Berlinale 2024

„Shambhala“: Die schroffe Schönheit der Berge

„Shambhala“ ist der erste nepalesische Film, der im Wettbewerb der Berlinale vertreten ist. Regisseur Min Bahadur Bham führt uns in den Himalaya, zeigt uns die schroffe Schönheit der Berge und folgt einer Frau auf einer mühevollen Reise. tipBerlin-Kritikerin Alexandra Seitz schreibt in ihrer Rezension, der Film sei spektakulär und zugleich ganz bescheiden und unaufdringlich.

Buddhistische Themen werden in „Shambhala“ vor atemberaubenden Kulissen verhandelt. Foto: Aditya Basnet/Shooney Films

„Shambhala“: Eine in mehrerlei Hinsicht strapaziöse Reise

Ein abgelegenes Dorf hoch oben im nepalesischen Himalaya; weit und breit weder Baum noch Strauch, stattdessen die schroffe Schönheit der Berge und unerbittliches Wetter. Hier also heiratet Pema Tashi und übernimmt damit gleich noch die Verantwortung für dessen Brüder Karma und Dawa. Karma ist Mönch und geht nach der Feierlichkeit bald wieder zurück ins Kloster, Dawa ist ein Lausbub, der Pema noch einigen Ärger einbringen wird. Denn als Tashi sich auf eine monatelange Handelsreise nach Lhasa begibt, muss Pema für den Buben beim Dorflehrer Ram Sir um Nachhilfe bitten.

Und als wenig später Pemas Schwangerschaft offenbar wird, setzt sich ein Gerücht in Bewegung, das auch die Ohren ihres Mannes erreicht – der daraufhin beleidigt in den Bergen bleibt. Das will nun wiederum Pema nicht auf sich sitzen lassen und macht sich auf die Suche, zunächst gemeinsam mit Karma, später dann alleine.

Es ist eine in mehrerlei Hinsicht strapaziöse Reise, die der nepalesische Filmemacher Min Bahadur Bham in „Shambhala“ unternimmt, und sie geht über zweieinhalb Stunden gemächlich vonstatten. Immer ist dabei Zeit für eine folkloristische Darbietung, einen Tanz, eine Sitte, ein Lied, das Spiel auf der Pferdekopfgeige.

Das Pferdchen stiehlt die Show

___STEADY_PAYWALL___

Als ein rein volkskundliches Vergnügen wäre dieser Wettbewerbsbeitrag von hoch droben und ganz weit weg – gedreht wurde auf Höhen zwischen 4000 und 6000 Metern – allerdings sehr missverstanden. Freilich, es sieht dort überall außerordentlich erstaunlich aus, und manchmal stehlen die Yaks und die Ziegen, vor allem aber Namkha, das stämmige Pferdchen, den nicht-professionellen Darsteller:innen ein wenig die Show. Doch den Titel eines mythischen Königreichs des Buddhismus trägt der Film ja nicht umsonst. Und so geht es also um eine innere Reise, und zugleich erzählt „Shambhala“ eine Emanzipationsgeschichte, oder vielmehr die Geschichte eines Klarwerdens.

Pema, die bereits mit ihrem Aufbruch gegen die Konventionen verstoßen hat, realisiert in ihrer Wanderung ihre innere Kraft und äußere Stärke. Im täglichen, mühevollen Einen-Schritt-vor-den-anderen-Setzen entfalten sich die existenziellen Fragen und stellen sich die einfachen Antworten ein. Dazu braucht es nicht viele Worte; wie von selbst ergibt sich die Erkenntnis der Lächerlichkeit des eifersüchtigen Ehemannes und weitergehend alles kleinlichen menschlichen Haders und Haderns.

„Shambhala“ ist fast schon ein Anachronismus

Das mag schließlich auch das Verdienst dieses weit gereisten, spektakulären und zugleich ganz bescheidenen Films sein: dass er uns die spirituelle Praxis, die ihn bis zum Bersten erfüllt, nicht aufdrängt, sondern auf schlichte Weise verständlich und plausibel macht. Eine Arbeit an der großen Gemeinsamkeit der Menschheit auf Erden, fast schon ein Anachronismus.


Das tipBerlin-Bärometer ist die Chancen-Prognose für den Goldenen Bären. Bei der Berlinale 2024 spekulieren wir, wer im Wettbewerb gut abschneiden wird. Unsere Rezension zu „Shambhala“ fällt zwar gut aus, aber die Chancen auf den Hauptpreis sehen wir bei nur 40 Prozent. Wer sind die Favoriten? Zum Beispiel der iranische Film „Keyke Mahboobe Man (My Favourite Cake)“ (zur Kritik), die herausragende Romanze „Black Tea“ (hier die Filmrezension), das starke deutsch-französische Generationenporträt „Langue Étrangère“ von Claire Burger, die harte historische Tragödie „Des Teufels Bad (The Devil’s Bath)“ mit Anja Plaschg oder „In Liebe, Eure Hilde“ mit der famosen Liv Lisa Fries. Gewonnen hat den Goldenen Bären dann am Ende der Dokumentarfilm „Dahomey“. Unsere Rezension zum Siegerfilm der Berlinale 2024.


Mehr zur Berlinale 2024

Wir berichten vom Berlinale-Wettbewerb 2024: Alle Filme im Überblick. Rasant, aber auch gut? „La Cocina“ in der Filmkritik. Hohes Niveau – bis zur Hälfte jedenfalls: Unsere Rezension zu „Sterben“ mit Lars Eidinger und Corinna Harfouch lest ihr hier. Das Monumentale liegt dem Dokumentaristen Victor Kossakovsky – Rezension zu seinem Film „Architecton“. Auch jenseits vom Wettbewerb 2024 sind die Filmfestspiele spannend, unter anderem wegen grandioser Filme wie dem Coming-of-Age-Drama „Ellbogen“. Und manches liegt uns besonders am Herzen: Hier sind 15 Filmtipps aus den anderen Sektionen der Berlinale 2024. Das Wichtigste zum Berlinale-Programm auf einen Blick. Und damit ihr nicht leer ausgeht: Über alles Wichtige zum Berlinale-Ticketkauf – wo, wann, wie teuer – halten wir euch auf dem Laufenden. Hungrig geworden? Wir empfehlen Restaurants rund um die Berlinale-Spielorte in der City West. Und auch hier haben wir Tipps: Restaurants rund um den Potsdamer Platz. Alle Texte zum internationalen Filmfestival in der Hauptstadt findet ihr auf unserer Themenseite zur Berlinale 2024

Keine Tickets für die Berlinale bekommen? Im Kino läuft auch sonst immer etwas Gutes. Hier ist das Programm. Mehr aus der Filmwelt lest ihr in unserer Kino-Rubrik.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin