Filmkritik

„Petite maman“: Ergreifender Film über Kind mit depressiver Mutter

Die französische Regisseurin Céline Sciamma setzt mit dem Film „Petite maman“ kindliche Befindlichkeiten behutsam in Szene: Eine Achtjährige findet hier einen Weg, um der depressiven Mutter näher zu kommen. Unsere Kritik.

Joséphine Sanz und Gabrielle Sanz in „Petite maman“. Schon zur Berlinale hat der Film uns überzeugt. Foto: Lilies Films
Joséphine und Gabrielle Sanz in „Petite maman“. Schon zur Berlinale hat der Film uns überzeugt. Foto: Lilies Films

„Geheimnisse sind nicht immer Dinge, die man zu verstecken sucht. Manchmal ist nur niemand da, dem man sie erzählen kann.“ Diese kluge, aber traurige Lebensweisheit stammt aus einem Rollenspiel, das sich zwei kleine Mädchen ausgedacht haben, irgendetwas mit einer Schlossbesitzerin und einem Polizeiinspektor. Was die Sache etwas kompliziert macht, ist allerdings die Tatsache, dass eines der Mädchen gar nicht existiert, oder jedenfalls nicht so richtig. Sie ist, könnte man vielleicht sagen, eine sehr wirklich wirkende Figur in einem weiteren Rollenspiel, das sich das andere Mädchen imaginiert.

Die ganze Konstruktion erdacht hat sich die französische Autorin und Regisseurin Céline Sciamma, die zuletzt den großen Kritikerfolg „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ bei uns im Kino hatte und ihren Film „Petite maman“ als Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale 2021 gezeigt hat.

Nelly lernt Marion kennen – der „Petite maman“ stellt sie Fragen zu ihrer depressiven Mutter

Ganz real ist in ihrer Geschichte die achtjährige Nelly (Joséphine Sanz), deren Eltern gerade das Haus der jüngst verstorbenen Großmutter ausräumen, das einst auch das Zuhause von Nellys Mutter Marion war. Nelly kennt das Haus aus Marions Erzählungen, legendär ist eine Hütte, die die Mutter als Kind im angrenzenden Wald baute, wenige Tage, bevor sie sich im Krankenhaus einer Operation unterziehen musste.

Als Nelly am nächsten Tag feststellen muss, dass ihre traurige Mutter abgereist und sie allein mit ihrem Vater im Haus zurückgeblieben ist, erkundet sie die Gegend und lernt im Wald ein gleichaltriges Mädchen (Gabrielle Sanz, Joséphines Zwillingsschwester) kennen. Es heißt Marion, baut gerade eine Hütte und muss in drei Tagen ins Spital.

Die neugewonnene Freundschaft zur „kleinen Mama“ bietet Halt und Trost sowie die Gelegenheit, sich Fragen beantworten zu lassen, die sich im Zusammenleben mit einer depressiven Mutter nun einmal aufdrängen. Und manchmal macht es auch einfach nur Spaß, beim gemeinsamen Pfannkuchenbacken mit Eiern und Milch herumzukleckern. 

Teddy-Gewinnerin Sciamma setzt kindliche Befindlichkeiten klug in Szene

Céline Sciamma hat sich in ihren Arbeiten schon oft mit Kindheit und Jugend auseinandergesetzt (das Drehbuch des tollen Kinder-Animationsfilms „Mein Leben als Zucchini“ stammt von ihr, und für den 2011 im Panorama der Berlinale gezeigten Coming-of-Age-Film „Tomboy“ gewann sie den Teddy-Jury-Preis), und vermag auch hier die Befindlichkeiten eines Kindes klug in Szene zu setzen. Denn was anfangs kompliziert erscheint, ist in Wirklichkeit ganz unprätentiös und durchaus ergreifend: die Annäherung an eine manchmal sehr entfernt wirkende Mutter mit den Mitteln der Fantasie. 

Petite maman F 2021, 72 Min., R: Céline Sciamma, D: Joséphine Sanz, Gabrielle Sanz, Nina Meurisse, Stéphane Varupenne


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