Neu im Kino

Die Filmstarts vom 8. Juli: Von „Black Widow“ zum Berlinale-Sieger

Nach dem Oscar-Sieger „Nomadland“ in der vergangenen Woche kommen nun am 8. Juli die nächsten Hochkaräter in die Kinos: Disney wird endlich den lange zurückgehaltenen „Black Widow“ mit Scarlett Johansson los. Im Arthouse-Bereich startet „Bad Luck Banging or Loony Porn“ von Radu Jude aus Rumänien, der Gewinner der diesjährigen Berlinale. Zu den Filmstarts vom 8. Juli gehören aber auch feine Autorenfilme wie „Das Mädchen und die Spinne“ und der Dokumentarfilm „Grenzland“ über das Odergebiet. Unser Überblick über alles, was diese Woche neu im Kino läuft.


Black Widow

„Black Widow“ von Cate Shortland. Bild: Disney

ACTION Im Marvel Cinematic Universe ist Natasha Romanoff alias Black Widow (Scarlett Johansson) nach „Avengers: Endgame“ eigentlich schon tot. Nun bekommt sie eine eigene Geschichte, die aber vor allem dazu dient, die Figur für spätere Verwendung zu flexibilisieren. Der wuchtige David Harbour ragt aus einem insgesamt allenfalls routiniert erzählten Actionfilm heraus. Bert Rebhandl

USA 2020; 136 Min.; R. Cate Shortland; D: Scarlett Johansson, Florence Pugh, David Harbour; Kinostart: 8.7.

Unsere ausführliche Filmkritik zu „Black Widow“ findet ihr hier.


Bad Luck Banging or Loony Porn

„Bad Luck Banging or Loony Porn“ von Radu Jude. Bild: Neue Visionen

KOMÖDIE Emi unterrichtet Geschichte an einer Schule in Bukarest. Als ein intimes Video mit ihrem Ehemann an die Öffentlichkeit gerät, muss sie sich wie vor einem Tribunal erklären. Radu Jude reichert seine raffinierte Gesellschaftssatire mit Beobachtungen aus dem Corona-Sommer 2020 und mit essayistischen Passagen an. Bert Rebhandl

Babardeala cu bucluc sau porno balamuc (OT); RO 2021; 106 Min.; R: Radu Jude; D: Katia Pascariu, Claudia Ieremia, Olimpia Malai; Kinostart: 8.7.

Hier lest ihr die tipBerlin-Filmkritik zu „Bad Luck Banging or Loony Porn“.


Und täglich grüßt die Liebe

Neu im Kino ab 8. Juli: "Und täglich grüßt die Liebe" von Josh Lawson. Bild: Studiocanal
Neu im Kino ab 8. Juli: „Und täglich grüßt die Liebe“ von Josh Lawson. Bild: Studiocanal

ROMANTISCHE KOMÖDIE Das mit der Zeit ist bekanntlich ein Dilemma. Immer ist sie zu wenig; immer muss das eine verschoben werden, weil das andere dringender ist; immer ist man am Ende unzufrieden, weil sie, die Zeit, hinten und vorne nicht gereicht hat, mal wieder. Und während man dem Masterplan erledigend hinterher hetzt und sowieso nie alles schafft, verpasst man das eigene Leben und mit etwas Pech verpatzt man zudem noch die gemeinsame Liebe.

Teddy, Protagonist dieser romantischen Komödie aus Downunder mit dem etwas zwangsoriginellen deutschen Verleihtitel „Und täglich grüßt die Liebe“, lernt das auf die harte Tour. Nachdem er an seinem Hochzeitstag mit einem Fluch (oder ist es letztlich nicht eben doch eher ein Segen?) belegt worden ist, wird er fortan ungefähr alle halbe Stunde ein Jahr in die Zukunft katapultiert und kann solcherart im Schnelldurchlauf dabei zusehen, wie er sein Glück in den Sand setzt und seine Ehe den Bach hinuntergeht.

Natürlich will Teddy dies um jeden Preis verhindern, und ebenso wie er in der Folge nun nicht mehr zum Verschnaufen kommt, ist auch der Zuschauerin kein Augenblick der Besinnung mehr vergönnt. Atemlos hastet die Handlung von Jahr zu Jahr und von Episode zu Episode, nimmt peinliche Pannen, anrührende Momente, tragische Ereignisse im Vorbeilaufen mit und geht schließlich mit Weltrekordsgeschwindigkeit unter einem Banner durchs Ziel, auf welchem steht: „Carpe diem!“, nutze den Tag. Ja, eh klar, gleich morgen fangen wir damit an …

Sieben Jahre sind vergangen, seit der in seiner Heimat als Fernsehdarsteller bekannt gewordene Josh Lawson mit der angenehm unverkrampften, schwarzhumorigen Ensemble-Sex-Komödie „Der kleine Tod“ sein Spielfilmdebüt vorlegte. An seinem zweiten Film, zu dem er neuerlich ebenfalls das Drehbuch schrieb, mag man ein wenig die Schärfe und Bissigkeit des Vorgängers vermissen. Doch der vergleichsweise banalen Botschaft von „Long Story Short“ – dies der Originaltitel, also in etwa „langer Rede, kurzer Sinn“ – verleiht Lawsons atemlose Regie eine Dringlichkeit, die vom Komödiantischen ins Existenzielle ausholt. Bis morgen zu warten ist vielleicht doch keine so gute Idee. Alexandra Seitz

Long Story Short, AUS 2021, 90 Min., R: Josh Lawson; D: Rafe Spall, Zahra Newman, Ronny Chieng, Start: 8.7.


Das Mädchen und die Spinne

„Das Mädchen und die Spinne“ von Ramon und Silvan Zürcher. Bild: Salzgeber

FILMKUNST Lisa (Liliane Amuat) zieht aus, in „diesem Loch“ will sie nicht bleiben. Mara (Henriette Confurius), die wunderbar zeichnet und überall Märchenhaftes wahrnimmt, bleibt. Ihr Verhältnis ist zunächst unklar – sind sie Schwestern, Freundinnen, ein ehemaliges Paar? Was treibt sie auseinander? Das Renovieren der neuen Wohnung, Ausräumen der alten, die Abschiedsparty und der Tag danach sind der dramaturgische Rahmen für den Film der Schweizer Zwillinge Ramon (Regie + Buch) und Silvan (Buch + Produktion) Zürcher und den Abschiedsprozess von Lisa und Mara. Die eine zur Trennung entschlossen, die andere verloren und etwas rachsüchtig, verhandeln sie in Andeutungen, Gesten und selten in offenen Worten ihre Geschichte, belauern, verletzen und trösten sich.

Um sie herum gruppieren sich Markus, der Lisas neuer Freund ist oder auch nicht, Lisas Mutter, Umzugshelfer, Nachbarinnen und Kinder, Hunde, Katzen und Spinnen. Das sich ständig verändernde Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren (und Tieren) ist das eigentliche Thema. Begehrlichkeiten, Ballast der Vergangenheit und Träume treiben die Figuren in einem fast magnetisch wirkenden Reigen.

Die aufgeladene Atmosphäre kippt immer wieder in Morbidität, viele Szenen spielen auf einem schmalen Grat zwischen Zärtlichkeit und ihrer sofortigen Zerstörung. Der Film fokussiert auf minimale Verschiebungen und Zeichen: Jede Detailaufnahme eines blutigen Pflasters, eines Kratzers im Holz, eines Zigarettenstummels ist Zeugnis einer Emotion, ein Stilmittel, das erst wirkt und sich im Laufe des Films etwas erschöpft.     

Die praktischen Vorgänge des Umziehens sind inszeniert wie ein Ballett, die meist statische Kamera fängt geduldig die stetige Bewegung des Ensembles ein, präzise choreografiertes Kommen und Gehen, das so auch in einem Theaterraum stattfinden könnte und Kino-Sehgewohnheiten herausfordert. Dass die Zürchers Angela Schanelec und Eric Rohmer mögen, ist deutlich – ihr Kino ist „character-driven“ und interessiert an scheinbaren Nebensächlichkeiten. Susanne Stern

CH 2021, 98 Min., R: Ramon Zürcher, D: Henriette Confurius, Liliane Amuat, Ursina Lardi, André M. Hennicke , Start: 8.7.


Grenzland

„Grenzland“ von Andreas Voigt. Bild: missingFILMs

DOKUMENTARFILM Im Jahr 1992 ist Andreas Voigt schon einmal durch das Grenzland gereist, das entlang der Oder verläuft. Damals waren die Eindrücke der Wende noch ganz frisch. Inzwischen kann man zwischen Guben und dem Stettiner Haff sehr schön das neue Europa kennenlernen.

Eine junge Frau namens Aniela wird zum Studium der Informatik nach Sheffield gehen, sie ist auch mit der Politik in Polen nicht einverstanden, sie sieht die Freiheit des Wortes (und der Sexualität) bedroht. Auf einem alten Gut hat sich eine Familie aus Australien niedergelassen, die es mit Pferden hat, und die findet: „Polen ist ein bisschen ein wildes Land“. Eine Frau, die 1992 in der Gubener Wolle gearbeitet hat, einem Großbetrieb, der danach nicht lange Bestand hatte, lebt heute „im Westen“, ist aber wieder einmal zu Besuch in der Stadt, die sie nie verlassen hätte, wenn sie nicht gemusst hätte.

Ein junger Mann aus Kurdistan baut sich etwas auf, er hat ein altes Haus gefunden und will in einem Dorf sesshaft werden. Seine Freunde finden, dass man in Deutschland „ruhig leben“ kann, für Minderheiten hat der Staat Respekt, die Sorben sind in Sicherheit, die Kurden wären es gern. Eine Frau singt ein griechisches Partisanenlied – ihr Vater kam einst unter Stalin nach Polen, weil es dort „viele leere Orte“ gab. Es ist erstaunlich, was Andreas Voigt im Grenzland so alles einsammelt, und in einer ruhigen Erzählung präsentiert. „Arbeit, Heimat, Liebe“, das sind die Stichwörter. Eine große Landschaft in kleinen Impressionen in einem sehenswerten Film. Bert Rebhandl

D 2020; 96 Min.; R. Andreas Voigt; Kinostart: 8.7.


Viel mehr als Freundschaft: „Sommer 85“ von François Ozon

„Sommer 85“ von François Ozon. Bild: Central Filmverleih

QUEERES KINO Es gibt diese Momente, ja, es gibt viele Momente in „Sommer 85“, in denen man an das Gute glauben will, in denen man träumen will als Zuschauer:in – obwohl man es da ja schon besser weiß. Oder: wissen müsste. Denn Alexis, ein schlanker Junge von 16 Jahren mit Engelsgesicht, hatte uns schon in den ersten Filmminuten die Nachricht aus der Hölle überbracht, rückschauend und quasi-allwissend aus dem Off: Aus David wird bald eine Leiche werden, un cadavre, wie sie in Frankreich sagen. Kadaver. Uff.

Und trotzdem lässt man sich hypnotisieren und becircen. Es ist ja auch zauberschön hier in der (unter der Regie von François Ozon grobkörnig-feinfühlig auf 16mm-Film fotografierten) Normandie, in diesem Küstenstädtchen mit den weiten Kieselstränden, wo die beiden, Alexis und David, aufeinandertreffen.

Wobei sie, genauer gesagt, erstmals zu Wasser einander begegnen, als Sturm (Vorsicht: foreshadowing!) aufzieht: Der unerfahrene Alexis kentert mit einem fremden Segelboot. David kommt auf seinem Boot herbei und bietet mehr als handelsübliche Hilfe an: Die beiden werden Herzenskumpels, doch sie bleiben nicht in der Bro-Zone: Nicht viel später wird der muskelbepackte David den zarten Future-Poet Alexis entjungfern.

Wir spüren die Geilheit, wir spüren die Faszination der beiden Jungs füreinander, die sechs Sommerwochen lang miteinander träumen. Doch gewissermaßen sind sie auch sehr unterschiedlich: Alexis ist todesberauscht, doch auf die theoretische Tour: Er ist fasziniert, nein, geblendet vom Todeskult im antiken Ägypten. David wiederum hat seinen Vater sterben sehen. Man meint, sie meinen das Gleiche, doch ihre Perspektiven liegen pervers auseinander. Es kann nicht gut gehen.

„Tanz auf meinem Grab“ heißt die comichaft-verspielte, tragikomische Jugendbuch-Romanvorlage von Aidan Chambers, die François Ozon verfilmen wollte, seit er 17 ist. Nun, 35 Jahre später, tat er es. Und es ist nicht zu übersehen, dass der Sehr-viel-mehr-als-Freundschaft-Stoff ihm äußerst wichtig ist – und dass er der Richtige für diese Adaption ist.

Was der Film gut macht, das macht er verdammt gut: Das gegenseitige Umgarnen der Jungs in der ersten Hälfte hätte man nicht besser inszenieren können. Jeder Blick zwischen ihnen und jeder Blick auf sie: perfekt. Trotzdem hat der Film auch Schwächen: Zwar gibt es eine tolle Tanzszene, in denen die zwei (Walkman macht’s Mitte der 1980er möglich) zu verschiedenen Musiken tanzen. Trotzdem kommt der „Bruch“ (hier folgt der Film wohl der Sicht von Alexis) doch sehr unvermittelt, unverstanden.

Alexis wird auf dem Grab von David tanzen, da er ihn liebt.  Er wird Erde werfen, und wer dabei nicht literweise weint – well, I don’t know.  Stefan Hochgesand

Été 85 F 2020, 100 Min., R: François Ozon, D: Félix Lefebvre, Benjamin Voisin, Start: 8.7.


Wer wir waren

„Wer wir waren“ von Marc Bauder. Bild: X Verleih

DOKUMENTARFILM Die Menschheit weiß noch gar nicht so lang, dass sie eine Menschheit ist. Und im Grunde war dieses Wissen schon früh mit einem Krisenbewusstsein verbunden: Nicht alles läuft ideal mit dem Fortschritt. Inzwischen steht mit dem Klimawandel das Leben auf der Erde insgesamt in Frage. Höchste Zeit also, sich quasi global zu fragen, was schief läuft, und was richtiger laufen könnte. Marc Bauder ließ sich für seinen Dokumentarfilm „Wer wir waren“ von einem gleichnamigen Text von Roger Willemsen inspirieren, der versuchte, sich die heutige Menschheit aus der Zukunft anzusehen.

Bauder unternimmt eine intellektuelle Weltreise, bis ins Weltall und in die Meerestiefen, zu einem Meister der Meditation und einem Verfechter eines anderen Wohlstands. Er trifft eine Posthumanistin, und einen afrikanischen Philosophen. Bei dem Zielpublikum wird „Wer wir waren“ wohl offene Türen einrennen. Ironischerweise gehorcht der Film mit seiner Logik genau jenem westlichen Expansionismus, den er zugleich kritisiert. Das sind halt die Tücken der Moderne. Bert Rebhandl

D 2021; 114 Min.; R: Marc Bauder; Kinostart: 8.7.


Mehr Filme in Berlin

Laufen immer noch: Die Filmstarts vom 1. Juli stellen wir hier vor. Und wo schaut ihr die Filmstarts am besten? Schaut doch mal in einem von Berlins schönsten Kinos vorbei. Ihr wollt die Filme draußen sehen? Das aktuelle Programm der Berliner Freiluftkinos haben wir hier für euch.

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