Der erste queere Film der DDR sollte auch ihr letzter sein: „Coming Out“ feierte seine Premiere ausgerechnet am 9. November 1989. Während der glitzernde Vorhang im Kino International aufging, fiel wenige Kilometer entfernt die Berliner Mauer. Über eine legendäre Filmvorführung und eine unvergessliche Nacht.
Doppelt historisch: „Coming Out“ ist der erste queere Film der DDR
Im ikonischen Kino International, das dieser Tage sein 60-jähriges Jubiläum feiert, war der Abend des 9. November 1989 gleich in doppelter Hinsicht denkwürdig. Mit „Coming Out“ lief dort der erste und einzige DDR-Film, der eine schwule Liebesgeschichte erzählt. Der Film von Heiner Carow spielt in Ost-Berlin und handelt von dem jungen Lehrer Philipp Klarmann, der eine Beziehung mit seiner Kollegin Tanja führt. Als er seine verdrängte Jugendliebe Jakob wieder trifft, beginnt er, sich mit seiner sexuellen Orientierung auseinanderzusetzen und lernt in einer Schwulenkneipe den jungen Matthias kennen, in den er sich verliebt. Ein schmerzhafter Prozess, doch am Ende schafft Philipp es, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, obwohl er damit seinen Job riskiert.
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Der Film glich einem Tabubruch, seine Entstehung war geprägt von Hindernissen: Der damalige DEFA-Direktor stellte sich der Produktion zunächst in den Weg, die Dreharbeiten wurden mutmaßlich von der Stasi beobachtet. Entgegen aller Erwartungen wurde die Premiere ein voller Erfolg und war restlos ausverkauft, sodass eine zweite Vorstellung hinterher geschoben wurde.
Aus dem Kinosaal auf die Straße: Die Mauer ist auf
Auf die Vorstellungen an jenem Abend folgte ein Publikumsgespräch im Kino International, bis heute einem der schönsten Kinos der Stadt. Auf einmal fiel den Anwesenden der außergewöhnlich dichte Verkehr auf der Karl-Marx-Allee auf: Unzählige Trabis fuhren Richtung Westen. Es war bereits nach Mitternacht, als langsam die Nachricht zu den Feiernden aus Cast und Crew hindurch drang: Die Mauer ist auf. In der Schwulenkneipe Burgfrieden, in der auch einige Szenen des Films gedreht wurden, wurde ausgelassen weitergefeiert – unweit des Grenzübergangs Bornholmer Straße, der in dieser Nacht geöffnet wurde.
Im besten Fall ist ein Coming Out ein Neubeginn, ein Aufbruch in eine befreite, hoffnungsvolle Zukunft. Mit dem schicksalhaften Datum der „Coming Out“-Premiere traf dies gleich im doppelten Sinne zu. In den folgenden Wochen lief der Film erfolgreich im Kino International, und auch aus dem Westen der Stadt kamen viele Menschen, um ihn anzuschauen. Das Kino International selbst wurde nach der Wende zu einem wichtigen Ort für die Berliner LGBTQ-Community: Im Rahmen der Berlinale fanden hier viele legendäre Teddy-Partys statt, und seit mehr als 25 Jahren zeigt die Kinoreihe „Mongay“ jeden Montag queere Filme. So auch in der Woche, in der sich der Fall der Mauer zum 34. Mal jährt: Am Montag, den 6. November, Jahrzehnte nach der legendären Kinonacht, lief „Coming Out“ erneut auf der Leinwand des historischen Saals. Das Kino International verkörpert die Geschichte der DDR und kann für immer stolz darauf sein, sich auf den wirklich letzten Drücker noch geoutet zu haben.
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