Berlinale 2022

„Un été comme ça”: Berlinale-Dauergast Denis Coté mit dürftigem Sex-Drama

Ganz viel Reden über Sex und Beziehungen: Das ist der Kern von „Un été comme ça”, dem neuen Film von Denis Coté, der sich einmal mehr die Erforschung menschlicher Verhaltensweisen auf die Fahnen geschrieben hat. Unser Autor Michael Meyns hat sich das Drama des kanadischen Regisseurs, das ganz nah an die Protagonist:innen heran geht, im Wettbewerb der Berlinale angesehen – ihr Spiel ist toll, doch inhaltlich bleibt der Film leider etwas dünn.

Anne Ratte-Polle, Larissa Corriveau und Laure Giappiconi in „Un été comme ça” Foto: Lou Scamble/Metafilms

Leiden an Hypersexualität in „Un été comme ça”

„Let’s talk about Sex“ hieß es in einem Hit der 90er-Jahre, der auch das Motto von „Un été comme ça“ („That Kind of Summer“) sein könnte, dem jüngsten Film von Berlinale-Dauergast Denis Côté. Vor zehn Jahren war der kanadische Regisseur mit der experimentellen Dokumentation „Bestiare“, zum ersten Mal in Berlin zu Gast, damals noch im Forum. Eingesperrte Tiere standen damals im Mittelpunkt, doch der Blick auf die Wesen im Käfig verriet mehr über die Menschen, die sie ansahen, als über die Tiere selbst.  An diesem irritierenden Blick auf menschliche Verhaltensmuster hat sich im Lauf der Jahre nichts geändert: Côté – selbst dicht tätowiert und expressiv gekleidet – hat ein Faible für Menschen, die aus dem Rahmen fallen, die auf die ein oder andere Weise nicht der Norm entsprechen.

Das sind in „Un été comme ça“ die drei Frauen Léonie (Larissa Corriveau), Geisha (Aude Mathieu) und Eugénie (Laure Giappiconi), die sich für 26 Tage in einem malerischen Haus am See behandeln lassen. Denn das Trio „leidet“ an Hypersexualität und findet vor allem in Gang Bangs und SM-Spielen Befriedigung. Ihnen zur Seite stehen der Sozialarbeiter Sami (Samir Guesmi) und die deutsche Therapeutin Octavia (Anne Ratte-Polle), die selbst mit Beziehungsproblemen zu kämpfen hat und versucht, telefonisch das Verhältnis mit ihrer Noch-Freundin zu retten.

Laure Giappiconi in „Un été comme ça” Foto: Lou Scamble/Metafilms

„Un été comme ça”: Jede soll nach ihrer Façon glücklich werden

Und so wird geredet, sehr viel geredet, über Sex, das Leben, Sex, Träume und natürlich Sex. Bemerkenswert und fraglos auch betont unerotisch ist das, ebenso wie die zahlreichen Sexszenen. Mehr und mehr löst sich das Gegenüber von Patientinnen und Betreuern auf, zeigt sich, dass die scheinbaren Probleme des Trios nicht wirklich ein Problem sind. Inhaltlich ist das etwas dünn, zumal sich Côté geschlagene 135 Minuten Zeit nimmt, um zur nicht wirklich bahnbrechenden Erkenntnis zu gelangen, dass jede nach ihrer Fa­çon glücklich werden soll.

Interessant ist „Un été comme ça“ zum einen als Weiterführung von Côtés letztjährigem Berlinale-Film „Sozialhygiene“: Auf weiten Feldern standen seine Figuren damals und redeten über Beziehungen. Ausschließlich Totalen verwendete Côté damals, was auch den Corona-Einschränkungen geschuldet war. Nun geht er den umgekehrten Weg, ist meist ganz nah an seinen Figuren dran, mit extrem mobiler Kamera, die kaum einen Moment ruhig ist. Zum anderen auch als Vehikel für vier Schauspielerinnen, deren Spiel zu beobachten großes Vergnügen bereitet, trotz des eher dürftigen Inhalts.


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