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Filmstarts der Woche: „Falling“ von Mortensen bis „Free Guy“ mit Reynolds

Viggo Mortensen, bisher vor allem als Schauspieler bekannt („Der Herr der Ringe“), hat einen Film als Regisseur gemacht: „Falling“ ist einer der Filmstarts vom 12. August, die wir empfehlen; weiters den Dokumentarfilm „Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ von Sabine Herpich; eine Komödie mit Ryan Reynolds ist auch noch im Angebot („Free Guy“), und der deutsche Arthousefilm „Die Welt wird eine andere sein“ von Anne Zohra Berrached.


Falling

Lance Henriksen und Viggo Mortensen in „Falling“. Bild: Studiocanal

FAMILIENDRAMA Ein Flugzeug auf Reiseflughöhe ist einer der am wenigsten geeigneten Orte für eine Auseinandersetzung zwischen einem Vater und seinem Sohn darüber, ob es nicht doch in bestimmten Fällen erlaubt sein sollte, an Bord eine Zigarette zu rauchen. Ein Flugzeug ist aber eben auch ein enger Schlauch, in dem man sich nicht wirklich wundern muss, wenn jemand zu randalieren beginnt. Willis weiß allerdings nur zum Teil, was er tut, als er sich auf der Toilette einschließt und seinen Sohn John in die allergrößte Verlegenheit bringt. Denn Willis ist dement, und seine Krankheit zeigt sich bei ihm in Aggressionsschüben.

Der Flug von der Ostküste nach Kalifornien war eine Idee von John. Wenn der Vater erst einmal in seiner Nähe ist, sich vielleicht ein Haus kauft, dann könnte er besser auf ihn aufpassen. Willis aber lebt in einer eigenen Welt. Und dass John mit einem Mann zusammenlebt, dass John und Eric auch eine Tochter adoptiert haben, das passt schon gar nicht zu der knorrigen Bodenständigkeit, die Willis zu vertreten meint. Viggo Mortensen erzählt in seinem Drama „Falling“ von den Schwierigkeiten, mit einem dementen Menschen zu leben. Der Film lebt wesentlich von seinem Hauptdarsteller: Lance Henriksen, eines der markantesten Gesichter des amerikanischen Kinos, hat hier eine große Altersrolle. Die Problemkonstellation von „Falling“ mag ein bisschen gesucht wirken, aber Mortensen findet in seiner ersten Regiearbeit dabei eine sensible Form mit guten Darstellerinnen (Laura Linney spielt Johns Schwester). Bert Rebhandl

USA 2020; 112 Min.; R: Viggo Mortensen; D: Viggo Mortensen, Lance Henriksen, Laura Linney; Kinostart: 12.8.


Die Welt wird eine andere sein

„Die Welt wird eine andere sein“ von Anne Zohra Berrached. Bild: Neue Visionen

BEZIEHUNGSDRAMA Gäbe es nicht gleich zu Beginn das Exzerpt eines Abschiedsbriefs, in dem der Schreiber der Adressatin für fünf wundervolle Jahre dankt und dabei anmerkt, dass er ohne sie nicht die Kraft gehabt hätte, seinen „Weg zu gehen“, könnte man „Die Welt wird eine andere sein“ zunächst für eine hübsche Liebesgeschichte unter jungen Leuten im Deutschland der 90er-Jahre halten: Asli Bilge (Canan Kir), türkischstämmige Studentin der Humanbiologie, fällt bereits auf einem Rummelplatz ein junger Mann ins Auge, den sie wenig später bei einer Party im Studentenwohnheim näher kennenlernt. Saeed (Roger Azar) stammt aus dem Libanon und studiert auf Wunsch seiner Eltern Zahnmedizin in Deutschland. Doch das gefällt ihm eigentlich gar nicht: weder die Zahnmedizin, noch Deutschland. Lieber wäre er Pilot.

Ein verhinderter muslimischer Pilot, der der deutschen Gesellschaft skeptisch gegenübersteht und in einem Abschiedsbrief von „seinem Weg“ redet? Als Zuschauer ist man der verliebten Asli in dem geschickt geschriebenen Drama von Anne Zorah Berrached („24 Stunden“) gedanklich meist einen Schritt voraus, erkennt all die kleinen, scheinbar beiläufig eingestreuten Hinweise, die für sich genommen nicht unbedingt etwas bedeuten müssen und in der Summe doch auf eine Radikalisierung hinweisen. Aber „Die Welt wird eine andere sein“ ist kein erklärender Film über den Weg eines jungen Muslims hin zum islamistischen Attentäter des 9/11-Anschlags, sondern zäumt die Geschichte vom anderen Ende her auf: Es geht um Liebe, die blind macht, um ein Frauenleben zwischen Selbstbestimmung und Selbstverleugnung, und um die Hoffnung auf ein „normales“ Leben, die auch dann nicht stirbt, als die Lügen und Heimlichkeiten schon längst die Oberhand gewonnen haben.

An zwei Stellen bricht Berrached schließlich die Realitätsebene des Films: Einmal wacht Asli während eines Besuchs bei Saeeds säkularer Oberschichtfamilie im Libanon – während er ohne Erklärung seit Wochen im Jemen verschwunden ist – nachts auf und sieht, wie sie sich selbst prüfend betrachtet. Beim zweiten Mal schauen ihr aus den Spiegeln einer Fahrstuhlkabine gleich drei verschiedene Aslis beim Lesen von Saeeds Abschiedsbrief zu – und scheinen dabei auch die stumme Frage nach der Mitverantwortung der „Kopilotin“ („Copilot“ ist der internationale Titel des Films) zu stellen. Alexandra Seitz

D/F 2021, 118 Min, R: Anne Zorah Berrached, D: Canan Kir, Roger Azar, Darina Al Joundi, Start: 12.8.


Kunst kommt aus dem Schnabel

„Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ von Sabine Herpich. Bild: Peripher

DOKUMENTARFILM Das Bodemuseum mag Suzy van Zehlendorf nicht. Drin war sie allerdings noch nie, erzählt sie, denn: Sie mag das Gebäude nun mal einfach nicht. Ein „Skulpturenknast“ sei das. Deshalb sind bei ihrem Modellnachbau des Museums auch vergitterte Fenster zu sehen. Später soll das Modell aus Styropor und Holz dann noch mit Dartpfeilen beworfen und die Skulpturen befreit werden. Ein sehr entschiedener Beitrag zum Thema Freiheit der Kunst. Der heute 85-jährige Adolf Beutler malt an seinen Bildern voller feiner Linien oft monatelang. Als Künstler ist er mittlerweile weltweit anerkannt: Seine Bilder verkaufen sich gut, Ausstellungen hatte Beutler schon in Spanien, den USA und der documenta-Halle in Kassel. Die überwiegend getuschten Bilder von Till Kalischer handeln hingegen oft von städtischer Infrastruktur, die er sodann mit Figuren und geschriebenen Worten verknüpft: kleine Geschichten aus großen Städten.

Alle drei Künstler:innen arbeiten in der Kunstwerkstatt der Spandauer Zweigstelle der Mosaik-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Regisseurin Sabine Herpich schaut ihnen in ihrem Dokumentarfilm „Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ (ein Suzy-van-Zehlendorf-Zitat) meist einfach bei der Arbeit zu: ruhig, geduldig und voller Respekt für die Künstler:innen und ihr Werk. Die wenigen informativen Passagen stehen hier im Zusammenhang mit der Planung von Ausstellungen oder mit PR-Terminen, bei denen die Arbeit der Kunstwerkstätten ein wenig erläutert wird.

Auch Außenseiterkunst hat Stars: „Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ von Sabine Herpich

 Dann ist Nina Pfannenstil, die künstlerische Leiterin der Werkstatt gefragt, die nicht nur den Künstler:innen beratend zur Seite steht, sondern auch für die „Außenwirkung“ zuständig ist. Denn wie alle Mosaik-Werkstätten mit ihren verschiedenen Gewerken definiert sich die Kunstwerkstatt als Arbeitsplatz für die beeinträchtigten Menschen – und die dort entstandenen Kunstwerke werden selbstverständlich auch verkauft.

Insbesondere Adolf Beutler ist seit einem Jahrzehnt geradezu ein Star der sogenannten Außenseiterkunst. Für Sabine Herpich schließt sich dabei aber vor allem die Frage an, warum die Kunst von behinderten Menschen immer noch anders wahrgenommen wird als jene von Nichtbehinderten. Wer kann sich schon anmaßen, zu entscheiden, welche bewussten oder unbewussten Prozesse kreativer Arbeit zugrunde liegen? Kunst ist die Erforschung und Aneignung der Welt mit künstlerischen Mitteln. Und das können Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen genauso gut wie jede:r andere auch. Lars Penning

D 2020, 106 Min. R: Sabine Herpich, Start: 12.8.


Nahschuss

„Nahschuss“ von Franziska Stünkel. Bild: Alamode

GESCHICHTSDRAMA Lars Eidinger spielt Franz Walter, einen Mann, der sich in der DDR für die Hauptverwaltung Aufklärung, den Auslandsgeheimdienst rekrutieren lässt. Er bekommt bald Zweifel an deren brutalen Methoden. Franziska Stünkel erzählt ein Kapitel aus dem Unrechtsstaat DDR, bekommt aber die historischen Dimensionen des Stoffs nur unzureichend in den Blick. Bert Rebhandl

D 2020; 116 Min.; R: Franziska Stünkel; D: Lars Eidinger, Luise Heyer, Devid Striesow; Kinostart: 12. 8.


Nachspiel

„Nachspiel“ von Christoph Hübner und Gabriele Voss. Bild: Real Fiction

DOKUMENTARFILM Vor mehr als 20 Jahren begannen Christoph Hübner und Gabriele Voss mit einer Langzeitbeobachtung von jungen Männern, die beim Fußballclub Borussia Dortmund auf eine Profikarriere hofften. „Die Champions“ hieß 1998 der erste Film, der daraus entstand, ein Jahr nach dem Triumph in der Champion’s League, an dem ein Jungstar ganz wesentlich beteiligt war: Lars Ricken. 2006 gab es eine Fortsetzung mit „Halbzeit“, und nun folgt mit „Nachspiel“ der Abschluss: Selbst der Erfolgreichste aus der damaligen Gruppe, Florian Kringe, musste inzwischen seine Karriere beenden. Er spielte zwischendurch auch einmal bei Hertha BSC, in St. Pauli fand er ein spätes Glück nach einem von vielen Verletzungen und Rückschlägen geprägten Profileben. Im Mittelpunkt stehen nun die Vorbereitung zu einem neuen Berufsleben als Spielerberater, und medizinische Maßnahmen an seinem mitgenommenen Knie.

Neben Kringe stehen in „Nachspiel“ noch zwei Fußballer im Mittelpunkt, die schon früh ihre großen Hoffnungen aufgeben mussten. Heiko Hesse hat sich in einem anderem Bereich durchgesetzt, er arbeitet nun als Ökonom bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Mohammed Abdulai wiederum, der einst als Teenager aus Ghana nach Deutschland kam, ist Busfahrer im ÖPNV in Bochum. Christoph Hübner und Gabriele Voss finden einen sehr persönlichen Zugang zu ihren Protagonisten, im Lauf der Jahre ist eine Vertrauensbasis entstanden. Zugleich ist „Nachspiel“ auch eine Reflexion über Veränderungen in der beliebtesten Nebensache der Welt: Fußball ist heute ein datengetriebener Extremsport. Und jedes Jahr machen sich viele neue Jugendliche große Hoffnungen. Bert Rebhandl

D 2020; R: Christoph Hübner und Gabriele Voss; Kinostart: 12.8.


Wem gehört mein Dorf?

„Wem gehört mein Dorf?“ von Christoph Eder. Bild: jip Film

DOKUMENTARFILM Vier Mitglieder des Gemeindesrates des kleinen Ostseebads Göhren auf Rügen stehen in einem neuen Baugebiet und präsentieren stolz einige Straßenschilder. „Rapsweg“ steht darauf, oder auch „Sandornweg“. Das passe prima, finden sie, insbesondere, weil das Baugebiet doch vorher Wiese und Acker gewesen sei. Der Zynismus, der darin steckt, fällt ihnen überhaupt nicht auf – nicht einmal vor dem Hintergrund, dass eine Bürgerinitiative beständig gegen das Baugebiet und die Zersiedelung des Stadtrandes protestiert. Die Herren, die seit vielen Jahren jedes Investorenprojekt absegnen, sind von ihrem Tun fest überzeugt: Das ist der Fortschritt. Der sah in Göhren bislang vor allem so aus: Hotels, Hotels und noch mehr Hotels für die Touristen.

Doch bei den Wahlen 2019 endete die Karriere der Ja-Sager abrupt – auch die Bürgerinitiative hatte inzwischen verstanden, dass man sich wählen lassen muss, wenn man mitentscheiden möchte. Kapitalismus vs. Natur- und Heimatschutz: ein Dauerproblem. Wem seine Sympathien dabei gelten, daraus macht der in Göhren aufgewachsene Regisseur Christoph Eder keinen Hehl. Doch so ganz vermag sein Film nicht zu überzeugen: Eder ergeht sich in Kindheitserinnerungen, die Ja-Sager werden in ihrer Dummheit vorgeführt, die Bürgerinitiative weiß zwar, wogegen sie ist, aber noch nicht recht, wofür. Selbst das Dauer-Narrativ von den naiven Ossis, die von cleveren West-Investoren übervorteilt wurden, kommt noch einmal auf den Tisch. Vielleicht ist aber auch nur die Gemengelage auf dem Dorf noch komplizierter als anderswo. Lars Penning

D 2021, 96 Min., R: Christoph Eder, Start: 12.8.


Free Guy

„Free Guy“ von Shawn Levy. Bild: Disney

KOMÖDIE Ein kleiner, stets optimistischer Bankangestellter muss feststellen, dass er in Wirklichkeit eine Hintergrundfigur in einem gewalttätigen Computerspiel ist. Mit Hilfe seiner Traumfrau, die er dort trifft, wird er zu einer populären Figur und kann mithelfen, den gierigen und skrupellosen Chef des Spielherstellers in die Knie zu zwingen. „The Truman Show“ meets „Deadpool“: Star und Mitproduzent Ryan Reynolds gefällt sich allzu sehr in der Rolle des Durchschnittsmenschen, in dem Superkräfte schlummern, wie auch der Film mehr und mehr von einem satirischen Ansatz zur bombastischen Actionfeier wird. Frank Arnold

USA 2021; 115 Min.; R: Shawn Levy; D: Ryan Reynolds, Jodie Corner, Taika Waititi; Kinostart: 12.8.


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