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Wasser Seafood Bar: Das richtige Fischrestaurant zur richtigen Zeit

Der Michelin-Stern ist abgeschraubt, das Cordo Geschichte. An seiner Stelle hat die Wasser Seafood Bar das Zeug dazu, zum zeitgenössischsten Fischrestaurant zwischen Paris und Kopenhagen zu werden. Ein Gespräch mit Küchenchef Yannic Stockhausen.

Aus Liebe zum Meer: Die neue Wasser Seafood Bar überzeugt. Foto: Josha Lohrengel

Wasser Seafood Bar: Das zeitgenössischsten Fischrestaurant zwischen Paris und Kopenhagen

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tipBerlin Yannic Stockhausen, noch an Silvester gab es hier in der Großen Hamburger Straße Fine Dining mit Menüzwang. Kaum drei Wochen später ist der Laden einmal umgekrempelt. Aus dem Cordo wurde die Wasser Seafood Bar. Es gibt wilde Austern aus dem Wattenmeer, Muscheln mit steirischem Wurstsalat, auf der Glut gegrillten Steinbutt – und einen lässigen Gastraum mit einigen sympathischen Fischwesen an den Wänden. Wie sehr ist dieser Neubeginn eine Reaktion auf eine gegenwärtige Krise der Gastronomie?

Yannic Stockhausen Ehrliche Antwort? Zu einhundert Prozent. Das komplette Jahr 2023 war ein einziger Krampf. Wir hatten uns ja dahingearbeitet, diktieren zu dürfen, dass es im Cordo nur noch ein großes Menü gibt. Für die Küche ist das ganz wunderbar, alles ist planbar und man kann als Koch so richtig zeigen, was geht. Mit der Inflation im Nacken und überhaupt einer komischen Stimmung in der Welt und der Stadt sind die Gäste aber einfach weggeblieben, die Mittelschicht war im Restaurant quasi nicht mehr repräsentiert. Selbst in guten Wochen waren wir vielleicht am Wochenende voll, aber unter der Woche saßen hier zehn, zwölf Gäste. Fernab davon, dass das ökonomisch nicht mehr funktionieren kann – ich möchte nicht in einem Laden stehen, wo Leute wie du oder ich nicht mehr stattfinden. Das Coole und zumindest für Deutschland auch Einzigartige an der Berliner Food-Szene war ja gerade, dass alle, die Lust darauf hatten, auch an ihr partizipieren konnten.

Küchenchef Yannic Stockhausen in der Wasser Seafood Bar. Foto: Josha Lohrengel

Wasser Seafood Bar: Zurück zur Berliner Lässigkeit

tipBerlin Hatte die permanente Verfeinerung der Neuen Berliner Küche vielleicht auch dazu geführt, dass die Food-Szene ein wenig von ihrer Lässigkeit verloren hatte?

Yannic Stockhausen Ich habe es doch an mir selbst gemerkt. Früher hab ich es geliebt, mich irgendwo hinzusetzen, um vier, fünf Stunden konzentriert rumzudinieren. Aber letztlich bin ich in einem Restaurant, um einen guten Abend zu haben und nicht, um die Teller anzubeten. Die Stadt hat sich im vergangenen Jahr einmal komplett gedreht und wenn man jetzt durch die einschlägigen Straßen läuft, sieht man genau, welche Konzepte noch funktionieren: Neo-Wirtshäuser wie das Trio, lässige Weinbars mit Tellern zum Teilen, cooles Essen abseits des Menüzwangs. 

tipBerlin Auch in der Wasser Seafood Bar wird es kein Menü mehr geben.

Yannic Stockhausen Mir war es wichtig, einen richtigen Cut zu machen, das Cordo dicht, den Stern abgeben und alle Energie rein in etwas Neues. Ich habe wirklich Bock, dass das Wasser wieder ein vibrierender Ort ist, an dem sich auch die Berliner:innen gerne sehen.

Vor allem die nordische Fischküche hat es Stockhausen angetan. Foto: Josha Lohrengel

tipBerlin Wie hat der Guide Michelin auf Eure Entscheidung reagiert?

Yannic Stockhausen Mit einem Brief, in dem stand, dass sie unseren weiteren Weg weiter beobachten werden. Die Frage wird sein: Öffnet sich so ein Restaurantführer künftig niederschwelligeren Konzepten oder zieht man sich umgekehrt in die Fine-Dining-Bubble zurück? Ich habe auch mit Küchenchefs gesprochen, für die die Menüküche und das klassische Fine Dining noch immer alternativlos sind.  Mensch Yannic, höre ich da, du musst doch jetzt auf den zweiten Stern gehen. Warum denn?, denke ich da, und vor allem: für wen?

Ein Deichkind wie ich fühlt das Meer einfach mehr.

Yannic Stockhausen

tipBerlin Du hast dir für den Neustart sprichwörtlich einen starken Partner ins Boot geholt: das Meer. Warum also eine Seafoodbar?

Yannic Stockhausen Ich kann als Koch schon auch mit einem Weidelamm etwas anfangen. Aber wenn man so ein Deichkind ist wie ich, fühlt man das Meer einfach mehr. Ich bin mit Fischen groß geworden, ich war schon als Kleinkind mit meinem Opa auf dem Fischmarkt und er hat mir immer als Snack dann eine Schillerlocke in die Hand gedrückt. Die Schillerlocke war mein Eis am Stiel.

tipBerlin Auch schon im Cordo waren ja die eindrücklichsten Teller zumeist Fisch- oder Seafood-Gänge.

Yannic Stockhausen Tatsächlich hat sich das durch meine gesamte Laufbahn als Koch gezogen. Ich war im Haerlin in Hamburg, zwei Sterne, Poissonnier, genauso im Aqua in Wolfsburg, drei  Sterne. Ich war in meiner ganzen Karriere nie Saucier, ich war immer für den Fisch zuständig und nie für das Fleisch. Auch im Cordo gab es ja immer vier oder fünf Seafood-Plates und dann vielleicht einen Fleischgang. Und alle immer so: Deine Fischgänge sind Bombe.

Coolness bei die Fische: Das schon jetzt ikonische Design der Wasser Seafood Bar stammt vom Berliner Künstler Josha Lohrengel. Foto: Josha Lohrengel

Wasser Seafood Bar: Der Guide Michelin beobachtet das Restaurant genau

tipBerlin Und doch fragen jetzt vielleicht einige: Kann man heutzutage überhaupt noch guten Gewissens Fisch essen?

Yannic Stockhausen Es gibt inzwischen Möglichkeiten, sich wirklich nachhaltig produzierten oder gefischten Fisch zu besorgen. Aus Aquakulturen zum Beispiel, die als Kreislaufwirtschaft funktionieren und in denen auch kein Fischpulver verfüttert wird. Oder ein Produzent wie HanseGarnele aus Glückstadt, der seine Zucht direkt neben einer Papierfabrik hat, um deren Abwärme zu nutzen – klingt jetzt nicht sonderlich romantisch, ist aber ungeheuer energieeffizient. Generell arbeite ich nur direkt mit kleinen Fischereien und Produzenten zusammen. Das ist mit viel Arbeit verbunden, mit viel Schnacken und viel Kontrolle.

tipBerlin Verrate uns mehr über deine Lieferanten.

Yannic Stockhausen Die Jungs von Frisch Gefischt aus Hamburg machen einen tollen Job, die haben inzwischen auch einen Stand in der Markthalle Neun. AusternRegion ist ein junges Unternehmen, das händisch im Wattenmeer Austern und Muscheln sammelt und von denen wir auch Tang und Algen bekommen. Zudem recherchiere ich mich intensiv durch Skandinavien, die geilsten Muscheln hab ich gerade in Dänemark gefunden.

Wir sind sicher nicht angetreten, um vorzuschreiben, was man wie zu essen hat.

Yannic Stockhausen

tipBerlin Sind solche besonderen Produkte nicht auch besonders erklärungsintensiv?

Yannic Stockhausen Ich habe kein Interesse daran, jeden einzelnen Teller am Tisch runterzubeten. Das  war schon im Cordo nicht unsere Art. Wenn ich aber hier unten im Gastraum an der neu geschaffenen Austerbar stehe, dürfen die Leute mir gerne Löcher in den Bauch fragen.

tipBerlin Wein bleibt auch im Wasser wichtig. Passt auch ein Roter zu Fisch?

Yannic Stockhausen Berechtigte Frage. Aber in der Fyskebar in Kopenhagen, die mich ohnehin sehr inspiriert hat, haben sie erzählt, dass die Leute auch mal eine Flasche Bordeaux zur Scholle bestellen.  Und wie schon gesagt: Wir sind sicher nicht angetreten, um vorzuschreiben, was man wie zu essen hat.

Gute Designs, fantastischer Fisch. Foto: Josha Lohrengel

tipBerlin Das Mittelmeer und die mediterrane Fischküche lässt dich kalt?

Yannic Stockhausen Gar nicht. Ich war gerade erst wieder in Rom und Neapel und habe in Italien gelernt, wie man Seafood ohne viel Tamtam auf den Teller bringt, einfach mit Olivenöl und Salz. Ich fühle den Norden aber einfach mehr als meinetwegen den Fischmarkt in Barcelona und habe auch keine Lust, dass irgendwelche Produkte für mich durch die Welt geflogen werden. Für mich fühlt sich das Dreieck Berlin, Nordsee, Skandinavien einfach richtig an. Irgendwann habe ich mich dazu entschlossen, nur noch das Zeug von dort zu holen, wo ich eine persönliche Verbundenheit spüre.

tipBerlin Apropos: Wie steht es um deine Verbundenheit mit Berlin?

Yannic Stockhausen Ich bin ehrlich angekommen. Als ich vor fünf Jahren zu Christof und Gudrun (Ellinghaus, Anm. d. Red.) ins Cordo kam, dachte ich noch, dass das mit mir und Berlin eher eine Episode wird. Aber jedes Mal, wenn ich in einer anderen Stadt in Deutschland bin, meine Heimat Hamburg eingeschlossen, habe ich das Gefühl,  dass Berlin zehn Schritte weiter ist, was die Konzepte, Aromen und erst recht die Diversität angeht. Ich fühle mich dann richtiggehend auf Entzug.

  • Wasser Seafood Bar  Große Hamburger Str. 32, Mitte, Di–Sa 18–0 Uhr, online

Zur Person

Yannic Stockhausen, gebürtiger Hamburger, kam nach Stationen etwa im Wolfsburger Aqua 2018 nach Berlin, um aus der Weinbar Cordobar das Fine-Dining-Restaurant Cordo zu machen. In bester Erinnerung ist das aus einer Pandemie geborene, beste Backfischbrioche dieser Welt, das nun natürlich in der Wasser Seafood Bar serviert wird. Genauso diese so wilde wie köstliche Mischung:
Dänische Muscheln mit einem steirischen Wurstsalat, also im Kürbiskernölsud. Wir versprechen ein Lokal, das mächtig Spaß macht.


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