Ausstellungen

Mouse on Mars: „Areal Folds“ ist schrill, düster und aufregend

Das Kulturquartier Silent Green im Wedding wird bis 17. September von den beiden Berliner Elektro-Pionieren von Mouse on Mars in einen akustischen Parcours verwandelt. Anlässlich zum 30-jährigen Bandjubiläum entwickeln die Musiker Andi Toma und Jan St. Werner ihre „Areal Folds“ – eine Klanginstallation, die das gesamte Areal im Silent Green aktiviert. Unsere Autorin hat die Ausstellung besucht.

Mouse on Mars“ist ein 1993 gegründetes Elektro-Duo, hier zu sehen sind die beiden Musiker Andi Toma und Jan St. Werner. Foto: Rupert Smyth

Die Ausstellung „Areal Folds“ beginnt auf einer langen Betonrampe

Schon beim Betreten der breiten Rampe des Kulturquartiers Silent Green beschleicht einen das Gefühl, gleich in eine andere Welt abzutauchen. Es ist kühl und dunkel und der Weg bis zur unterirdischen Betonhalle mehrere Meter lang. Auf diesem Weg beginnt die Sound-Installation „Areal Folds“ des 1993 gegründeten Elektronik-Duos. Mouse on Mars entstand in Köln und Düsseldorf in einer Phase musikalischer Umbrüche und großem Interesse an experimentellen elektronischen Sounds.

Die Ausstellung „Areal Folds“ besteht aus einer mehrteiligen Komposition, aus Klanginstallationen und fluiden akustischen Situationen, wie die Ausstellungsmacher:innen das nennen. Wenn sie über die Zugangsrampe laufen, sollen die Besucher:innen in eine besondere elektronische Klangwelt entführt werden, die bestimmt ist durch vielfache, bassintensive und dumpfe Echos. „Hier sind insbesondere Sinustöne zu hören, die für den Bass verantwortlich sind, ähnlich wie bei der Technostruktur“, erklärt Mouse-on-Mars-Mitglied Andi Toma. Neben den Klanginstallationen werden auf der Rampe zwei mit Lautsprechern ausgestattete Performer:innen mit dem Publikum und der Architektur interagieren.

Für die Ausstellung verwendet „Mouse on Mars“ computergesteuerte, robotische Lautsprecherobjekte. Hier ist ein Lautsprecherpanel, der aus bis zu 100 Einzellautsprecher besteht. Foto: Simone Gänsheimer

Bis 2001 wurde das Gebäude noch als Krematorium genutzt, die Rampe war dazu da, um Leichen in den betonierten Keller zu transportieren. Heute dienen die Gemäuer hauptsächlich für Ausstellungen, Lesungen oder Konzerte. Diese Umgebung macht viel von der Atmosphäre aus, der Weg nach unten vermittelt etwas Düsteres. „Wenn man die Rampe herunterläuft, verändert sich der Rhythmus der Klänge, die Reflexion verkürzt sich. Einmal unten angekommen ist man in einer anderen Welt“, so Andi Toma.

Die Betonhalle ist das Zentrum der Ausstellung von Mouse on Mars

Beim Weg hinab bis zur Halle erklingen dumpfe Elektro-Töne, die angesprochene andere Welt ist düster und dunkel. Von der Rampe gelangt man direkt ins unterirdische Herz des Silent Green, das energetische Zentrum der „Areal Folds“-Ausstellung: die Halle aus Sichtbeton, ein sechs Meter hoher, cleaner Raum ohne Fenster. Lediglich vier flächige Lautsprecherpanels, die aus bis zu 100 Einzellautsprecher bestehen und ein großer aktiv beweglicher Horn-Lautsprecher, der von dem Elektroduo „Kanone“ genannt wird, stehen in der großen kühlen Halle. Die Musiker Toma und St. Werner erforschen seit ihrem Debütalbum „Vulvaland“ von 1994 die Welt der Klänge und interessieren sich vor allem für künstliche und maschinelle Klänge. Auch für diese Ausstellung verwendet Mouse on Mars computergesteuerte, robotische Lautsprecherobjekte.

Der Raum bleibt recht dunkel. Das wenige Licht, das man sieht, stammt von Leuchten auf dem Boden. „Dadurch werden die Schatten der Besucher auf die Wände geworfen“, erklärt Markus Steffens von Singuhr. Der Verein produziert und präsentiert die Klangausstellung. Das Licht wurde zu den Tönen komponiert, dadurch soll eine besondere Atmosphäre entstehen.

„Areal Folds“: Die „Kanone“ schießt präzise Klänge

In der Betonhalle sind viele Klänge durcheinander zu hören, wegen der vielen Ecken und Winkel kreuzen sie sich und brechen an den Wänden. Durch den Trichter der beweglichen „Kanone“ können Klänge präzise durch den Raum geschossen werden, die anderen vier Lautsprecher laufen parallel dazu. Was man hört, ist schrill, verzerrt, brummend und dumpf zugleich.

Aus welcher Richtung die Klänge gekommen sind, lässt sich kaum bestimmen. „In der Betonhalle ist es von den Klängen her etwas genauer, durch die Lautsprecher schießen sie präzise durch den Raum“, beschreibt es Andi Toma. Die vier Lautsprecherpanels projizieren Klänge ähnlich wie ein Lichtstrahl punktgenau an einen speziellen Ort im Raum. Dadurch entsteht der Eindruck eines autonomen, Lautsprecher unabhängigen Klangs. Die Eindrücke sind sehr intensiv, womöglich sogar überwältigend. Die Betonhalle und die Klänge werden eins, die vielen Schatten an den Wänden geben der Atmosphäre eine gewisse Aufregung.

Für die Musiker von „Mouse on Mars“ ist die Ausstellung „Areal Folds“ nicht die erste, in München haben sie 2022 eine erfolgreiche Sound-Installation entwickelt. Foto: Simone Gänsheimer

Für „Mouse on Mars“ ist „Areal Folds“ nicht die erste Klangausstellung. Bereits 2022 haben sie mit „Spatial Jitter“ in einem U-Bahnschacht im Münchener Lenbachhaus einen außergewöhnlichen akustischen Aktionsraum geschaffen. Mit „Areal Folds“ entwickeln die Musiker ihre künstlerischen Ansätze in Richtung raumbezogener Klangkompositionen weiter.

Perspektivwechsel im Innenhof des Silent Green

Von der Betonhalle können die Besucher:innen über eine Treppe nach oben in einen kleinen Kinosaal laufen. Hier wird eine Art Klangstrudel entstehen, der von Steffens als schrill bezeichnet wird. Die Atmosphäre ist dunkel, ein Lichtstrahl wird nur in der Mitte des Raums zu sehen sein. Durch die Betonhalle und über die Rampe zurück, gelangen die Besucher:innen in den Innenhof des Silent Green. Hier entsteht ein abrupter Perspektivwechsel: Im Gegensatz zu dem „hyperaktiven Inneren“ der Halle breitet sich hier ein subtiles Klangfeld aus. Es wirkt wie ein Echo dessen, was in der Halle und der Rampe zu hören gewesen ist.

Die vier Lautsprecherpanels projizieren Klänge ähnlich wie ein Lichtstrahl punktgenau an einen speziellen Ort im Raum. Foto: Anne-Louise Frei

Die Atmosphäre ist eine andere, hier findet anhand von vier Lautsprechern ein Wechselspiel von Klängen statt. Kurze Töne, Echos, Klänge, die an Holz klopfen und Glocken erinnern. Das leicht entfernte Glockenspiel der St. Joseph-Kirche fügt sich natürlich in die Klanginstallation ein. Das ist kein Zufall, bei der Komposition haben die Musiker von Mouse on Mars auch umliegende Geräusche mit einbezogen.

Durch die Kombination von Lautsprechern und selbst entwickelten mechanischen Objekten („Aktoren“) entwickelt sich eine ganz eigene akustische Situation, in der manche Klänge sehr präzise und konkret klingen. Die etwas dezentere Außeninstallation bildet das Finale von der Sound-Installation „Areal Folds“. Und was von Bereich zu Bereich so differenziert wirkt, fügt sich harmonisch zusammen: Das Zusammenspiel der Sounds wird dann geradezu homogen. Und das Erlebnis klingt noch lange nach.

  • „Areal Folds“ im Kulturquartier Silent Green, Gerichtstraße. 35, Wedding, 8.-17.09., 16-22 Uhr, am Montag 11.9. geschlossen, Eintritt: 12 €, ermäßigt 8 €, im Silent Green Innenhof ist der Eintritt frei, mehr Infos hier

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