Eine Unisex-Toilette verhindert die Eröffnung des Café Benjamine im Georg Kolbe Museum in Charlottenburg. Zwar empfiehlt der Berliner Senat solche Unisex-Toiletten ausdrücklich – Charlottenburgs Wirtschaftsstadtrat Arne Herz (CDU) aber legt Wert darauf, dass eine solche Entscheidung noch immer Sache des Bezirks sei.
Das Bürokratische ist politisch. Das hat uns nicht zuletzt die Pandemie gelehrt. Da sind die einen, die, wenn es gut lief, auf Überbrückungshilfen hoffen durften. Da sind die anderen, die diese Hilfen verteilen. Und die Genehmigungen. Für ein Café zum Beispiel. Weshalb ein Berliner Gastronomenpaar dieser Tage noch auf die Konzession für ihr sehr wunderbares Museumscafé warten muss. Grund ist eine Toilette. Oder besser gesagt die Grabenkriege, die in diesen Tagen manchmal um Toiletten geführt werden. Das stille Örtchen ist ja längst auch der Ort lauthals ausgetragener Weltanschauungsdissonanzen. Stichwort: Unisex-Toilette.
Toilettenstreit im Café Benjamine: Unisex-Toiletten werden zum Stein des Anstoßes
Der Berliner Senat nämlich findet Unisex-Toiletten ziemlich super. Und empfiehlt diese durchaus für Neueröffnungen oder Umbauten von Restaurant, Bars oder Cafés. Weshalb auch Jasmin Hein und Markus Mahla für ihr Café Benjamine eine solche Unisex-Toilette realisieren wollten. Café Benjamine? Hein und Mahla haben Ende vergangenen Jahres das Museumscafé des Georg Kolbe Museum in der Sensburger Allee im Westend übernommen und nach der Frau Georg Kolbes eben Benjamine genannt. Sie haben österreichische Naturweine aufgetrieben, genauso Tortenbäckerinnen und biodynamische Gemüsegärtnerinnen aus Mecklenburg. Sie haben das Gebäude denkmalgerecht ertüchtigt, in zarten Farben und mit viel Feingefühl. Kurzum: In der Ödnis der Berliner Museumsgastronomie könnte das Benjamine eine Oase sein.
Ein saumselig schöner Ort ist das 1928/29 gebaute Atelier des Malers und Bildhauers Georg Kolbe ja ohnehin. Alleine es darf noch nicht zu Tisch gebeten werden. Einzig Kaffee und Kuchen im Garten ist schon gestattet. Grund ist eben die Toilette. Oder eben der Charlottenburger Ordnungs- und Wirtschaftsstadtrat Arne Herz (CDU), der es als seine konservative Kernkompetenz empfindet, die im Roten Rathaus ausgesprochene Empfehlung einer Unisex-Toilette, ganz unbedingt nicht auch in Charlottenburg-Wilmersdorf zuzulassen. Herz verweist auf die Gaststättenverordnung, wonach „Toilettenanlagen für Damen und Herren durch durchgehende Wände voneinander getrennt sein müssen“.
Der Grabenkrieg der spätmodernen Stadtgesellschaft hat das Café Benjamine in Charlottenburg erreicht
Gendern also. Der große Grabenkrieg der spätmodernen Stadtgesellschaft. Wobei Gastronom Markus Mahla doch auch betont, dass es ihm um die liberale Botschaft einer Unisex-Toilette, wenn überhaupt nur in zweiter Linie gegangen sei: „Es ist für einen kleinen Laden wir unseren einfach praktikabler, was im Übrigen auch die Frauen so sehen, die dann nicht in Schlange an „ihrer“ Toilette warten müssen.“ Warten muss nun aber Mahla selbst. Und zwar auf seine Konzession.
Immerhin, in der vergangenen Woche stand plötzlich Ordnungsstadtrat Arne Herz persönlich am Tresen des Café Benjamine. Man könne doch reden, nicht über, sondern auch einmal miteinander. Aber nein, an der von seiner Ordnungsbehörde formulierten Forderung nach getrennten Toiletten wolle auch er unbedingt festhalten. Vorstellbar sei aber etwa eine Übergangslösung. Wenn das Pissoir und die Trockenbauwand erst einmal in den Unterlagen nachgereicht würden, wäre eine Frist bis zur Realisierung denkbar. Schließlich sind ja auch Handwerker gerade schwer zu finden. Oder Handwerkerinnen. Vielleicht auch, aber das scheint Arne Herz anders zu sehen, Handwerker:innen.
Café Benjamine will für Charlottenburg mehr sein als nur ein Museumscafé
Mitte Juli, so hoffen es Jasmin Hein und Markus Mahl, könne es so als doch richtig losgehen für das Benjamine, das künftig nicht nur Museumscafé für das Georg Kolbe Museum sein will, sondern auch Weinbar und Frühstückslokal für die Nachbarschaft. Wer die beiden engagierten Gastgeber:innen indes schon früher kennenlernen will: Sie betreiben, ebenfalls noch recht frisch, auch das Café im Haus am Waldsee in der Argentinischen Allee in Zehlendorf. Aber das liegt ja in einem anderen Stadtbezirk.
Geht hin, genießt zwei engagiert gestartete gastronomische Unternehmungen. Und geht ruhig auch auf die Toilette.
- Café Benjamine im Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, Charlottenburg, aktuell nur Sa&So 10-18 Uhr, www.cafebenjamine.de
Mehr Berliner Esskultur
In der Berliner Restaurantszene herrschen eigentlich andere Problemlagen: Personalmangel in der Gastronomie – der wunde Punkt sind die offenen Stellen. Trotz aller Widerstände gibt es spannende Neueröffnungen in Berlin: So cool sind Terz, Marktlokal und Julius. Und auch das Wen Cheng Handpulled Noodles finden wir spannend: Die Biang-Biang-Gang.