Der schwedische Schauspieler Alexander Skarsgård spielt die Hauptrolle im Film „The Northman“ von Robert Eggers: Im Gespräch mit Patrick Heidmann spricht er über die anstrengenden Dreharbeiten und über die Faszination für Expeditionen an ferne Küsten.
Skarsgård war als Kind fasziniert von Wikinger-Ruinen
tipBerlin Herr Skarsgård, Sie sind nicht nur der Titelheld in „The Northman“, sondern waren als Produzent auch entscheidend am Entstehen des Films beteiligt. Was reizte Sie so sehr daran, eine Wikinger-Geschichte auf die Leinwand zu bringen?
Alexander Skarsgård Ich denke, dass mein Interesse an den Wikingern darin begründet liegt, dass mein Urgroßvater vor vielen Jahren ein Holzhaus auf der Ostseeinsel Öland baute. Die Insel wird nicht umsonst als Insel der Steinmonumente bezeichnet, denn man findet dort bis heute unglaublich viele Ruinen und Gräber aus der Wikinger-Zeit. Als Kind hat mich das unglaublich fasziniert. All diese Inschriften über Expeditionen und Abenteuer an fernen Küsten regten schon damals meine Fantasie an, und vermutlich wurde damit auch der Grundstein für meinen Wunsch gelegt, einen Film über Wikinger zu drehen.
tipBerlin Und wann wurde die Sache wirklich konkret?
Alexander Skarsgård Vor etwa zehn Jahren hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass die Zeit für mich reif sein könnte, mich als Produzent zu versuchen und das mit den Wikingern irgendwie anzugehen. Zumindest erschien es mir seither im Bereich des Machbaren zu liegen. Wirklich zu einem Projekt wurde die Sache dann allerdings erst vor fünf Jahren, als ich – eigentlich wegen einer anderen Geschichte – den Regisseur Robert Eggers kennen lernte und feststellte, dass er ein großer Fan nordischer Mythologie und der Wikingerzeit ist. Wir beschlossen dann, uns zusammenzutun, und er nahm Kontakt zum isländischen Schriftsteller und Dichter Sjón auf, mit dem er dann das Drehbuch schrieb.
„Wir wollten jeden Eindruck von Hochglanz vermeiden“
tipBerlin Eggers gilt als absoluter Perfektionist, der auf jedes noch so kleine Detail achtet. Er ließ Sie zum Beispiel den ganzen Dreh über das gleiche Paar Schuhe tragen, so wie es damals üblich gewesen wäre. Sind solche Spezifitäten für Ihre Arbeit als Schauspieler wichtig?
Alexander Skarsgård Ich finde es zumindest enorm hilfreich, wenn man an realen Locations dreht und sich am Set alles so anfühlt und aussieht, wie es vor 1000 Jahren tatsächlich gewesen wäre. Wenn jedes Stück Holz und jeder Nagel, ganz zu schweigen von den Kostümen wirklich authentisch ist, dann ist meine Arbeit als Schauspieler schon zur Hälfte getan. Dann muss ich gedanklich nicht erst abtauchen in die Welt des Films, sondern bin sofort mittendrin. In diesem Fall war uns diese Authentizität besonders wichtig, denn das Gefühl einer Hochglanz-Hollywood-Version der Wikingerzeit wollten wir unbedingt vermeiden. Bis hinein in die Sprache übrigens, weswegen die Mitarbeit von Sjón so wichtig war, der enorm vertraut ist mit dieser Kultur und der Geschichte. Dass wir auf Englisch drehten, ließ sich zwar nicht vermeiden. Doch davon abgesehen sollte niemand so klingen, wie man heute sprechen würde.
tipBerlin Sie gaben kürzlich zu Protokoll, dass Sie noch nie so anstrengende Dreharbeiten erlebt haben wie diese. Hat Sie Eggers’ Art zu arbeiten in den Wahnsinn getrieben?
Alexander Skarsgård Ich brauchte zumindest ein paar Wochen, um mich darauf einzustellen. Er plant im Vorfeld jede einzelne Szene so detailliert durch, dass ich mich als Schauspieler anfangs eingeengt fühlte. Doch als ich mit seinem Tanz zwischen Kamera und Schauspieler schließlich vertraut war, stellte sich plötzlich ein Gefühl von Freiheit ein.
tipBerlin Woher also kam die Anstrengung?
Alexander Skarsgård Rob dreht immer nur eine Einstellung, oft minutenlang, ohne Schnitt. Das kann frustrierend sein, wenn man 25 Mal die gleiche, vier Minuten lange Einstellung dreht und jedes Mal mit 100% Adrenalin bei der Sache ist. Das macht unfassbar müde. Manchmal lief alles super, doch dann sah Rob, dass irgendwo im Hintergrund ein Pferd in die falsche Richtung guckt – und wir mussten wieder von vorne anfangen. Denn einfach was herausschneiden oder nachträglich am Computer retuschieren, das kommt für ihn nicht in Frage. Da musste ich dann manchmal doch tief durchatmen, um meine Nerven nicht zu verlieren.
tipBerlin Respekt, dass da ein bisschen Atmen geholfen hat!
„Rob ist alles andere als ein Despot“
Alexander Skarsgård Noch viel wichtiger ist natürlich die Tatsache, dass Rob ein wirklich reizender Kerl und alles andere als ein Despot ist. Genauso wie sein Kameramann Jarin Blaschke. Da wurde nicht gebrüllt, um uns zu triezen, sondern das sind einfach zwei Perfektionisten mit enorm klaren Vorstellungen. Und weil sie im Vorfeld jede einzelne Einstellung zu Papier bringen, in kleinen Zeichnungen, die fast etwas von Renaissance-Gemälden haben, wissen wir Schauspieler immer genau, woran wir sind. Zu wissen, an was für einem beeindruckend aussehenden Film man da arbeitet, hilft beim Durchhalten enorm.
tipBerlin Hat Ihnen die Brutalität des Films ebenfalls zu schaffen gemacht?
Alexander Skarsgård Nicht in dem Sinne, dass mich das Kunstblut in meine Träume verfolgt hätte. Aber es war ein gutes Stück Arbeit, diese animalische Seite aus mir herauszuholen. Ich bin normalerweise sehr beherrscht, typisch skandinavisch eben. Mich regt nicht viel auf, ich bin ziemlich ausgeglichen und zeige eher wenig Emotionen. Doch vermutlich schlummert auch in mir noch ein winziger Rest der Wikinger-Berserker von vor vielen Jahrhunderten. Denn ich habe es als durchaus kathartisch empfunden, diese körperliche Intensität und so manchen Urschrei mal wirklich herauszulassen.
Außerdem in der Rubrik Kino auf unserer Seite: ein Film zeigt das Berghain, wie es war, bevor es der weltberühmte Club wurde; ein Gespräch mit dem Regisseur Alexander Koberidze über seinen Film „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen“; die Filmstarts der Vorwoche mit dem genialen Horrorfilm „The Innocents“. Und natürlich alles, was am 21. April anläuft – die Filmstarts der Woche.