Essen ist Kultur. Daher soll die Kulinarik im HWK ebenso zum Programm dazugehören wie die Kunst und der Diskurs. Weltwirtschaft, so heißt das Restaurant mit wechselnden Pop-ups und Lunchangeboten passenderweise. Wir haben das Lokal besucht, dessen Konzept in der deutschen Museumslandschaft einzigartig ist.
Weltwirtschaft im HKW: Ambitioniertes Pop-up zur Eröffnung
Wenn die Intendanz von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung im Haus der Kulturen der Welt so mutig, farben- und lebensfroh weitergeht wie schon zur Eröffnung, kann sich Berlin auf spannende fünf Jahre gefasst machen. Vor allem auch: köstliche. Denn Essen, so die Philosophie des neuen Teams, gehört zu einer ganzheitlichen Beachtung von Kultur ebenso dazu wie Kunst und Diskurs. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung hat 2009 in Neukölln das Savyy Contemporary gegründet.
Und gleich schon zum Eröffnungswochenende machte die Weltwirtschaft, das Lokal des HWK mit Blick auf die Spree, damit ernst: Fatmata Binta, besser bekannt als „Chef Binta“, und Preisträgerin der renommierten Auszeichnung „Basque Culinary World Prize“, übernahm für drei Abende die Küche.
Als „nomadische Gastronomin“ – Binta stammt tatsächlich vom Nomadenstamm der Fulani ab – ist ihre Küche nur bei ihren „Dine on a Mat“-Pop-ups zu kosten, bei denen die Gäste auf traditionelle Art auf Matten auf dem Boden ihr wechselndes, aber immer von der Fulani-Küche inspiriertes Menü probieren.
„Ich liebe es, Menschen über Essen miteinander in Kontakt zu bringen“, erzählt sie bei einem Interviewtermin. Und in Kontakt kommen die Gäste gezwungenermaßen, man sitzt mit Fremden dicht beieinander, über kurz oder lang entspinnen sich Gespräche über das Essen und bald auch das große Ganze.
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Schließlich ist Essen politisch: Binta macht mit ihren Pop-ups auf Herausforderungen für nomadische Stämme aufmerksam, auf die Auswirkungen des Klimawandels und Lösungen, die sie etwa mit ihrer „Fulani Kitchen Foundation“ findet, die Fulani-Frauen Ausbildung und wirtschaftliche Unabhängigkeit, etwa durch den Anbau traditioneller Getreide wie Foniohirse, ermöglicht.
HKW-Restaurant Weltwirtschaft hat mehrere Kooperationen geplant
Für Binta war der Besuch im HKW ihr erstes Berliner Pop-up – aber es wird Spuren hinterlassen. Denn ihre Kooperation mit dem Haus sollte nur die erste einer ganzen Reihe sein, die über die Dauer der Intendanz fortgeführt wird. Köch:innen aus der ganzen Welt zelebrieren ihre Küchen mit einem Menü ein Wochenende lang – beispielsweise als kulinarische Erweiterung eines Programmschwerpunkts – und hinterlassen der Karte der Weltwirtschaft ein Rezept.
Das Museumslokal, das sowieso schon zu den besseren in der Berliner Museums- und Kulturhaus-Landschaft gehörte, wird damit zu einem gleichberechtigten Teil der Ausstellungsflächen. Im Fall von Binta wird der Beitrag zu diesem lebendigen Archiv etwa ein Baobab-Eis mit Hibiskus-Sirup sein, das das Menü der Museumsgastronomie nun um westafrikanische Zutaten und Aromen erweitert.
Weltwirtschaft: So ein Konzept ist einzigartig in Deutschland
So wird die Menükarte selbst zu einer Art Archiv transnationaler Küche und Geschmackslandschaften. Und nimmt damit den Begriff des „Museums“ in Museumsgastronomie endlich ernst. Statt Massenabfertigung wird die Küche zu einem lebendigen Teil der Kulturerfahrung in der Institution, was für die deutsche Museenlandschaft wohl einzigartig sein dürfte. Kulinarik wird so nicht nur als sinnliche Genusserfahrung ernst genommen, sondern als relevanter Aspekt von Kultur.
Nach Chef Bintas Besuch geht es im August schon weiter: Dann besucht der haitianisch-kanadische Koch Paul Toussaint im Rahmen des Literaturfestivals „PREE: Caribbean Writing“, einer Kooperation mit einem Literaturfestival in Jamaika, das Haus und wird dem kulinarischen Archiv eine neue, diesmal karibische Seite hinzufügen.
Welche Spuren wird er dann im Museum und vor allem in der Küche der Weltwirtschaft hinterlassen? Wir werden es erschmecken.
- Weltwirtschaft im HKW John-Forster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, tgl. 12–0 Uhr, Lunch 12–15 Uhr, Küchenschluss 22 Uhr, online
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