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Abschied

Loretta am Wannsee schließt: Was wird aus unseren Ausflugslokalen?

Loretta am Wannsee war eine Institution – und wird wohl nicht wieder öffnen. Clemens Niedenthal nimmt Abschied von einer Ausflugsikone. Und stellt fest: Wer von schönem Wetter abhängig ist, hat es noch einmal schwerer als andere Betriebe. Nun kommt es auf die Gäste an.

Biergärten in Berlin Entspannte Atmosphäre, ehrliches Essen, frisch gezapftes Bier und Blick auf den Wannsee: Damit zieht das Loretta seine Gäste an.
Das Loretta am Wannsee in besseren Zeiten. Im Februar gab das Lokal bekannt, nicht wieder zu öffnen. Foto: Loretta am Wannsee

Loretta am Wannsee: Der Sommer ist vorbei, bevor er begonnen hat

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„Irgend Wannsee’hn“ wir uns wieder … diesen tatsächlich tollen Spruch drückt uns das Team des Loretta am Wannsee in diesen Tagen über die sozialen Medien auf ein sentimental tränendes Auge. Der Sommer ist also schon vorbei, bevor der Sommer überhaupt begonnen hat, mindestens am Kronprinzessinnenweg, Ecke Königsstraße. Einer der prominentesten Biergärten Berlins wird in diesem Frühjahr erst einmal nicht wieder eröffnen. Und die Aufmerksamkeit, ja Betroffenheit, die diese Nachricht hinterlässt, erzählt auch viel über eine Zeit, in der es langsam genug ist mit all den Veränderungen und schlechten Nachrichten.

Auch ich war jetzt nicht allzu häufig in der Loretta, habe allenfalls mal ein Weizenbier auf einer Rennradrunde getrunken. Und dennoch fehlt mir diese Ausflugsikone, schon jetzt im trüben Februar. Mir fehlt die treue Verlässlichkeit mit der sie immer auf einen gewartet hat, bei jedem Wetter.

Warum das Loretta am Wannsee schließt. „Nach 14 wundervollen Jahren voller Freundschaft und Gastlichkeit ist es uns aufgrund der stark gestiegenen Kosten für Energie, Miete und Waren sowie erheblicher Personalprobleme leider nicht mehr möglich, den Betrieb in gewohnter Qualität aufrechtzuerhalten.“ Was sich zunächst als buntes Potpourri der gastronomischen Rahmenbedingung liest, lässt sich auf diesen gemeinsamen Nenner bringen: Essen (gehen) ist teurer geworden. Wovon jene Orte noch einmal grundsätzlicher betroffen sind, deren Konzept so sehr wetter- und saisonabhängig ist wie eben ein Ausflugslokal.

Loretta war einerseits Wirtshaus-Biergarten, andererseits ambitioniertes Restaurant

Nun könnte man von oben herab analysieren, dass es die Loretta am Wannsee eben ein wenig zu bunt getrieben hat. Dass man zu viel und zu Unterschiedliches wollte. Einerseits unkomplizierter Wirtshaus-Biergarten, andererseits ambitioniertes Restaurant. Einerseits das authentische Wannseegefühl direkt am Fähranleger, dit is Berlin, andererseits eine kitschige Almhütte, dieses Geisterhaus einer Eventgastronomie.

Ich persönlich mag am Wannsee, und überhaupt nördlich der Hollertau, ohnehin keine Oktoberfeste feiern. Und doch ist dieser Kessel Buntes an kulinarischen und atmosphärischen Möglichkeiten auch die Reaktion auf eine Erlebnisgesellschaft, die es nicht mehr gewohnt ist, einfach mit dem glücklich zu sein, was es eben gerade so gibt. In der man verklärt diese eine großartige Fischbrötchenbude feiert – und sich vor Ort dann maßlos beschwert, weil es für die Kinder keine Pommes gibt und kein hinreichendes vegan-vegetarisches Angebot.

Loretta am Wannsee ist kein Einzelfall: Für andere ist es auch schwierig

Die Loretta ist ja kein Einzelfall. Die Havelchaussee hoch gen Norden hat die ambitioniert wiederbelebte Wirtshausinsel Lindwerder das Konzept zunehmend vom Restaurantbetrieb auf eine Eventgastronomie verlagert, es sei einfach das sicherere Geschäft. Und an einer anderen Wasserlage Berlins, an der Regattastrecke in Grünau, hat das Riviera trotz Premiumlocation im historischen Gesellschaftssaal von 1875 nur 13 Monate durchgehalten. Am Müggelsee setzt der neugestaltete Prinzengarten auf Swingkurse, Bio-Bartwürste und lokales Handwerksbier von Berliner Berg. Die erste Saison: schwierig. Immerhin: Im Plänterwald wurden das Zenner und nun auch das Eierhäuschen ambitioniert und zeitgenössisch wiederbelebt. Aber das ist ja auch noch mitten in Berlin.

Auf der Suche nach Lösungen für Schönwettergastronomien

Ich habe zuletzt mit vielen Gastronom:innen gesprochen, auch solchen, die ­– in Berlin und Brandenburg – sogenannte Schönwettergastronomien betreiben. Die Sorgen sind groß und die Suche nach Lösungen emsig.

Schöpfgerichte wären eine Idee, die müssen nicht à la minute zubereitet werden. Aber wer will bei 30 Grad schon eine Gulaschsuppe essen? Convienience ist eher keine Lösung. Niemand, wirklich niemand wünscht sich die Epoche der Tiefkühlflammkuchen zurück. Kleinere Karten sind eine gute Idee. Aber dazu braucht es Gäste, die bereit sind, nicht immer nur die eigenen Erwartungen in den Vordergrund zu stellen. Apropos: Es braucht Gäste: Besucht doch mal wieder eure liebste Ausflugsgastronomie – bei jedem Wetter.


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