• Kino & Stream
  • Filme
  • Die Filmstarts der Woche: Vom brillanten „Amsterdam“ bis Ukraine-Drama „Rhino“

Neu im Kino

Die Filmstarts der Woche: Vom brillanten „Amsterdam“ bis Ukraine-Drama „Rhino“

In dieser Woche starten in Berlin sechzehn Filme. Zu viele, um sie sich alle anzusehen. Von der Redaktion des tipBerlin erhaltet ihr eine qualifizierte Vorauswahl: Die wichtigsten Filmstarts der Woche in einer kompakten Übersicht. Mit der tollen Komödie „Amsterdam“ von David O. Russell, dem Männerdrama „Rhino“ von dem ukrainischen Regisseur Oleh Senzow oder dem deutschen Entführungsdrama „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Hans-Christian Schmid. Hier sind die wichtigsten Filmstarts am 3. November 2022.

Amsterdam

„Amsterdam“ von David O. Russell. Foto: 20th Century

KOMÖDIE New York 1933: Ein paar Veteranen des Ersten Weltkriegs geraten in ein undurchsichtiges faschistisches Komplott, das sich aber mit Hilfe auch großartiger Schauspielleistungen auflösen lässt: Christian Bale, Margot Robbie, Robert DeNiro und viele andere glänzen in einer höchst eigenwilligen, brillanten Komödie. Bert Rebhandl

USA 2022; 134 Min.; R: David O. Russell; D: Christian Bale, Margot Robbie, John David Washington, Robert DeNiro; Kinostart: 3.11.

Menschliche Dinge

„Menschliche Dinge“ von Yvan Attal. Foto: MFA+

DRAMA Alexandre ist ein Student aus einer privilegierten französische Familie. Eines Abends geht er mit der siebzehnjährigen Mila auf eine Party, sie ist die Tochter des neuen Partners seiner Mutter. Wenig später steht die Polizei vor der Tür. Es steht der Vorwurf im Raum, Alexandre habe Mila in jener Nacht vergewaltigt. Yvan Attal erzählt von diesem Fall in „Menschliche Dinge“ („Les choses humaines“) mit wechselnden Perspektiven. Das erste Kapitel konzentriert sich auf die Erlebnisse des Mannes, das zweite macht mit der Situation des Opfers vertraut. Danach gibt es einen großen Zeitsprung, und es geht dann vor allem um die Rolle des Gerichts und der juristischen Verfahren.

„Menschliche Dinge“ versucht sich an einer möglichst differenzierten Sicht auf die Formen der Sexualität, wie sie in einer freizügigen Gesellschaft wie der französischen erlebt und gelebt wird – Mila ist als Tochter einer orthodox-jüdischen Mutter anders geprägt als Alexandre, dessen prominenter Vater ein Frauenheld ist und in hohem Alter gerade noch einmal ein Kind mit einer ehemaligen Praktikantin bekommt.

Die „juristische Wahrheit“ und die Wahrheit des Kinos werden von Attal deutlich nebeneinander gestellt – für einen Moment steht sogar zu befürchten, er wollte den ganzen Prozess der Zeugenaussagen und Befragungen am Ende mit einer gefilmten Szene des fraglichen Vorgangs überholen. Er macht aber an der entscheidenden Stelle Halt, und schafft es trotzdem, der Gewalt einer Situation, in der nie ein ausdrückliches Nein fiel, angemessen Ausdruck zu verleihen. Bert Rebhandl

F 2021; 138 Min.; R: Yvan Attal; D: Ben Attal, Suzanne Jouannet, Charlotte Gainsbourg; Kinostart: 3.11.

Land of Dreams

„Land of Dreams“ von Shirin Neshat & Shoja Azari. Foto: Bon Voyage

DRAMA Die letzte Frage hat es in sich. Alle Menschen, die Simin, eine Mitarbeiterin der amerikanischen Zensusbehörde, aufsucht, sind überrascht, wenn sie – nach dem routinemäßigen Abfragen statistischer Daten – Auskunft über ihren letzten Traum geben sollen. Es sei zu ihrer Sicherheit, mehr kann Simin dazu auch nicht sagen. Sie selber ist offenbar fasziniert davon, schlüpft zu Hause in das Outfit der Befragten und spricht deren Antworten in ihrer Muttersprache Farsi nach, um das anschließend in den sozialen Medien zu teilen. Ob das ein erster Akt der Rebellion ist, bleibt offen. Erst als Simin wegen ihrer Sprachkenntnisse in eine Kolonie in der Wüste von New Mexico geschickt wird, in der iranische Revolutionäre seit 40 Jahren ausharren, entwickelt sie eine stärkere Opposition gegen ihre Behörde und beginnt, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit als Tochter eines iranischen Revolutionärs auseinanderzusetzen.

Es ist die Darstellung von Sheila Vand („A Girl Walks Home Alone at Night“) in der Hauptrolle, die die disparaten Elemente des Films einigermaßen zusammenhält, das Verrätselt-Traumhafte einerseits und die satirisch zugespitzten Momente und Auftritte andererseits, etwa jener von Isabella Rossellini, die als Befragte nur in einer Videoschaltung anwesend ist und ein Muster an Exaltiertheit bietet. Das gilt auch für Matt Dillon als Archetyp des Gesetzeshüters und William Moseley als liebestrunkener Poet, die im Verlauf der Reise zu ständigen Begleitern werden. Am Ende aber bleibt der Eindruck, dass man aus diesem Stoff mehr hätte herausholen können. Frank Arnold

USA/D 2021; 113 Min.; R: Shirin Neshat und Shoja Azari; D: Sheila Vand, Matt Dillon, William Moseley, Isabella Rossellini; Kinostart: 3.11.

Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR

„Rebellinnen. Fotografie. Underground. DDR“ von Pamela Meyer-Arndt. Foto: Salzgeber

DOKU Fotos zeigen Frauenköpfe mit Draht und Schläuchen umwickelt, in einer Filmsequenz wird eine bandagierte Frau mit Stricken an eine Tür gefesselt, die sich unentwegt öffnet und schließt und ihren Körper immer wieder an die Wand quetscht. Diese und viele weitere Bilder bleiben von dem Film „Rebellinnen“ nach dem Abspann im Kopf hängen. Drastisch schöne Bilder, die Verzweiflung und Verletzungen zum Ausdruck bringen, dabei trotzdem ungemein sinnlich sind, sich nach Leben sehen, nach Leben schreien.

Grandios verknüpft Pamela Mayer-Arndt in ihrem Dokumentarfilm die durchweg beeindruckenden künstlerischen Arbeiten ihrer Protagonistinnen Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer mit deren schwierigen, zerrissenen DDR-Biographien. Reflektierend, tiefgehend und sehr persönlich erinnern sie sich an ihre Vergangenheit in der DDR, Ende der 1970er, Mitte der 1980er-Jahre. Alle drei Frauen eint, dass sie damals jung, stark und selbstbewusst nach künstlerischer und politischer Unabhängigkeit strebten und sich an einem System abarbeiteten, das permanent drohte, sie zu Statisten ihres eigenen Lebens zu verarbeiten. Dabei gingen sie verschiedene Wege, die allesamt mit Repressionen und Problemen wie Berufsverbot, Stasi, Knast, Ausreiseschikanen und Entfremdung im Westen hart gepflastert waren.

Doch die selbstbestimmte, weibliche Sichtweise gegen männlich dominierte Machtverhältnisse haben sie sich dadurch nicht nehmen lassen. Als Statement der Selbstermächtigung ist diese Hommage von Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer durch diesen Film ein großes Geschenk. Andreas Döhler

D 2022; 88 Min.; R: Pamela Mayer-Arndt; Kinostart: 3.11.

Was es heißt, in der Ukraine ein Mann zu sein: „Rhino“ von Oleh Senzow

„Rhino“ von Oleh Senzow. Foto: majade

DRAMA Junge, warum hast du nichts gelernt? Rhino (Serhij Filimonow), eigentlich Vova, wächst in den 1990er-Jahren in der Ukraine auf. Sein Spitzname beschreibt sein Aussehen – bulliger Typ mit kantigem Gesicht – sowie seine Wesensart, gleich einem Nashorn mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Bereits als Kind erfährt Rhino Gewalt. Er wächst vom Dieb zum Kleinkriminellen heran und geht mit dem Eintritt in eine Gangster-Clique bald auch über Leichen. Das bleibt nicht ohne Folgen.

Die Kindheitsjahre des Protagonisten werden zu Anfang mit einem einzigen Kameraschwenk durch das Haus von Rhinos Familie beschrieben. Der Vater, schwer alkoholkrank, fällt schließlich an der Front in Afghanistan. Rhinos Schwester bleibt nach dem Tod der Mutter der Familienbezug für den Bruder im alten Haus der Eltern. Die Geschichte von Rhino, die der Film mit leichter Körnung und in düsteren, matten Farben erzählt, wird immer wieder von Sequenzen unterbrochen, in denen ein Unbekannter Rhino Fragen zu der leidvollen Tragödie stellt, die sich sein Leben nennt. 

Regisseur Oleh Senzow drehte diesen Film unabhängig von dem Krieg in der Ukraine. Eingebettet in die aktuelle Situation und mit der Tatsache, dass Senzow inzwischen selbst in der Ukraine an der Front kämpft, erhält der Film jedoch einen doppelt tragischen Boden. Abgesehen von einigen Szenen mit grafischen Gewaltdarstellungen ist „Rhino“ das einfühlsame Porträt eines Mannes, der sich in seiner Hilflosigkeit nur der Mittel bedient, die er von klein auf gelernt hat. Luisa-Marie Kauzmann

UKR/PL/DEU 2021; 101 Min., R: Oleh Senzow; D: Serhii Filimonow, Alina Zievakowa, Yevhen Grygoriew; Kinostart: 3.11.

Wir sind dann wohl die Angehörigen

„Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Hans-Christian Schmid. Foto: Pandora

DRAMA In seinem ersten Kinofilm seit zehn Jahren thematisiert Hans-Christian Schmid die Reemtsma-Entführung von 1996. Dabei ist er weniger an einer Krimispannung interessiert als an einem Psychogramm der Frau Reemtsmas und deren Sohn, aus dessen Perspektive die Geschichte zumeist erzählt wird. Ein eher leises Drama, das nachwirkt. Martin Schwarz

D 2022; 116 Min.; R: Hans-Christian Schmid; D: Claude Heinrich, Adina Vetter, Justus von Dohnányi, Hans Löw; Kinostart: 3.11.

Mehr zum Thema

Wer das Kino liebt, schaut neue und alte Filme. Alte holte man sich lange Zeit aus der Videothek. Wir erinnern an diese einst bedeutende Institution im Berliner Stadtbild. Vergangene Woche wurde der große Wolfgang Kohlhaase beerdigt, mit dem wir einst ein langes Gespräch führten. Was lief in der Vorwoche an? Zum Beispiel Fatih Akins „Rheingold“ – die Filmstarts vom 27. Oktober im Überblick. Immer auf dem Laufenden bleibt ihr mit unseren aktuellen Texten zu Kino und Streaming in Berlin. Und was läuft wann wo? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin