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Grenzgänge

Mauerweg-Tour von Hohen Neuendorf bis Frohnau: Ausblick im Norden

Unser Autor hat einen Spaziergang auf dem Mauerweg gemacht, seine Etappe führte ihn von der brandenburgischen Gemeinde Hohen Neuendorf zurück nach Berlin in den Reinickendorfer Ortsteil Frohnau. Auf dem Weg entdeckt er einen der wenigen verbliebenen Wachtürme der ehemaligen Grenze zwischen West-Berlin und der DDR.

Feldweg süd- westlich der Invalidensiedlung, nahe des ehemaligen Kolonnen-, heutigen Mauerwegs. Foto: F. Anthea Schaap
Feldweg südwestlich der Invalidensiedlung, nahe des ehemaligen Kolonnen-, heutigen Mauerwegs. Foto: F. Anthea Schaap

An der Utestraße findet man Spuren von Bebauungsplänen

Jetzt muss er doch mal gleich kommen, der einstige Grenzturm! Da werde ich nämlich erwartet. Links sind Bäume, rechts sind Bäume, und dazwischen ein schmales Asphaltband, mitunter leicht mit märkischem Sand durchweht. Das muss doch der einstige Kolonnenweg sein, den die DDR-Grenztruppen für ihre Kontroll­fahrten angelegt hatten. Waldwege sind ja gemeinhin nicht betoniert.

Hier, im äußersten Norden Frohnaus und damit auch Berlins, ist das aber tückisch, wie ich merken sollte. Denn an dieser Stelle hat der Mauerweg einen Zwilling: Südlich zum Kolonnenweg zieht sich ein weiterer gepflasterter Weg mitten durch den Wald, ebenfalls parallel zur ehemaligen Grenze zwischen der DDR und West-Berlin – die Utestraße, die von der B96 im Westen zum Huber­tussee im Osten Frohnaus führt. Sie ist Zeuge der ursprünglichen Bebauungspläne für den Frohnauer Forst, es wurde bereits alles parzelliert und mit gepflasterten Wegen erschlossen, dann aber doch nicht bebaut.

Mauerweg-Spaziergang am ehemaligen Todesstreifen

Immerhin, ein größerer Pavillon wurde errichtet, ein paar Stufen und das Fundament sind an der Utestraße noch zu entdecken. Der Wald im Besitz der Familie von Donnersmarck war dann 1971 an West-Berliner Wohnungsbaugesellschaften verkauft worden, die dort bis zu dreizehnstöckige Häuser hochziehen wollten. „Doch weil der Bau des Tegeler Flughafens so viel Waldfläche in Anspruch genommen hat, konnten die Berliner Forsten zum Ausgleich den Waldabriss in Frohnau verhindern“, erfahre ich, als ich schließlich doch noch den ehemaligen Kolonnenweg, den alten Grenzturm und damit zu meiner fachkundigen Verabredung finde.

Mauerweg-Tour im Norden: Blüten im Frohnauer Forst.  Foto: F. Anthea Schaap
Mauerweg-Tour im Norden: Blüten im Frohnauer Forst. Foto: F. Anthea Schaap

Durch den Anblick eines Original-Grenzturms lässt sich hier auf dem Mauerweg der Grusel des einstigen Todesstreifens noch etwas erspüren. Er ist einer von nur vier noch erhaltenen Wachtürmen, von denen einst über 300 entlang der 167,8 Kilometer langen Berliner Mauer standen. Dass dieser hier erhalten werden konnte und nun als geschichtliches Anschauungsobjekt dienen kann, hat damit zu tun, dass der rund neun Meter hohe Bau bereits im Juni 1990 aus dem Militärdienst entlassen wurde: Die DDR-Grenztruppen übergaben ihn an die Biologie-Lehrerin und Umwelt-Aktivistin Helga Garduhn aus Hohen Neuendorf.

Und eben diese erwartet mich nun gemeinsam mit ihrer Mitstreiterin Gabriele Zaspel vor dem inzwischen zum Ökoturm mutierten Ausguckposten, der glänzend weiß angestrichen inmitten eines üppig wuchernden Gartens steht.

Der einstige Grenzturm („1 Stck. Führungsstelle“) ist heute eine 1A-Naturschutzstation. Foto: F. Anthea Schaap

Helga Garduhn engagierte sich schon zu DDR-Zeiten im Naturschutz, ganz praktisch als Bestandteil ihres Biologieunterrichts. Doch zur „lebenden Legende“ („Die Zeit“) wurde sie erst mit der in den Wendewirren der NVA abgeluchsten Schenkung von „1 Stck. Führungsstelle“ (so im Übergabeprotokoll vom Grenztruppen-­Major Kuntze präzis beurkundet) zum Zwecke des Naturschutzes. Er sollte die Basis von Garduhns eigener, aus einer Schul-AG hervorgegangenen Gruppe „Ökokekis“ (Ökokellerkinder) und der West-Berliner Gruppe „Brummbären“ der Deutschen Waldjugend um den Schöneberger Lehrer Marian Przybilla werden, die sich im Zeichen des Turms zusammenschlossen.

Ein Wachturm als Naturschutzstation

Allerdings war der ausgemusterte Grenzturm nur noch ein auf seinen Betonkern reduziertes Gerippe, Folge des fröhlichen Vandalismus nach dem Mauerfall. „Aber damals standen noch jede ­Menge der einst rund 300 Wachtürme“, erzählt Garduhn verschmitzt, „so haben unsere Waldjugendjungs von anderen Türmen alles wiederbeschafft, was hier geklaut oder zerstört worden war, und so konnten wir unseren Turm fast original wieder zusammensetzen.“ 

Fast original also, aber im Laufe der Jahre doch modernisiert („Es gab keinen Strom, kein Wasser, kein Klo, nichts“), mutierte der Wach- zum Ökoturm – als Naturschutzstation des Regional­verbandes der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) mit angeschlossenem Grenzmuseum im ersten Stock.

Jede der drei Etagen ist 16 Quadratmeter groß. Vom holz­verkleideten Gruppenraum im zweiten Stock erreicht man über eine original erhaltene Eisenleiter das Dach, von dem aus man einen guten Ausblick auf das 4.000 Quadratmeter große Paradies rings um den Turm hat, das die Naturfreundinnen und -freunde zu einem Gartenbiotop und grünen Klassenzimmer für Schülergruppen mit Teich, Schilfklärwerk, Wildkraut- und Streuobstwiesen, Kräuter- und Sumpfpflanzenbeeten verwandelt haben.

80.000 Bäume auf dem Grenzstreifen

Mit vielen freiwilligen Helfern pflanzten seit 1990 Frau Garduhn und die Deutsche Waldjugend 80.000 (!) Bäume auf dem einst plattplanierten Grenzstreifen, so dass heute kaum mehr etwas an die damalige Mauersituation erinnert – außer eben der Kolonnenweg, der hier zwischen der Glienicker Straße und der B96 mittlerweile offiziell Waldjugendweg heißt.

Folgt man diesem weiter in Richtung B96, erinnern nach rund 100 Metern drei Stelen an drei Maueropfer. Rund einen Kilometer weiter, am Hohen Neuendorfer Eingang zur Invalidensiedlung, ist eine weitere dem letzten Opfer in diesem Grenzabschnitt gewidmet: Marienetta Jirkowsky, erschossen am 22. November 1980, als sie mit ihrem Verlobten von hier aus nach West-Berlin fliehen wollte. Sie hatte es bereits bis an die vordere Grenzmauer hinter dem Kolonnen­weg geschafft. Nach der 18-Jährigen ist inzwischen ein Kreisverkehr in Hohen Neuendorf benannt.

Die Invalidensiedlung in Frohnau war zu Mauerzeiten ruhiger. Foto: F. Anthea Schaap
Die Invalidensiedlung in Frohnau war zu Mauerzeiten ruhiger. Foto: F. Anthea Schaap

Die Frohnauer Invalidensiedlung geht im Kern noch auf den Preußenkönig Friedrich I. zurück, der 1748 im heutigen Stadtteil Mitte ein Invalidenhaus anlegen ließ. Als das 1938 für die Militärärztliche Akademie gebraucht wurde, errichtete die Wehrmacht als Ausgleich für die Insassen die Invalidensiedlung in Frohnau. Deren Bewohner führten lange ein ruhiges Leben, abgeschieden im Schatten der Mauer. Mit der Grenzöffnung war es damit allerdings vorbei. Genervt zogen sie am Durchgang zur Hohen Neuendorfer Florastraße kurzerhand, nun, keine Mauer, aber zumindest einen Zaun hoch. Immerhin: Auf den Schießbefehl haben sie verzichtet.

Der Mauerweg führt jetzt an der Westseite Frohnaus entlang nach Süden, vorbei an Feldern in Richtung des brandenburgischen Stolpe und mit in den Nachwendejahren wieder angepflanzten Bäumen. Hier ist parallel zur Straße Am Eichenhain der alte Grenzverlauf sehr gut zu erkennen – nur die eine Straßenseite ist mit repräsentativen Villen und Einfamilienhäusern bebaut. An der hier westlichen Seite aber: nichts als Flora. Hier beginnt Brandenburg.

Dieser Text stammt aus unserem 2019 erschienenen Buch „Grenzgänge – 25 Wanderungen auf dem Berliner Mauerweg“, das ihr im Shop von tipBerlin kaufen könnt.


Hohen Neuendorf bis Frohnau: Tipps an der Tour

Naturschutzturm ­(ehemaliger Grenzturm) Von den 302 Grenztürmen rund um West-Berlin sind heute noch vier erhalten. Einer davon steht in Hohen Neuendorf und ist mittlerweile ein Naturschutzturm, der der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) gehört.


Taverna Nikopolis Gemeinsam mit Familie oder Freunden speisen wie auf Santorin: Die Taverna Nikopolis bietet die Klassiker der griechischen Küche in Grilltellern, Pfannengerichten und aus dem Backofen an. 


Invalidensiedlung Die unter Denkmalschutz stehende Wohnanlage für Schwerbehinderte wurde in den 1930er-Jahren in einem hufeisenförmigen Grundriss errichtet. Es gibt einen Festsaal, in dem gelegentlich kulturelle Veranstaltungen stattfinden.


Landhaus Hubertus Rustikale deutsche Küche mit einer Profilierung auf Wild und Ente bietet dieses Restaurant im Herzen der Invalidensiedlung, das über eine Terrasse und gediegen-stilvoll eingerichtete Gasträume sowie einen Ballsaal verfügt. Hin und wieder finden hier auch Krimi-Dinner, Lesungen oder Kabarett statt.


Ristorante Landhaus am Poloplatz Frisch, qualitativ hochwertig und bevorzugt saisonal: Im Landhaus, errichtet 1911 vom Frohnauer Architekten Paul Poser, spiegelt sich die Qualität der Produkte deutlich in den Gerichten wider. Die gesamte Palette an Pasta, sei es Ravioli oder Bandnudel, stammt nach Angaben des italienischen Restaurants aus eigener Herstellung. Kleine, aber kundig ausgesuchte Weinkarte. Wer da allzu reichlich zuschlägt: Das Haus verfügt über vier Gästezimmer.


Mehr Spaziergänge

Weitere Mauerweg-Touren aus unserem Buch „Grenzgänge“ findet ihr hier. Unbedingt besuchen: die Gedenkstätte Berliner Mauer. Am Wasser entlang, durch Wälder und wunderbare Weiten: 12 schöne Spaziergänge im Osten Berlins. Noch mehr grüne Ziele: Unsere Tipps für schöne Waldspaziergänge in Berlin findet ihr hier. Wenn die richtige Strecke nicht dabei ist, haben wir noch mehr schöne Spaziergänge in der Natur und in der Stadt für euch. Bei Sonnenschein am schönsten: 12 tolle Spaziergänge durch Berlin im Sommer. Wald, Wasser, wunderbare Weite: 12 Spaziergänge im Osten von Berlin. Immer neue Ideen findet ihr in unserer Rubrik „Ausflüge“.

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