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Filmkritik

„Quo Vadis, Aida?“ von Jasmila Zbanic: Eine Mutter kämpft für ihre Familie

Eine Nominierung für einen Oscar als Bester internationaler Film war die bisher größte internationale Auszeichnung für „Quo Vadis, Aida?“ von der bosnischen Regisseurin Jasmila Zbanic. Nun kommt ihre Darstellung des Massakers von Srebrenica 1995 in die Kinos.

„Quo Vadis, Aida?“ von Jasmila Zbanic. Bild: Farbfilm

„Quo Vadis, Aida?“ erzählt vom Massaker in Srebrenica

DRAMA Der Name der bosnischen Kleinstadt Srebrenica ist bis heute mit den schlimmsten Kriegsverbrechen verbunden, die in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verübt wurden. Anfang Juli 1995 besetzte die bosnisch-serbische Armee der Republika Srpska unter General Mladić die von der UN eingerichtete Schutzzone – ohne nennenswerte Reaktion der dort stationierten niederländischen Blauhelm-Soldaten. Ein vom niederländischen Kommandanten Thom Karremans angeforderter militärischer Schlag der NATO blieb ebenfalls aus.

Alsbald drängten sich rund 25 000 Flüchtlinge in und um die Basis der Blauhelme in Srebrenicas Nachbarort Potočari. In den folgenden Tagen begann die bosnisch-serbische Armee im Rahmen ihrer „ethnischen Säuberungen“ dort mit der Deportation von Frauen, Kindern und Alten. Männer und Jungen im wehrfähigen Alter wurden ausgesondert, sie fielen anschließend Massenerschießungen zum Opfer. Von insgesamt über 8000 Opfern geht man heute aus, viele sind bislang noch nicht gefunden oder identifiziert. Die Hauptverantwortlichen für das Massaker wurden mittlerweile als Kriegsverbrecher verurteilt, gleichwohl werden die damaligen Ereignisse immer noch vielfach geleugnet oder relativiert.

Historische und persönliche Ebene: „Quo Vadis, Aida?“ von Jasmila Zbanic

Vor diesem Hintergrund lässt die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić (Gewinnerin des Goldenen Bären bei der Berlinale für „Esmas Geheimnis“,  2006) ihren neuen Film „Quo vadis, Aida?“ spielen. Die Perspektive ist dabei eine explizit weibliche: Titelheldin Aida (Jasna Đuričić) ist eine verheiratete Frau in den Fünfzigern mit zwei erwachsenen Söhnen, und arbeitet als Übersetzerin für die niederländischen Blauhelm-Soldaten. Bald schon wird ihr klar, dass ihre Familie extrem bedroht ist und von den UN-Soldaten tatsächlich kein Schutz zu erwarten ist.

Entsprechend sucht sie nach immer neuen Wegen, ihren Mann und die Söhne zu retten, reibt sich auf zwischen ihrem Job, den Mitbürgern immer sinnlosere Infos und Anordnungen der Blauhelme zu kommunizieren, und dem sich abzeichnenden Familiendrama. Geschickt verbindet Žbanić die historische mit der persönlichen Ebene, macht Aidas Geschichte zu einer Art privatem Thriller, in dem die Ausgangslage – einer der Söhne hat es in das UN-Lager geschafft, während der andere mit dem Vater (und Tausenden anderer Menschen) zunächst vor den Absperrungen ausharren muss – nur den Beginn einer ständig eskalierenden Serie von lebensbedrohlichen Situationen darstellt.

Den größten Aktivposten des Films stellt die serbische Schauspielerin Jasna Đuričić in der Titelrolle dar: Sie spricht mit fester Stimme und mehr als entschlossenem Gesichtsausdruck, ständig rennt und hastet sie – oft gegen den Strom der Menschenmassen – und erzeugt dabei eine enorme Dynamik. An der Gesamtsituation kann ihre Aida natürlich trotzdem nichts ändern.

In mehrfacher Hinsicht ist „Quo vadis, Aida?” natürlich auch ein Film über moralische Ungewissheiten. Nicht umsonst wird die Heldin bereits im Titel mit der Frage konfrontiert, welchen Weg sie wohl einschlagen werde. Denn als Mitarbeiterin der UN-Truppen ist Aida in einer privilegierten Situation: Sie hat Zugang zur Führungsebene der Soldaten, und der blaue Mitarbeiterpass, der ihr um den Hals baumelt, öffnet ihr Türen und Zäune, die anderen verwehrt bleiben. Und Aida versucht, diese Vorteile zur Rettung ihrer Familie auch zu nutzen – wohl wissend, dass andere Menschen diese Möglichkeiten nicht besitzen.

Auch die UN-Blauhelme stecken in einer unmöglichen Situation: Von der internationalen Gemeinschaft allein gelassen, ziehen sie sich immer mehr hinter die strikte Befolgung von Regeln und Befehlen zurück. Hätten sie anders handeln können oder gar müssen? Letztlich bleibt die Frage offen.

BIH/A/ROM/NL/D/PL/F/TK/N 2020, 101 Min., R: Jasmila Žbanić, D: Jasna Đuričić, Izudin Bajrovic, Boris Ler, Dino Bajrovic, Start: 5.8.


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