In Kreuzberg herrscht ein Straßen-Wirr-Warr. Im September letzten Jahres benannte der Bezirk den nördlich der Skalitzer Straße gelegenen Teil der Manteuffelstraße um. Das Problem: Niemand wusste davon. Im Mai sollen die neuen Straßenschilder angebracht werden, ein Teil der ehemaligen Manteuffel- heißt dann Audre-Lorde-Straße. Dann herrscht hoffentlich Klarheit über den Straßennamen der Kreuzberger Straße. Aber von vorne:
Im Jahr 2018 stellte die Grüne einen Antrag, nach welchem eine Straße im Ortsteil Kreuzberg nach der Schwarzen Dichterin und Aktivistin Audre Lorde benannt werden soll. Schon 2015 wurde im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ein Antrag gestellt, eine Kreuzberger Straße nach einer weiblichen LGBTQ+ Persönlichkeit zu benennen. Audre Lorde war damals schon in der engeren Auswahl. 2018 folgte dann der Antrag der Grünen, dass diese Persönlichkeit Audre Lorde sein soll.
Audre-Lorde-Straße: Nach wem ist sie benannt?
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Black, lesbian, feminist, mother, poet, warrior – so bezeichnete sich die 1934 im New Yorker Stadtteil Harlem geborene Dichterin und Aktivistin selbst. In Berlin war sie von 1984 bis 1992 immer wieder zu Gast, meist mehrere Wochen oder Monate, hielt dort Lesungen und Vorträge und hatte eine Gastprofessur am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der FU. Besonders Schwarze Frauen forderte sie auf, ihre Geschichte sichtbar zu machen. Bis heute inspiriert sie weltweit feministische, queere, lesbische, Schwarze und Women-of-Color-Bewegungen und half auch in Deutschland maßgeblich bei der Afro-Deutschen Bewegung mit. 1992 starb sie in Santa Cruz auf den amerikanischen Jungferninseln an Brustkrebs.
Ende 2019 ging es weiter mit dem Straßennamen-Spektakel – welche Straße bekommt denn jetzt einen neuen Namen? Im Rennen waren ein Teil der Wrangelstraße (Skalitzer Straße bis Mariannenplatz), der Kreuzberger Teil der Adalbertstraße (bis Bethaniendamm), die Admiralstraße und die Manteuffelstraße. Ein Beteiligungsverfahren entschied. Bis Mitte April 2021 gingen aus den Straßen, die zur Wahl standen, Stimmen ein. Und schließlich fiel die Entscheidung: Die Manteuffelstraße muss ihren Namen abgeben – zumindest die halbe Straße. Denn nur der nördliche Teil von der Skalitzer bis zur Köpenicker Straße wird umbenannt. Namensgeber des südlichen Teiles von der Skalitzer Straße bis zum Paul-Lincke Ufer bleibt Otto Theodor von Manteuffel (1805–1882), ehemaliger preußischer Ministerpräsident, der mitunter eine höchst konservative Politik vertrat.
Manteuffelstraße wird teilweise zur Audre-Lord-Straße: Die Namensänderung, von der niemand wusste
Im vergangenen September wurde nach langem Abstimmen gehandelt: Die Straße wurde endlich umbenannt. Doch die Bewohnenden wussten davon nichts. Aufgefallen ist die Namensänderung erst, als die Pakete der Anwohner:innen nicht mehr angekommen sind und sich stattdessen in den Paketstationen stapelten, oder Ärzte und Krankenkassen ihre Patient:innen und Versichernden darauf hinwiesen, dass die Audre-Lorde-Straße als Adresse hinterlegt sei, wie der „Tagesspiegel“ berichtete. Von dem Namen hörten manche mitunter das erste Mal. Das Bezirksamt sagt, es habe im Amtsblatt schon letztes Jahr darüber informiert, aber das hat in dort wohl niemand gelesen.
Jetzt wissen zumindest die Bewohner:innen von ihrem Quasi-Umzug in eine neue Straße. Was noch fehlt, sind die neuen Straßenschilder. Das die noch nicht hängen, begründet das Bezirksamt dem RBB mit der anderen Herangehensweise an die komplexen Namensänderungsverfahren, die damit einhergehen, dass nur ein Teil der Straße umbenannt werden soll. Außerdem hatte der Bezirk bisher noch kein Geld dafür, das wird jetzt aber endlich locker gemacht. Bis Anfang Mai soll die Straße auch außen sichtbar den Namen der US-amerikanischen Bürgerrechtsaktivistin tragen. Die Hausnummern sind allerdings noch die alten, die müssen auch noch geändert werden. Und die Bewohner:innen müssen sich ummelden und bei Banken, Schulen und sonstigen Institutionen ihre neue Adresse hinterlegen. Und dann folgt am 28. Juni auch die offizielle Einweihungsfeier der neuen alten Straße, von der bis dahin wohl alle wissen sollten.
Die Manteuffelstraße musste nur die Hälfte abgeben an eine neue Namensvetterin, andere Berliner Straßen wurden umbenannt, überbaut, sind verschwunden und vergessen. Doch manches, was verschwunden war, kehrt dann doch wieder zurück: Wir zeigen euch rekonstruierte Gebäude in Berlin. Magnet, Quartier Latin, das alte Tempodrom: Legendäre Berliner Konzertorte, die nicht mehr existieren. Manche erzählen von schlimmen Episoden in der Geschichte – ein Überblick über koloniales Erbe bei Berliner Straßennamen. Mit Audre Lorde prägten auch tolle Geschichten von Frauen die Stadt, und diese Frauen tun es auch noch in der Gegenwart. Was uns sonst bewegt, steht in unserer Stadtleben-Rubrik.