Der erste Christopher Street Day in Berlin fand 1979 statt. Namensgeber der jährlichen Pride-Demo ist der weltbekannte Stonewall-Aufstand 1969 in der Christopher Street in New York. Zu der Zeit wurden in der USA regelmäßig gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit trans- und homosexuellem Stammpublikum durchgeführt, so auch in der Bar Stonewall Inn. Als sich insbesondere Dragqueens, transsexuelle Latinas und Schwarze gegen die Kontrollen wehrten, führte das zu tagelangen Straßenschlachten der Bevölkerung mit der New Yorker Polizei. Am ersten Jahrestag des Aufstandes fand der erste Straßenumzug unter dem Namen Christopher Street Liberation Day statt.
Das war der Anstoß für eine internationale Tradition, im Sommer eine Pride-Demo für die Rechte der LGBTQIA+-Community zu veranstalten. So fand der Christopher Street Day auch seinen Weg nach Berlin. Regenbogenflaggen, laute Musik und queerer Aktivismus gehören seit jeher dazu. Dieser Artikel führt euch mit Fotos durch die lange Geschichte des CSD in Berlin.
Die Anfänge vom Christopher Street Day 1979
Der erste Berliner Christopher Street Day fand am 30. Juni 1979 in West-Berlin als (zehn Jahre verspätete) Reaktion auf den Stonewall-Aufstand in den USA statt. Mit den Mottos „Mach dein Schwulsein öffentlich!“ und „Lesben erhebt euch und die Welt erlebt euch!“ gingen 400 Personen auf die Straße und zogen mit Regenbogenflaggen vom Savignyplatz über den Ku’damm in Richtung Halensee.
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In den nächsten Jahren nahm die Zahl der Teilnehmenden stetig zu und die Demo wurde zu einer öffentlichen Party.
In den 1980er-Jahren wütete Aids in der Schwulenszene und wirkte damit als Katalysator für die Demonstrationszüge. Es wurde zunehmend gegen das Versagen der Politik im Umgang mit dem Virus demonstriert. Der CSD wurde professionell aufgezogen und die Zahl der Teilnehmenden stieg massiv.
Der erste Christopher Street Day 1990 in Ost-Berlin
Nach der Wende konnten endlich auch Menschen aus Ost-Berlin am Christopher Street Day teilnehmen. Demensprechend schoss die Zahl der Teilnehmenden in den 1990er-Jahren in die Höhe. 1990 zog der CSD schon 15.000 Menschen an – damit hatte kaum jemand gerechnet.
Erst ab Mitte der 1990er-Jahre gab sich der Berliner CSD jährlich ein Motto. Auch wenn sich der Christopher Street Day wie eine Party anfühlen kann, weisen Poster doch immer auf historische Events hin. So wird 1997 der 100. Jahrestag der Schwulen Bewegung gefeiert.
Der Christopher Street Day in Berlin in seit den 90ern ein Massenevent
1998 waren bereits 300.000 Menschen am Christopher Street Day auf der Straße. Das Motto: „Für eine andere Politik – wir fordern gleiche Rechte“.
Der Christopher Street Day stand zunehmend unter Kritik: Er würde sich zu stark auf homosexuelle Männer fokussieren, und Frauen viel zu wenig Raum geben. 1998 führte deshalb das Mösenmöbil den Demonstrationszug an und sorgte für Sichbarkeit der lesbischen Community. Die riesige Plastik-Vagina war auf jedenfall ein Hingucker.
Die Jahrtausendwende: Mehr als 20 Jahre CSD und eine halbe Million Menschen
Am Christopher Street Day 2001 war Klaus Wowereits Coming-out-Spruch „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“ in aller Munde. Er war der erste deutsche Spitzenpolitiker, der so offen zu seiner Homosexualität stand.
2000 wurde die halbe Million geknackt. Der Christopher Street Day ist spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aus Berlin wegzudenken.
2007 dann der erste Dyke-Trans-March in Berlin, der seit 2013 als Dyke* March bekannt ist. Der CSD ist zu einer so großen politischen Demonstration geworden, dass viele kleinere Züge rund um das Pride-Wochenende stattfinden.
Der große Streit um den Christopher Street Day 2014
2014 stand der CSD, genauer gesagt Robert Kastl, der Geschäftsführer des CSD e. V., nochmal in der Kritik. Vorwürfe wurden laut, dass er sich selbst finanziell an der Pride-Demo bereichere und ohne Berechtigung große Entscheidungen alleine treffen würde. So wollte Kastl den Christopher Street Day beispielsweise eigenmächtig in „Stonewall“ umbenennen, ohne das im CSD-Forum demokratisch zu entscheiden, wie es davor gehandhabt wurde.
Die Community war schockiert, die Neudefinition wurde im Forum weitgehend abgelehnt und der CSD und der dahinterstehende Verein wurden zunehmend kritisiert. Die Meinungen gingen bei der Problematik so weit auseinander, dass es 2014 statt der großen Demo drei einzelne gab. Zwei davon fanden in Mitte und eine in Kreuzberg statt.
Seit 2014 hat sich die Struktur der Demo verändert: Der erste Block ist nur eine Laufdemo, erst im zweiten folgen die Trucks. Damit hat sich die Zahl der Schilder und Marching Groups erhöht.
Die Million genackt, kurz danach Pandemiebremse
2019 war es endlich so weit: Die Zahl der Teilnehmenden am Christopher Street Day knackte die Millionengrenze. Die Stadt war voll mit Regenbögen, Aktivismus und guter Laune. Das Motto lautete „Stonewall 50 – Every riot starts with your voice“, eine Hommage an den Stonewall-Aufstand vor 50 Jahren.
Dann kam die Pandemie. Nach dem Hoch im Jahr zuvor musste der Christopher Street Day 2020 online stattfinden. Im folgenden Jahr durften die Menschen wieder in bekannter Manier durch die Stadt ziehen, allerdings fand anstatt des klassischen CSD eine kleinere Pride-Demo statt. 2022 ging’s dann wieder richtig los. Rund 350.000 Menschen feierten das queere Leben in Berlin und der Bundestag hisste erstmals die Regenbogenflagge. Der CSD 2022 war ein strahlendes Fest der Vielfalt.
Auf viele weitere Jahre Christopher Street Day
Sind jetzt nicht alle Ziele des CSD erreicht? Der Paragraf 175 ist abgeschafft, Aids ist kein Todesurteil mehr und homosexuelle Pärchen dürfen sich seit 2017 das Ja-Wort geben. Da kommt schnell die Frage auf: Brauchen wir die CSD-Demo überhaupt noch?
Auch wenn sich das bunte Treiben am Christopher Street Day wie eine Party anfühlt, ist die Gesellschaft noch immer sehr heteronormativ geprägt. An der Pride-Demo geht es darum, diese Normen zu brechen, unterdrückten Minderheiten Sichtbarkeit zu geben und für mehr Akzeptanz zu sorgen. Ganz nebenbei macht der Christopher Street Day auch Spaß – Aktivismus kann so einfach sein. Am 22. Juli 2023 werden beim 45. Christopher Street Day in Berlin eine halbe Million Menschen erwartet, die mit viel Glitzer und großem Spaßfaktor durch Berlin ziehen. Wir haben alle Infos zum CSD 2023 in Berlin. Natürlich endet der Pride-Tag nicht mit der Parade: Das sind die besten CSD-Aftterpartys.
Alles, was wir zu LGBTQ+ Themen schreiben findet ihr hier. Regenbogensommer: Diese Events zum Pride Month in Berlin empfehlen wir. Wer noch nicht genug hat, kann sich hier über den queeren Prenzlauer Berg informieren. Ihr seid in Schöneberg unterwegs? So queer ist Schöneberg: tip-Guide für den Regenbogenkiez. Wusstet ihr schon wie queer sogar Mitte ist? Der tipBerlin-Guide für Party, Kultur, Geschichte. Musikalisches Empowerment liefern 12 Berliner Queer-Pride-Songs, die wir lieben: Von Pet Shop Boys bis Peaches.