Interview

Darum ist das Ember eines der coolsten Restaurants der Stadt

Tobi Beck macht mit dem Ember eines der coolsten zeitgenössischen Restaurants der Stadt. Sein Herz schlägt genauso für H-Milch im Filterkaffee wie für eine Bockwurst im Truckertreff. Wir haben ihm ein paar Geschmacksfragen gestellt.

Das Ember wurde zum neuesten Versprechen der um neue Versprechen nie verlegenen Berliner Foodszene. Foto: Ember

Tobi Beck von Ember: „Am Anfang hatte ich permanent verbrannte Finger“

Tobi Beck spielt mit dem Feuer. Darum geht es im Ember Open Fire Cooking, seinem vor rund drei Jahren aus der Taufe gehobenen Restaurantprojekt. Zunächst an geheimen, stets spektakulären Orten und seit Herbst 2022 in einem panoramaverglasten Dachaufbau an der Wiener Straße serviert Beck vielgängige Menüs, die einzig mit Feuer, Glut und Rauch zubereitet werden. Aus Argentinien, von Francis Mallmann, dem Weltstar der Outdoor-Küche, hat er ein tiefes Wissen um die Feuerküche mitgebracht: „Am Anfang hatte ich permanent verbrannte Finger. Inzwischen reguliere ich die Temperaturen am Grill so intuitiv wie an einem Elektroherd.“

Das Ember wurde zum neuesten Versprechen der um neue Versprechen nie verlegenen Berliner Foodszene. Ein weltweit umhergeraunter Ort. Tobi Beck aber wurde es bald zu  eng in der exklusiven New-Cuisine-Blase. Er möchte, wenn schon nicht für alle, so doch für viele kochen. Auch deshalb hat er den Menüpreis zuletzt auf 75 Euro deutlich reduziert und serviert die Speisen nun teilweise hemdsärmelig im Family Style.

Ganz so wie an den Orten, an denen er selbst so gerne isst. Im betagten Dieselbenz bricht Beck regelmäßig auf zu Expeditionen in die deutsche Esskultur, besucht beispielsweise Truckertreffs an niedersächsischen Bundestraßen oder ein Aalessen an der Ostsee, wo er etwa erfahren hat, dass die Hände nach dem Essen traditionell in Korn gewaschen werden, also in Schnaps. Die Kurzgeschichten, die Beck über diese Begegnungen schreibt, werden im Herbst als Buch erscheinen, illustriert vom großartigen Christoph Niemann. Er liebe es einfach, so der junge Koch, sich mit der deutschen Küche zu beschäftigen: „Ich habe da auch keine Angst vor einer Veronica Feldbusch und ihrem Iglo-Blubb-Spinat.“


Scoop and Serve: Tobi Beck bei türkischer Hausmannskost im Mercan auf der Wiener Straße. Foto: Sam A. Harris

Tobi Beck im Gespräch über Strammen Max, Tote Oma und Maggi Fondor

tipBerlin Tobi Beck, welches typisch deutsche Gericht hast Du zuletzt zubereitet?

Tobi Beck Ich komme gerade aus Bangkok zurück und habe dort Strammen Max gemacht. Eigentlich hasse ich ja Interpretationen von Gerichten, dieses vermeintliche Verfeinern, das sogenannte „with a twist“. Aber es war eine Einladung zu einer Art Gourmet-Festival und dafür musste alles ein bisschen exakter und auch sterniger werden, mit Pumpernickelcrumble, Jakobsmuschel, mit Schwarzwälder Schinkenschaum.

tipBerlin Ein Strammer Max bleibt eben ein Strammer Max und ist als solcher liebenswert – beschreibt das deine Haltung zur deutschen Alltagsküche?

Tobi Beck Es sind die Aromen und Glücksversprechen, mit denen ich aufgewachsen bin.  Meine Mutter erzählt immer die Story, dass ich nach dem Kindergarten reihum gefragt habe, was es zum Mittagessen gibt. Ich bin dann dort  mitgegangen, wo es am besten klang.

tipBerlin Es war demnach früh klar, dass dieser Junge einmal kochen muss?

Tobi Beck Eher im Gegenteil. Vermutlich bin auch deshalb nicht sofort nach dem Abitur Koch geworden. Ich bin nicht mit einer kulinarischen Hochkunst groß geworden und es hat eine Zeit gebraucht, bis ich für mich begriffen hatte, dass die Dinge, die mich kulinarisch geprägt haben, überhaupt einen Wert haben.

Tobi Beck hat ein Praktikum im Noma gemacht

tipBerlin Zum Beispiel?

Tobi Beck Schinkennudeln. Ich feiere Schinkennudeln ganz heftig. Aber während meines Praktikums im Noma in Kopenhagen oder dem Jahr, in dem ich mich bei Dylan Watson-Brawn im Ernst am Nettelbeckplatz mit einer exzentrischen und exklusiven Produktküche beschäftigt habe, hätte ich damit niemandem kommen brauchen.  Okay ja, Schinkennudeln können ganz lecker sein – aber verglichen mit japanischen  Sashimi – was haben Schinkennudeln da schon zu bieten?

tipBerlin Was braucht es für gute Schinkennudeln?

___STEADY_PAYWALL___

Tobi Beck Schinken, guten Schinken, am besten selbstgemachte Nudeln, Zwiebeln, gestockte Eier – und obendrauf Paprika Edelsüß.

tipBerlin Eine Fertigwürzmischung? Du kennst da keine Berührungsängste?

Am Ende kam raus, dass da Maggi Fondor drin war, ein Geschmacksverstärker – wie genial!

Tobi Beck, Ember

Tobi Beck Ich war mal mit einer Freundin bei ihrer Familie essen, Bœuf Stroganoff und solche Sachen. Da gab es einen einfachen Grünen Salat, in den ich mich reingekniet habe. Wow, war der lecker. Am Ende kam raus, dass da Maggi Fondor drin war, ein Geschmacksverstärker – wie genial! Diese Epoche der Ersatz- und Ergänzungsstoffe gehört auch zur deutschen Esskultur. Dass so ein Suppenbrühwürfel halt weniger kostet als 20 Kilo Rinderknochen, war ja zurecht einmal eine Innovation.

tipBerlin Womit wir bei der Moral dieser Geschichte wären: In deinem Restaurant legst du Wert auf lokale Produzenten und herausragende Produkte. Wie passt das zu Maggi Fondor?

Tobi Beck Ein guter Punkt, jetzt hast du mich. Dass etwa ein Spitzenkoch und eine derart öffentliche Person wie Tim Raue Werbung für die Metro macht, werde ich nie verstehen. Wir sollten alle bewusst durchs Leben gehen – und auch bewusst einkaufen. Was all diese von mir besuchten Orte betrifft, suche ich aber lieber nach den Gemeinsamkeiten, nach dem Kern und dem Herz ihrer Geschichte, anstatt eine Fleischertheke auf der Warschauer oder einen Imbiss an einer Bundesstraße dafür zu blamen, dass die Wurst jetzt aber nicht bio-zertifiziert ist. Letztlich geht es doch auch darum, dass es schmeckt.

tipBerlin Man muss sich einlassen wollen, muss den Menschen auf Augenhöhe begegnen, ist es das, was Du meinst?

Tobi Beck Ein Beispiel: Ich gehe, wenn ich unterwegs bin, gern zu einem profanen Bäcker und hole mir einen Becher gepumpten Filterkaffee mit einem großen Schluck H-Milch drin. Der Kontakt mit den sogenannten normalen Menschen, eine Bockwurst an der Tankstelle, ein flotter Spruch, der einem unvermittelt aufgedrückt wird, das gibt mir manchmal mehr als das nächste fancy Foodkonzept.

Notfalls sage ich so etwas wie „Oh, ihr habt ja einen richtig guten Bauzener Senf“, da geht die Tür gleich ganz weit auf.

Tobi Beck, Ember Berlin

tipBerlin Wie reagiert eine gestandene Imbisswirtin umgekehrt auf einen Berliner Food-Hipster wie Dich?

Tobi Beck Ich verstehe mich eigentlich mit allen Leuten intuitiv, die sich für die gleichen Dinge begeistern. Notfalls sage ich so etwas wie „Oh, ihr habt ja einen richtig guten Bauzener Senf“, da geht die Tür gleich ganz weit auf. In Charlottenburg im Diener Tattersall habe ich etwa Barbara kennengelernt. Es hat genau zwei Minuten gedauert, da standen wir lachend in der Küche, ich habe ihr beim Kartoffelschälen geholfen und sie hat mich gefragt, ob ich nicht mal bei ihr kochen wolle.

tipBerlin Ich denke, du hast ja gesagt?

Tobi Beck Hey, das ist ein Traum für mich. Ich werde das jetzt im Frühjahr mal an einen Sonntag machen: meine Küche an so einem historisch gewachsenen und authentisch gelebten Ort, an dem dann Jung und Alt gemeinsam das Gleiche feiern.

tipBerlin Für ein Ember-Gastspiel in der Pfalz hast Du einmal die Familie Fontanella gewonnen – die Erfinder des Spaghetti-Eis.

Tobi Beck Das Spaghetti-Eis kommt ja wie ich aus Mannheim. Ich serviere es auch in Berlin in meinen Menüs und habe mir von den Fontanellas extra die richtige Eispresse besorgt. Mannheim ist jetzt nicht die schönste Stadt, also ist ganz Mannheim echt stolz  auf das Spaghetti-Eis. Überhaupt ist das eine tolle Geschichte: Das Spaghetti-Eis wurde von italienischen Migranten explizit für die Deutschen erfunden, was für eine Selbstermächtigung. Kein Italiener würde per se aus seinem Gelato Spaghetti Pomodore machen.

tipBerlin Welche Berliner Wirtshäuser und Imbissstuben sind dir ans Herz gewachsen?

Tobi Beck Der Schudomaer Grill-Imbiss in Rixdorf zum Beispiel, die Toilette ist braun gekachelt, samt Badewanne, und die Currywurst super lecker dort. Dann die Fleischerei Domke auf der Warschauer Straße, da hole ich mir oft ein typisches Berliner Gericht: Tote Oma, also Blutwurst mit Kartoffelstampf und in meinem Fall Rotkohl. Das Eisbein ist da auch ein Tipp, unbedingt spät kommen, dann fällt es mürbe vom Knochen. Die Henne am Leuschnerdamm in Kreuzberg ist ein absoluter Lieblingsort, die Hühnchen dort sind wahrscheinlich mit das Leckerste in Berlin. Das Rogacki in Charlottenburg ist auch als Berliner Milieustudie phänomenal. Und, wie gesagt, das Diener Tattersall am Savignyplatz, gegründet von einem Ex-Boxer, dieses Lokal spricht einfach zu einem, sobald man es betritt. Dazu Schmalzbrot und Spiegeleier.  Zur Wahrheit gehört aber auch: Ich habe für mein Buch auch an genügend Orten gesessen, die gar nicht lecker waren.

tipBerlin Das war jetzt vor allem typisch deutsche Hausmannskost.

Tobi Beck Also nenne ich noch das Mercan hier im Vorderhaus auf der Wiener Straße: Türkische Hausmannskost, so steht es sogar an der Fassade. Die machen noch Scoop and Surf, man zeigt also einfach in die Auslage oder sagt, was man haben will, so richtig Kantinenstyle und zum echt fairen Kurs. Dort sitzen wir mit dem Team sehr oft und  gerne.

  • Ember Open Rooftop  Wiener Str. 10, Kreuzberg, Gesetztes Menü an der langen Tafel 75 €,
    Fr+Sa 19 Uhr (ab April Do+Fr), online

Mehr zum Thema

Das richtige Restaurant zur richtigen Zeit: Wir haben mit Yannic Stockhausen von der Wasser Seafood Bar gesprochen. So gut wie bei Ember wird es vielleicht nicht. Aber an diesen Plätzen in Berlin könnt ihr grillen. In der Nähe unterwegs? Mehr gute Restaurants in Kreuzberg empfehlen wir hier. Der Food-Guide für die Hauptstadt: Bestellt hier die tipBerlin Speisekarte.

Besucht unseren Instagram-Channel

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von tip Berlin Food (@tipberlin_food)

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin