Stadtkultur

Senat hat Clubs als Kulturstätten anerkannt – Bund zieht nach

Berlin hat vorgelegt, der Bundestag ist auf Linie bei der Beurteilung von Clubs. Im vergangenen Jahr hat die Berliner Landesregierung diese als Kulturstätten anerkannt. Die Technotempel und Konzertlocations sind seit November 2020 damit in der Stadt endlich gleichgestellt mit Theatern und Opernhäusern – statt mit Vergnügungsstätten wie Bordellen und Spielcasinos.

Für die Branche, die seit mehr als einem Jahr brach liegt, könnte sich damit einiges zum Positiven ändern. Die Regelung bringt nicht nur Anerkennung, sondern kann Einfluss darauf haben, wie sich Clubkultur in den kommenden Jahren entwickelt – und zwar nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland. Denn die Anerkennung von Clubs als Kulturstätten beschäftigt nun eben auch den Bundestag.

Clubs wie der Tresor sind keine Vergnügungsstätten mehr, sondern gelten als Hochkultur. Geschlossen und bedroht sind sie dennoch. Foto: Imago/Pemax
Clubs wie der Tresor sind keine Vergnügungsstätten mehr, sondern gelten als Hochkultur. Geschlossen und bedroht sind sie dennoch. Foto: Imago/Pemax

Clubs bereichern die Stadt – und wurden behandelt wie Bordelle

Dass die Berliner Clubs das Kulturleben der Stadt bereichern, dürfte angesichts des Weltrufs der hiesigen Feierszene wohl kaum jemand bestreiten. Bis November 2020 hatten die Clubs der Stadt trotzdem ein schweres Los: So standen sie nach Bundesrecht bisher als „Vergnügungsstätten“ auf einer Stufe mit Bordellen und Spielcasinos. Ihren kulturellen Beitrag erkannte man der Branche, die neben Clubs auch Proberäume, Plattenläden und vieles mehr in sich vereint, geflissentlich ab.

Als reine „Wirtschaftsbetriebe“ galten Clubs in der Berliner Kulturlandschaft auch als nicht besonders schützenswert. Im Gegensatz zu zum Beispiel Konzerthallen oder Theaterstätten.

Stattdessen hatten sie nicht selten mit Verdrängung zu kämpfen – so zog etwa die Grießmühle von Neukölln nach Schöneweide. Das schonungslose Gewerbemietrecht machte vielen Clubbetreiber:innen in der Vergangenheit das Leben schwer. Und die fehlende Anerkennung führte dazu, dass das Clubsterben in Berlin zu einem traurigen, aber realen Phänomen wurde.

Als „Kulturstätten“ könnten die Clubs es künftig jedoch einfacher haben

Die Corona-Pandemie brachte die Berliner Clubs in eine existenzbedrohende Situation. Der Antrag, dem das Berliner Parlament im November 2020 nach Monaten des Diskutierens stattgegeben hatte, war ein Lichtblick für die Branche.

Laut Rot-Rot-Grün ist die Clubkultur: „internationales Aushängeschild“ und „kultureller Motor“ der Stadt. Und die Tanzstätten müssen in Nutzungskonflikten und Planungsverfahren nicht als „störende Gewerbebetriebe“, sondern als „Anlagen kultureller Zwecke“ behandelt werden.

Beschluss könnte Entlastung in Sachen Lärmbeschwerden und Verdrängung bringen

Clubkultur Berlin Der Klunkerkranich am Rathaus Neukölln profitierte vom Lärmschutzfonds, so wie 13 weitere Berliner Clubs bis Anfang 2020.
Der Klunkerkranich am Rathaus Neukölln profitierte vom Lärmschutzfonds, so wie 13 weitere Berliner Clubs bis Anfang 2020. Foto: Imago Images/POP-EYE

Durch die neue Kategorisierung könnte für die Berliner Clubs künftig durchaus einiges einfacher werden. Alte Probleme wie städtebauliche Konflikte könnten beispielsweise entschärft werden. Als Kulturstätten wären Clubs weniger leicht zu verdrängen.

Zudem soll das sogenannte „Clubkataster“ der Berliner Clubcommission potenzielle Lärmschutzkonflikte künftig im Keim ersticken. Der Clubkataster ist eine Art Karte, die die Standorte von Clubs gemeinsam mit Bebauungs- und Sanierungsplänen der Stadt aufzeigt und so mögliche Konfliktpotenziale erkennen lässt.

Laut Lutz Leichsenring, dem Pressesprecher der Berliner Clubcommission, hatte der „Clubkataster“ bisher lediglich einen „Empfehlungscharakter“. Durch die Anerkennung der Clubs als Kulturstätten könne sich das ändern.

Bestandteil des Beschlusses ist zudem, dass bereits bestehende Förderungen der Berliner Clubszene, wie zum Beispiel der Lärmschutzfonds, der 2018 vom Berliner Senat beschlossen wurde, weiter ausgebaut werden. Bis Anfang 2020 unterstützte der Senat durch den Lärmschutzfonds mehr als ein Dutzend Berliner Clubs darin, Schallschutzmaßnahmen zu finanzieren.

So weit, so gut. Ist der Beschluss alles in allem also keine kleine Neuerung, sondern eine von kulturpolitischem Gewicht?

Clubcommission: „Wichtige Symbolik trotz fehlender konkreter Maßnahmen“

Auch das Watergate am Kreuzberger Spreeufer bleibt während der Pandemie geschlossen. Foto: Imago Images/POP-EYE

Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission sprach im November 2020 von einer „bedeutenden Zäsur“ in der Berliner Kulturpolitik. Obwohl der Beschluss keine konkreten Maßnahmen, also beispielsweise Gelder, enthalte, sei die Anerkennung von Berliner Clubs als Kulturstätten ein „wichtiger Fingerzeig in die richtige Richtung“.

Es sei alles andere als selbstverständlich, dass sich die Regierungsparteien geschlossen hinter die Ernennung der Clubs zu Kulturinstitutionen stellten. Zudem gebe es keine andere Stadt weltweit, in der sich die Regierung in diesem Maß zu ihrer Clubkultur bekannt hätte.

„Mit dem Kultursenator Lederer hatte die Berliner Clubszene auch während der Corona-Pandemie schon einen starken Unterstützer. Positiv war auch, dass der Tag der Clubkultur trotz der Corona-Pandemie stattfinden konnte“, sagt Leichsenring. „Dieser Beschluss zeigt jetzt einmal mehr, dass die Politik verstanden hat, was die Clubkultur für die Stadt bedeutet.“

Welche städtebaulichen Neuerungen Berlin in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren prägen werden – darauf könnte der Beschluss durchaus einen Einfluss haben. Leichsenring brachte 2020 seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Senatsbeschluss seine Wirkung entfaltet: „Die Kultur unserer Stadt lebt schließlich nicht von Shopping-Malls und Kaffeeketten“, betont er. In der Clubcommission genieße man den „Rückenwind der Anerkennung“ sehr.

Inwieweit und ab wann sich der Beschluss konkret auf die Entwicklung der Berliner Kulturlandschaft auswirken wird, bleibt abzuwarten. Denn der Lärmschutz beispielsweise sei bundesrechtlich geregelt, da könne Berlin keine alleinigen Beschlüsse machen, betonte Leichsenring. Berlin hatte sich also etwas aus dem Fenster gelehnt mit der Einstufung von Clubs als Kulturstätten – aber auch der Bundestag hat die Argumentation übernommen.

Clubkultur Berlin Der Schriftzug des Künstlers Rirkrit Tiravanija am geschlossenen Berghain bringt die Situation der Clubkultur auf den Punkt.
Der Schriftzug des Künstlers Rirkrit Tiravanija am geschlossenen Berghain bringt die Situation der Clubkultur auf den Punkt. Foto: Imago Images/Bildgehege

Clubs als Kulturstätten – Regeln auch auf Bundesebene

2020 hatte sich im Bundestag das „Parlamentarische Forum Clubkultur & Nachtleben“ mit Vertreter:innen aller Parteien außer der AfD gegründet. Ein greifbares Ergebnis des Arbeitskreises ist eine Sitzung im Bauausschuss des Bundestages am 5. Mai 2021 mit derselben Stoßrichtung wie der Senats-Vorstoß: Fast einstimmig wurde gefordert, dass Clubs in der Baunutzungsverordnung nicht mehr als Vergnügungsbetriebe, sondern Kulturstätten behandelt werden.

Für die akut bedrohten Clubs ändert sich dadurch zwar wenig, auch auf Verdrängung und Finanzierung hat eine Baunutzungsverordnung keinen Einfluss. Aber in Zukunft könnte die neue Regelungen große Auswirkungen auf die Stadtentwicklung haben: Die Anerkennung als Kulturstätten vom Rang eines Theaters oder Opernhauses würde auch die Neuansiedlung in Gebieten ermöglichen, in denen Clubbetrieb bisher nicht zulässig war. Eine neue Perspektive für die Innenstadt also.


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