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Filmstarts der Woche: Vom Meisterwerk „Martin Eden“ bis Horrorfilm „Candyman“

Zwei der herausragenden Filme des Kinojahres starten in dieser Woche und dominieren die Filmstarts vom 26. August: „Martin Eden“ von Pietro Marcello ist eine ebenso spannende wie anspruchsvolle Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jack London; der Horrorfilm „Candyman“ setzt bei dem gleichnamigen Klassiker aus dem Jahr 1992 an; auch darüber hinaus gibt es noch interessante Titel, darunter die engagierte Klimapolitik-Doku „Now“ von Jim Rakete oder der Oscar-Preisträger „The Father“ mit Anthony Hopinks. Unsere Filmstarts der Woche im Überblick.


Martin Eden

Luca Marinelli in „Martin Eden“ von Pietro Marcello. Bild: Piffl

LITERATURVERFILMUNG Ein Gleichnis über den Fortschritt geht so: Wenn die Bildung das Brot ist und die Armut die Sauce zu einem Teller Spaghetti, dann muss man nur die Bildung oft genug in die Sauce tunken und dann verschlingen. Irgendwann wird die ganze Armut weg sein, der Teller ist dann leer, aber das Leben ist voll. In Pietro Marcellos „Martin Eden“ erzählt der Held gleichen Namens diese Geschichte bei einer bürgerlichen Familie beim Essen. Er tunkt dabei auch wirklich kräftig in das Sugo, und das Brot isst er mit einer Gier, die gar nicht zu den feinen Tischsitten bei den Orsinis passt.

Martin Eden ist ein Seemann. Er hat Arturo Orsini am Hafen aus einer Schlägerei gerettet und nun sitzt er bei Leuten, mit denen er eigentlich nichts zu tun hat. Denn er gehört einer anderen Klasse an, er ist einer von denen, die dazu bestimmt sind, sich „den Rücken zu brechen“ mit körperlicher Arbeit. Alles spricht dafür, dass er ein Leben lang ein „Sklave“ bleibt, außer sein Ehrgeiz. Es ist nicht so sehr ein gesellschaftlicher, sondern ein literarischer Ehrgeiz. Er will die Kraft, die Potenz des Wortes auf das Leben richten und sich des Lebens und der Literatur bemächtigen.

Die Vorlage zu Martin Eden stammt von Jack London. Der große amerikanische Schriftsteller ließ viel von seinen eigenen Erfahrungen einfließen in die Geschichte des Aufstiegs, aber auch des Zerfalls eines Mannes, der unbedingt als Schriftsteller den Durchbruch schaffen will. Pietro Marcello, einer der interessantesten jüngeren Regisseure im italienischen Kino, verlegt seinen „Martin Eden“ von der amerikanischen Westküste nach Italien und in eine Epoche, die man als eine Art Essenz des ganzen 20. Jahrhunderts sehen kann. Die Brücke zu 1909, als das Buch erschien, schlägt Marcello auch mit alten Filmaufnahmen.

Das Startkapital, wenn man so will, von Martin Eden ist sein gutes Aussehen. Er ist ein attraktiver junger Mann, und so verliebt sich auch Elena Orsini in ihn. Statt aber die Angebote anzunehmen, die sie ihm für ein Auskommen macht, will er unbedingt sein Talent als „scrittore“, als Schriftsteller beweisen, mietet sich bei einer armen Familie an der Peripherie ein, wird schließlich zu einem Star, der einen darwinistischen Sozialismus verkündet. Marcello stellt seinen Martin Eden genau an den Punkt, an dem linker und rechter Populismus zusammenprallen, und schafft eine große Figur in einem großen Film über die moderne Welt. Bert Rebhandl

I 2019; 129 Min.; R: Pietro Marcello; D: Luca Marinelli, Jessica Cressy, Carlo Cecchi; Kinostart: 26.8.


Candyman

„Candyman“ von Nia DaCosta. Bild: Universal

HORROR Der Horrorfilm „Candyman“ von Bernard Rose aus dem Jahr 1992 zählt längst zu den Klassikern. Die weiße Doktorandin Helen Lyle stößt dabei auf eine urbane Legende in Chicago, und auf traumatische Verbindungen bis in die Zeit der Sklaverei. In dem aktuellen „reboot“ (vielleicht so viel wie: Neuaufsetzung) der Geschichte vom Candyman ist das Viertel Cabrini-Green schon gentrifiziert. Im Mittelpunkt steht eine neue afroamerikanische Mittelschicht: der Maler Anthony McCoy und seine Frau, die Kuratorin Brianna Cartwright, leben in einem mondänen Apartment, werden aber aus dem schönen Leben gerissen, als Anthony zunehmend obsessiv die Geschichten von dem einarmigen Mörder zu malen beginnt. Großartiger Horrorschocker, mit dem das Schwarze amerikanische Kino seine eigene Geschichte kritisch und originell fortschreibt. Bert Rebhandl

USA 2021; 91 Min.; R: Nia DaCosta; D: Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Nathan Stewart-Jarrett; Kinostart: 26.8.


Now

„Now“ von Jim Rakete. Bild: W-Film

DOKU Kann man in diese Welt, die von einer Naturkatastrophe zur nächsten torkelt, noch Kinder setzen? Nike Mahlhaus, Aktivistin bei der Bewegung Ende Gelände, meint schließlich doch, dass sie es möchte. Sie ist eine der Protagonistinnen in dem Film „Now“ von Jim Rakete und Claudia Rinke. Sie sitzt unter einem Baum, spricht darüber, was sich alles ändern müsste, damit das Leben auch für die nächsten Generationen noch gute Bedingungen auf der Erde bietet. Und sie kommt trotz allem zu einem optimistischen, oder jedenfalls zu keinem zynischen Schluss. In „Now“ kommen die jungen Menschen zu Wort, die nicht wollen, dass die menschliche Zivilisation auf dem Altar der Rohstoffkonzerne geopfert wird. Man sieht so ein bisschen die Stars der heutigen Bewegungen, zum Beispiel Felix Finkbeiner von der NGO „Plant for the Planet“, der in makellosem Englisch seine Vision für einen neu begrünten Planeten vorträgt.

Meistens gibt Jim Rakete den jungen Leuten direkt das Wort, nur ab und zu beobachtet er sie auch ein bisschen von der Seite, dann kriegt man in Andeutungen auch mit, was die Prominenz mit jemand wie Luisa Neubauer macht, die ja auch verkraften muss, dass sie als Postergirl von Fridays for Future gesehen wird. Gerahmt werden die Interviews mit Aufnahmen von Demonstrationen und dem einen oder anderen Gespräch mit Sachverständigen, da geht es dann um „holistic soil methods“ („holistische Bodenbewirtschaftung“). Und Wim Wenders darf sich auch äußern, er klingt durchaus skeptisch, was die eine oder andere Form des Klima-Aktivismus anlangt, spricht dann aber aus der Altersdistanz doch eine Ermächtigung aus: „all power to these kids“. „Now“ ist ein Film, der die Macht der Kids vergrößern möchte und ihnen reflexiven Beistand verschafft. Bert Rebhandl

D 2021; 79 Min.; R: Jim Rakete; Kinostart: 26.8.

„Ich will wissen, wie das alles ausgeht“, hat Jim Rakete uns verraten. Wir haben mit ihm über „Now“ gesprochen.


The Father

„The Father“ von Florian Zeiler. Bild: Tobis

DRAMA Was denken und fühlen Menschen, die an Demenz erkrankt sind? Regisseur Florian Zeller zieht sein Drama fast wie einen Thriller auf, in dem es darum geht, jemanden mit Vorsatz in den Wahnsinn zu treiben: Räume verändern sich, vertraute Personen sind nicht mehr die, die sie einst waren, alte Gewissheiten werden zu irritierenden und beängstigenden Unsicherheiten. Anthony Hopkins gewann für sein Porträt eines dementen älteren Mannes den Oscar. Lars Penning

GB/F 2020, 97 Min., R: Florian Zeller, D: Anthony Hopkins, Olivia Colman, Mark Gatiss, Start: 26.8.


Der Hochzeitsschneider von Athen

„Der Hochzeitsschneider von Athen“ von Sonia Liza Kenterman. Bild: Neuen Visionen

DRAMA Nikos Karalis, ein Athener Schneider ganz alter Schule, hat seinen Beruf und seine Berufung von seinem Vater Thanasis vererbt bekommen. Doch nun ist Nikos um die 50 und seine Schneiderei steht vor dem Konkurs. Kaum jemand interessiert sich noch für die feinen Herrenanzüge, die seit 1961 in der Schneiderei Karalis hergestellt werden. Als der Vater auch noch krank wird, muss sich Nikos etwas einfallen lassen. Er bastelt aus Schrott einen Handkarren zusammen und zieht mit seinen Anzügen über Athener Märkte, muss aber bald feststellen, dass sein Portfolio einer dringenden Erweiterung bedarf. Also wird auch Kleidung für Frauen gemacht, Hilfe erhält Nikos dabei von Olga, seiner Nachbarin, Hausfrau und Mutter einer sehr gewieften kleinen Tochter. Und ja, Nikos probiert sich sogar an dem ihm so fremden Metier der Hochzeitskleider.

Das Langfilmdebüt der Regisseurin Sonia Liza Kenterman – sie hat griechisch-deutsche Wurzeln – hat eine große Stärke: jene Momente, in denen sie auf ihre Bilder vertraut – und auf ihren wunderbaren Hauptdarsteller Dimitris Imellos mit seinem zurückhaltenden Spiel . Ohne viele Worte schließt man diesen Mann ins Herz, diesen Gentleman, bei dem alles seinen Platz haben muss, der aber sehr wohl erkennt hat, dass sich die Welt um ihn herum ständig ändert. Die Kunst ist es nun, da mitzuhalten, und das, ohne sich selbst zu verraten. Martin Schwarz

Raftis (OT); GR/D/B 2020; 100 Min.; R: Sonia Liza Kenterman, D: Dimitris Imellos, Tamila Koulieva, Thanasis Papageorgiou, Stathis Stamoulakatos; Kinostart: 26.8.


Die rote Kapelle

„Die rote Kapelle“ von Carl-Ludwig Rettinger. Bild: Farbfilm

DOKU Die Geschichte der Roten Kapelle, im Dritten Reich einerseits eine Widerstandsgruppe in Berlin, andererseits, davon unabhängig, eine sowjetische Spionagezentrale in Brüssel, rekonstruiert dieser Dokumentarfilm weitgehend anhand einer bundesdeutschen Fernsehserie und eines DEFA-Spielfilms, die beide Anfang der 1970er-Jahre entstanden. Zusätzlich kommen historisches Bildmaterial sowie Aussagen von Nachfahren der Beteiligten zum Einsatz. Eine spannende Geschichtslektion, auch wenn man fragen muss, ob das verwendete Material nicht einer tiefergehenden Befragung bedurft hätte.

D/B/IL 2020; 122 Min.;  R: Carl-Ludwig Rettinger; Kinostart: 26.8.


Die Unbeugsamen

Neu im Kino: "Die Unbeugsamen" von Torsten Körner. Bild: Majestic
Neu im Kino: „Die Unbeugsamen“ von Torsten Körner. Bild: Majestic

DOKU Die Kamera streift durch die mehr oder weniger verlassenen Räume der Bonner Republik, und wir erinnern uns: Berlin mit seinem weltoffenen, multikulturellen Selbstverständnis war nicht immer der Nabel Deutschlands, und Angela Merkel ist auch nicht die seit Ewigkeiten bestehende Institution, als die die heute 16-Jährigen, die keine andere Kanzlerin kennen, sie wahrnehmen. Es begab sich nämlich in jener grauen Vorzeit, die so lang her nun auch wieder nicht ist, dass der Bundesadler im Rheinland nistete und dass den Frauen in der Politik die Kompetenz abgesprochen wurde. Erbittert mussten sie kämpfen um Rederecht, Beteiligung an der Macht, Selbstbestimmung; und nicht selten machte man sich über sie lustig oder hörte gar nicht erst zu. Es war also wie heute, nur noch viel schlimmer.

Die Geschichte der tapferen Politikerinnen der Bonner Republik, die nicht zuletzt Kanzlerin Merkel den Weg bereiteten, erzählt Torsten Körner in seinem adäquat betitelten Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“. Das kann ja nur spröde werden, mag sich nun vielleicht so manche denken, doch ganz im Gegenteil. Mit seiner gekonnten Montage aus historischem Material, aktuellen Interviews und sanft ironischen Querschlägern ist „Die Unbeugsamen“ ein außerordentlich mitreißender Dokumentarfilm; er ist unterhaltsam, lehrreich, aufrüttelnd, amüsant, erschreckend, erstaunlich, ohne je überheblich, pampig oder offensichtlich didaktisch zu werden. Und er zeigt die Politik als eine ernstzunehmende und mit Ernst zu verrichtende Arbeit, also als etwas, das von Zeitläuften, die sich dem Primat des Wachstums endgültig unterworfen zu haben scheinen, mittlerweile fast schon überholt ist.

Zu Wort kommen unter anderem Herta Däubler-Gmelin, Marie-Elisabeth Klee, Ursula Männle, Christa Nickels, Ingrid Matthäus-Maier, Renate Schmidt und Rita Süssmuth. Und erzählt wird auch von Petra Kelly und Hannelore Kohl, die ihre Kraft und ihr Talent im Gravitationsraum Bundespolitik an der Seite sogenannter bedeutender Männer hergaben, und die schließlich aufgesogen wurden. Zwei Frauen mit tragischem Schicksal, das ja, aber Opfer? Alexandra Seitz

D 2020, 99 Min., R: Torsten Körner; Kinostart: 26.8.


Tides

„Tides“ von Tim Fehlbaum. Bild: Constantin

SCIENCE FICTION Ein Streichholzbrief, der an 100 Jahre Mondlandung erinnert, ist das schönste Detail in Tim Fehlbaums „Tides“. Die irdische Elite hat in dieser Zukunft den Planeten verlassen, nun schickt sie eine Expedition, um herauszufinden, ob das Leben hier weiterbestehen könnte. Louise (stark: Nora Arnezeder) muss sich dabei nicht zuletzt mit Männerbildern herumschlagen. Ansprechender deutscher Genre-Film mit Iain Glen aus „Game of Thrones“ in einer Hauptrolle.

D 2021; 104 Min.; R: Tim Fehlbaum; D: Nora Arnezeder, Iain Glen, Joel Basman; Kinostart: 26.8.


Mehr Kino in Berlin

Nach wie vor aktuell: Die Filmstarts vom 19. August. Lichtspielhäuser mit Stil findet man vor allem in Prenzlauer Berg: Die Kinos bieten mehr Arthouse als Blockbuster. Ihr seht Filme lieber draußen? Das aktuelle Programm von Berlins Freiluftkinos haben wir hier für euch. Was sonst so läuft im Streaming-Bereich und den Kinos, erfahrt ihr hier.

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