Verwaiste Räume, zersplitterte Fenster und verfallene Fassaden – Lost Places tragen einen unverwechselbaren Reiz in sich. Die vermeintlich düsteren, entrückten verlassenen Orte in Berlin üben eine ganz eigene Faszination aus und bergen zugleich spannende Geschichten. Oft sind sie stille Zeugen der wechselhaften Geschichte dieser Stadt. In diesem Text zeigen wir euch Berlins fesselnde Lost Places – und blicken noch über die Stadtgrenzen hinaus, denn der berühmteste verlassene Ort in Brandenburg darf nicht fehlen.
Raststätte Dreilinden
Einst war sie die letzte Raststätte zum Tor nach Berlin, heute ist sie ein verfallener Lost Place. 1973 wurde die Raststätte Dreilinden am Kontrollcheckpoint Bravo eröffnet. Rund um die Uhr sollte sie geöffnet sein. Eine Fehlplanung: Wer gerade den Transit vor oder hinter sich hatte, wollte wohl kaum eine Raststätte besuchen, und so ging das Dreilinden alsbald pleite. Seitdem gab es allerhand Pläne, die bisher jedoch allesamt keine Umsetzung fanden. Billighotel, Disko, American Diner: Keine Idee wurde realisiert. Und so bleibt die Raststätte Dreilinden bis zum heutigen Tage ein beliebter Lost Place am Rande Berlins.
- Raststätte Dreilinden Nikolassee
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Der geschichtsträchtige Güterbahnhof Schönholz ist einer der Berliner Lost Places
Östlich des S-Bahnhofs Schönholz befindet sich auf einem Waldstück der ehemalige Güterbahnhof Schönholz. Lange Zeit lag dieser genau an der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin. Damit war er ein bedeutender Ort im Kalten Krieg: Hier wurde die Grenzsperranlage der Berliner Mauer hochgezogen und erfolgreich untertunnelt, nach der Stilllegung des Personenverkehrs wurde der Güterverkehr aufrechterhalten. Heute ist der Bahnhof ein Lost Place, den ihr besuchen könnt, ohne euch um Grenzen Sorgen machen zu müssen. Bis heute hütet der Ort weiterhin ein Geheimnis: So befinden sich im Zahlschalter-Raum zwei Tresorfächer, die bis heute nicht geöffnet wurden. Die Deutsche Bahn plant, bis 2026 auf dem verwahrlosten ehemaligen Güterbahnhof Schönholz eine Abstellanlage für Züge zu errichten. Aber wichtiger: Wann wird der Tresor geknackt?
- Gütersbahnhof Schönholz Schützenstraße/ Buddestraße, Reinickendorf
Dunkle Geschichte in der ehemaligen Stasi-Raumschießanlage
„Eintritt nur nach Aufruf!“ steht auf der Inschrift der Tür, die in den sogenannten „Tunnel“ führt. Dabei handelt es sich um ein unterirdisches Bauwerk, in dem die Stasi jahrzehntelang das Schießen trainierte. Zuvor gehörte das Gebäude zu den Rüstungswerken Carl Otto Raspe, in denen in den 1940er-Jahren unter Einsatz von Zwangsarbeitern Rüstungsgüter für die Wehrmacht hergestellt wurden. Ein Ort also, der an die dunklen Seiten der deutschen Geschichte erinnert.
- Stasi-Raumschießanlage Neumagener Straße 33, Weißensee
Die ehemalige Abhörstation auf dem Teufelsberg
In den 1950er-Jahren, während des Kalten Krieges, errichtete die US-Armee auf dem Teufelsberg eine Abhörstation. Nach der Wiedervereinigung wurde die Anlage noch einige Jahre zur zivilen Luftüberwachung des Flugverkehrs genutzt. Der Plan, auf dem Gelände ein Hotel samt Spionagemuseum und Wohnungen zu errichten, scheiterte am massiven Widerstand von Umweltschützern und zu hohen Kosten.
Besonders auf der höchsten Ebene der Station, wo sich die große Kuppel befindet, fühlt man sich ein in die Historie dieses geschichtsträchtigen Ortes zurückversetzt. Das Turmgebäude ist eine der Hauptsehenswürdigkeiten des gesamten Geländes. Von der Dachterrasse aus kann man über ganz Berlin blicken. Es werden auch Führungen angeboten, die die Geschichte der Spionage-Station beleuchten. Mehr zur Abhörstation Teufelsberg lest ihr hier.
- Teufelsberg Teufelsseechaussee 10, Grunewald, Mo–Fr 11 Uhr bis Sonnenuntergang, Sa+So 12 Uhr bis Sonnenuntergang, Tickets: 8 Euro, ermäßigt 6 Euro, Kinder 5 Euro, online
Historische Hallen: Das Pumpwerk in Berlin-Lichtenrade
Einst waren hier die Berliner Wasserbetriebe zugange, um das Abwasser der umliegenden Häuser weiter ins Klärwerk Waßmannsdorf zu befördern. Heute jedoch ist das Pumpwerk in Lichtenrade verfallen, vielerorts holt sich die Natur das Backsteingebäude zurück – ein Lost Place, wie er im Buche steht. Seit Jahren schon versucht der Bezirk, gemeinsam mit der seit 2015 zuständigen Berliner Immobilienmanagement GmbH, neue Besitzer:innen für das Haus zu finden, bisher jedoch vergeblich. Betreten werden darf das Gebäude nicht, abenteuerlustige Berliner:innen halten sich allerdings nicht immer daran.
- Pumpwerk Lichtenrade John-Locke-Straße, Lichtenrade
Seit 1997 steht das Kinderkrankenhaus Weißensee leer
Im ehemaligen Kinderkrankenhaus in Weißensee sollte nach der Eröffnung 1911 die hohe Säuglingssterblichkeit der damaligen Zeit bekämpft werden. Auch in der DDR nutzte man das Gebäude noch als Kinderkrankenhaus. Seit 1997 steht es leer. Der Bezirk hat viele Ideen für die Nutzung. Beispielsweise könnten auf dem Areal eine Schule oder Wohnungen entstehen. Zurzeit tut sich auf dem Gelände der ehemaligen Klinik noch nichts. Das Betreten des Grundstücks ist verboten. Das kann aber viele Menschen, zum Beispiel Graffiti-Crews, nicht davon abhalten, sich auf dem Gelände kreativ auszutoben.
- Ehemaliges Kinderkrankenhaus Weißensee Hansastraße, Weißensee
Die alte Siemensbahn: Überwucherte, geschichtsträchtige Gleise
Die alte Siemensbahn umfasste ein 4,5 Kilometer langes Streckennetz zwischen Gesundbrunnen und Siemensstadt. Sie wurde bis zu ihrer Stilllegung 1980 von Siemens-Mitarbeiter:innen genutzt. Die Strecke, die auch am verlassenen S-Bahnhof Wernerwerk vorbeiführt, steht unter Denkmalschutz.
2019 beschloss das Land Berlin eine Reaktivierung der Bahn. Bis 2029 sollen auf der Strecke wieder S-Bahnen fahren – mit Anschluss zum Hauptbahnhof und zum BER. Wer noch einen Blick auf die überwucherten, geschichtsträchtigen Gleise erhaschen will, hat dafür aber immer noch Gelegenheit, denn die Bauarbeiten sind ein Langzeitprojekt. Mehr zu verschwundenen Bahnhöfen und stillgelegten Strecken lest ihr hier.
- Siemensbahn S-Bahnstrecke von Jungfernheide nach Gartenfeld
Lost Place in Brandenburg: Auf Geisterjagd in den Beelitz-Heilstätten
Seit 1898 wurden in den Räumlichkeiten des Gebäudes in Beelitz Tuberkulose-Patienten behandelt. Im Ersten Weltkrieg wurde die Klinik als Lazarett für verwundete Soldaten zweckentfremdet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Heilstätten von der Roten Armee übernommen. Bis 1994 waren sie damit das größte ausländische Militärhospital der sowjetischen Armee. Danach lagen die Heilstätten brach und wurden zum Anziehungspunkt für Geisterjäger:innen. Tatsächlich wurde das Areal schon als Drehort genutzt – natürlich auch für Horrorfilme.
Vor einigen Jahren begann man sich in Beelitz dafür einzusetzen, dass das historische Gelände seinen düsteren Ruf verliert. 2016 begann man mit der Renovierung des Geländes, die nach und nach voranschreitet. Ein ganz neuer Stadtteil soll hier entstehen. Das alleinige Betreten des 200 Hektar großen Gebäudekomplexes ist nicht erlaubt. Stattdessen können, im Zusammenhang mit dem über den Heilstätten verlaufenden Baumkronenpfad, Führungen gebucht werden.
- Beelitz Heilstätten Beelitz, Brandenburg, Führungen via Baum & Zeit, Tel. 033 204/63 47 23, online
Was ist eigentlich erlaubt, und was gehört zum guten Ton? Urban-Exploring-Regeln fürs Erkunden findet ihr hier. Manche Abenteurer machen beeindruckende Bilder. Martin Boemer hat Lost Places fotografiert. Noch mehr verlassene Orte in Berlin findet ihr hier: Diese Häuser in Berlin stehen leer – von Geistervillen bis Schrottimmobilien. Am ehemals berühmtesten Ort unter den Lost Places in Berlin tut sich was: Wir erzählen die Geschichte vom Spreepark hier. Ab in den Untergrund: Unterirdische Führungen in Berlin – die spannendsten Touren. Manche Orte vergessen wir nie: Diese berühmten Gebäude in Berlin sind längst verschwunden. Die Vergangenheit zeigen wir euch aus der Vogelperspektive: Historische Luftbilder, die einen Blick von oben auf das Berlin von früher ermöglichen. Mehr über Berlins Historie lernt ihr in unserer Geschichts-Rubrik.