Der Bezirk Pankow hat Tempo 30 beschlossen – für alle Straßen, bis auf ein paar Ausnahmen. Ob das alles klappt, ist nicht gesichert. Sicher ist, dass der Beschluss mal wieder eine Diskussion um Verkehrspolitik anstößt. Aber auch, dass sich ganz langsam die Kraftverhältnisse wandeln.
Tempo-30-Debatte: Autos werden schon immer bevorzugt
Das mit dem Verkehr ist ja so eine Sache: Alle Beteiligten können immer alles am besten – und die anderen nerven und machen die Fehler. Jahrelang, das müssen auch die letzten Autoenthusiasten zugeben, wurden aber eben jene in der Stadtplanung besonders bevorzugt. Autos bekommen wahnsinnig viel Platz, nicht nur für den rollenden Betrieb. Sondern auch, wenn sie nutzlos herumstehen und parkend die Straßen verstopfen.
Und das, obwohl Autofahrende im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmenden umweltfeindlicher sind, ihre Vehikel gefährlicher, sie zudem am meisten Krach machen. Eigentlich alles Gründe gegen eine Förderung des Autoverkehrs. Hat aber, mit Verlaub, ewig niemanden interessiert.
Das hat sich in den vergangenen Jahren dann auch langsam in Berlin etwas gewandelt, sogar außerhalb dunkelgrüner Thinktanks wird inzwischen doch ein wenig vielschichtiger aufs Thema Verkehr geschaut. Erste Auswirkungen waren zuletzt gut zu beobachten. Es gibt Pop-up-Radwege, es werden ganze Bereiche wichtiger Straßen, etwas der Friedrichstraße, für Autos gesperrt. Und generell wird eine Menge in die Verkehrswende investiert.
Tempo 30 in Pankow: Bezirk darf nicht über alle Straßen bestimmen
Warum also ist Tempo 30, wie es nun in Pankow geplant ist, doch noch notwendig? Weil es tatsächlich kaum Sinn ergibt, dass Autos vor allem über kleinere Straßen überhaupt schneller fahren. Es ist nicht so, dass 30 oder 50 Stundenkilometer im städtischen Verkehr einen riesigen Unterschied macht – dazu gibt es zu viele Ampeln, zu viele Stoppschilder, zu viele Zebrastreifen und andere Hindernisse. Auf der Autobahn mögen 20 Kilometer pro Stunde weniger noch einen kleinen Unterschied bei der Fahrdauer bewirken. Zwischen Kreuzberg und Friedrichshain verpufft das schlicht.
Ein wichtiger Grund für Pankows Plan ist auch die Verkehrssicherheit. Zusätzlich geht es um Abgase und Lärm bei dem Beschluss von SPD, Grünen und Linker in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung – der ausdrücklich nur Straßen der Kategorie 1 ausklammert, welche in dem Bezirk nur
- Prenzlauer Allee,
- Prenzlauer Promenade,
- A114,
- Greifswalder Straße,
- Berliner Allee und
- Malchower Straße
sind. Erwartungsgemäß ist die Opposition von dem Vorschlag nur so mittelmäßig begeistert und will sich dagegen wehren. Gleichzeitig ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Denn nicht alle Straßen im Bezirk sind Zuständigkeitsgebiet des Bezirks. Vielmehr fallen die Hauptstraßen in die Kompetenz der Senatsverkehrsverwaltung. Der „Tagesspiegel“ berichtet, dass dort der Plan als nicht unbedingt zukunftsträchtig betrachtet wird.
Ärgerlicher Protest: Warum nicht einfach mal machen?
Was, nochmal, leider absolut ärgerlich ist. Denn es führt zu der Frage, warum sich von CDU bis AfD gegen a) Sicherheit, b) Umwelt und c) Lebensqualität in der Stadt gestellt wird – damit die Autofahrenden weiterhin kurzfristig auf Tempo 50 hochbeschleunigen können, nur, um dann an der nächsten Ampel doch wieder zu bremsen. Könnte man drüber reden, wird aber auch weiterhin schwer.
Denn, wie eingangs gesagt: Kaum irgendwo sind die Fronten so verhärtet wie zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen. Noch immer gibt es viele Autofahrende, und die haben eine starke Lobby. Umso wichtiger also, dass dort, wo es geht, kleine Räume geschaffen werden, in denen sie nicht mehr die uneingeschränkte Nummer eins sind. Und dass gleichzeitig die Veränderungen mit Fortschritten bei anderen Problemen begleitet werden: Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, bessere Radwege, bessere Verkehrsführung für alles, was nicht motorisiert ist, dazu Förderung von Carsharing.
Dann wird irgendwann auch niemanden mehr Tempo 30 stören. Weil kaum noch jemand, der nicht muss, so bequem und egoistisch ist, sich überhaupt ein Auto anzuschaffen.
Auch Radfahrer können irre nerven – diese 12 Typen sind besonders ätzend. Schön: Bald kommen neue Fahrradparkhäuser, damit ist aber nicht genug getan.