Berlinale 2024

„La Cocina“: Wer zu langsam ist, hat keine Chance

Der Mexikaner Alonso Ruizpalacios hat mit „La Cocina“ das gleichnamige Bühnenstück von Arnold Wesker verfilmt. Es geht um einen harten, unsichtbaren Job hinter den verschlossenen Türen einer Fast-Food-Küche. Das ist rasant, streckenweise berauschend, mit feinem Gefühl für die Atmosphäre. tipBerlin-Filmkritikerin Pamela Jahn hat den Film gesehen, hier lest ihr ihre Rezension.

„La Cocina“ läuft im Wettbewerb der Berlinale. Im Bild: Rooney Mara und Raúl Briones Carmona. Foto: Juan Pablo Ramírez / Filmadora

„La Cocina“: Fließbandjob am Times Square

Der erste Test, um einen Job im The Grill zu bekommen, ist es, den Hintereingang zu finden. Die Belegschaft des beliebten Restaurants am Times Square hat es nicht leicht. Ein Labyrinth aus Winkeln und Gängen führt in die riesige Küche. Estela (Anna Diaz) bahnt sich mit Hilfe eines der Angestellten ihren Weg. Sie ist neu in der Stadt und hofft auf einen Job. Ihr Englisch ist unsicher, aber sie ist entschlossen, und einen Kontakt hat sie auch.

Sie kennt einen der Köche, Pedro (Raúl Briones Carmona), mit dem sie als Kind in ihrer mexikanischen Heimat aufgewachsen ist. Er arbeitet schon seit drei Jahren im The Grill und hofft, dass ihm sein Chef bald die nötigen Einwanderungspapiere besorgt. Denn so wie fast alle, die hier arbeiten, ist auch Pedro illegal im Land. Aber er ist voller Träume, Energie und Hoffnung, dass er es im Leben zu mehr bringen kann.

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Seine große Liebe hat er bereits gefunden. Die junge Amerikanerin Julia (Rooney Mara) arbeitet im Restaurant als Kellnerin. Ihre Gefühle für Pedro sind ähnlich stark, sie teilen den gleichen Humor, haben ein ähnliches Temperament. Aber Julia weiß, ohne Papiere ist ihre Beziehung zu Pedro ein Risiko, das sie nicht eingehen will.

„La Cocina“: Weiche Bilder, rasantes Tempo

Der mexikanische Autor und Regisseur Alonso Ruizpalacios hat in „La Cocina“ das gleichnamige Bühnenstück von Arnold Wesker verfilmt. Der Film gleicht einer Mischung aus Robert Altmans New Hollywood-Kino und der Serie „Narcos“ (Ruizpalacios hat eine Episode der Serie gedreht), nur dass es hier nicht um Drogen, sondern um am Fließband produziertes Fast Food geht. Die mal verschwommenen, mal wie überbelichteten Schwarz-Weiß-Bilder geben der Geschichte etwas Nostalgisches, Weiches. Das Tempo ist rasant. Wer in der Großraumküche überleben will, muss sich dem straffen Rhythmus anpassen, mit dem hier Burger, Sandwiches und Hummer zubereitet werden. Wer zu langsam ist oder stolpert, hat keine Chance.

Die Tragödie, die in der Geschichte verborgen liegt, spitzt sich zu, als Pedro beschuldigt wird, Geld aus der Kasse gestohlen zu haben, um Julia eine Abtreibung zu ermöglichen. Aber es ist nicht das große Drama, mit dem Ruizpalacios in seiner Inszenierung am erfolgreichsten ist. Es ist das feine Gefühl, das er für die Atmosphäre hinter den verschlossenen Küchentüren entwickelt, die „La Cocina“ streckenweise zu einem berauschenden Kinoerlebnis macht. Leider verliert sich der Film insgesamt zu sehr in seiner Faszination für die komplexen Abläufe, die das hierarchische Küchensystem am Laufen halten, und steuert schließlich auf eine Katastrophe zu, die wenig überzeugend erscheint.


Wir lieben Spekulation: Unser Bärometer ist die Chancen-Prognose für den Goldenen Bären, den Hauptpreis im Wettbewerb der Berlinale. Für „La Cocina“ mutmaßen wir: 60 Prozent.


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