Das Logo zur Feier 2008 zierte eine Bockwindmühle, das ehemalige und jetzt wiederhergestellte Wahrzeichen des ehemaligen Dorfes in Spandau.


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