Filmfestival

Hofer Filmtage 2023: Feindliche Umgebung

Die 57. Hofer Filmtage fanden vom 24. bis 29. Oktober 2023 statt. Das oberfränkische Filmfestival hatte auch 2023 wieder einige Perlen im Programm. tipBerlin-Redakteur Martin Schwarz war dabei und hat einige Betrachtungen mitgenommen.

Einer der sehenswerten Filme bei den Hofer Filmtagen 2023: „Acht Tage im August“ von Samuel Perriard. Foto: Catpics/Helios Sustainable Films

Hofer Filmtage 2023: Entwicklung zum Nachwuchsfestival

Nach dem überraschenden Tod von Heinz Badewitz, Gründer und langjähriger Leiter der Hofer Filmtage, im Jahr 2016 hat sich das Filmfestival in Oberfranken unter seinem Nachfolger Thorsten Schaumann noch stärker zum reinen Nachwuchsfestival entwickelt. Traten in vergangenen Jahrzehnten Filme wie „Männer“, „Out of Rosenheim“ oder „Vier Minuten“ ihren Siegeszug durch die Kinos hier an, so muss man mittlerweile nicht nur bei der Regie, sondern sogar bei den Schauspielern und Schauspielerinnen nach vertrauten Namen suchen, dient doch solche Prominenz dazu, sich im Dickicht des Festivalprogramms zu orientieren.

Eröffnungsfilm der Hofer Filmtage 2023: „15 Jahre“ von Chris Kraus. Foto: Film West/Four Minutes Filmproduktion/Wild Bunch Germany/Roland Horn

Apropos „Vier Minuten“: Der Filmemacher Chris Kraus ist dem Festival als einer der wenigen Prominenten stets treu geblieben und präsentierte nun folgerichtig „15 Jahre“, die Fortsetzung von „Vier Minuten“, als Eröffnungsfilm. Erneut ist Hannah Herzsprung kraftvoll in die Rolle der Jenny von Loeben geschlüpft, jenes Klaviergenie, das in Teil 1 eine Freiheitsstrafe für einen Mord verbüßte, den sie nicht begangen hat. Liebe war der Grund für diese Entscheidung, doch der Angebetete hat das nie goutiert. Jenny ist mittlerweile frei. Zu einer Wiederbegegnung kommt es, als die Pianistin sich entscheidet, bei einer Castingshow teilzunehmen, die der Ex moderiert. Das ist mit 142 Minuten lang, mitunter – wie gerne bei Kraus – emotional over the top und nicht ohne Zynismus, aber durchaus packend.

Der Wald als Rettungsort

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Ähnlich intensiv wie Herzsprung agiert Brigitte Hobmeier in „Wald“ der Österreicherin Elisabeth Scharang. Etwas Schlimmes ist passiert, deshalb hat sich die Journalistin Marian Malin (Hobmeier) in das Haus ihrer Kindheit nahe einem kleinen Städtchen zurückgezogen. Nicht die beste Entscheidung, bekommt sie es dort doch mit Personen zu tun, die ihr nicht wohlgesonnen sind, und mit nie verarbeiteten Konflikten. Ein starker Film über das Gestern und Heute, über Freundschaften, Familienbande und das, was wirklich zählt.

Hofer Filmtage 2023 mit Florian Lukas und Julia Jentsch

Ein prominentes Paar war dann doch noch zu finden im Spielfilmprogramm: Florian Lukas und Julia Jentsch. In „Acht Tage im August“ des Schweizers Samuel Perriard spielen sie das Ehepaar Adam und Helena, das wie jedes Jahr mit ihrem Sohn Finn Urlaub in Süditalien macht, diesmal mit einem befreundeten Paar. Wie nun der Unbill vor allem über Adam hereinbricht, das lässt die eigentlich idyllische Szenerie zum Albtraum mutieren.

Schleimkeim-Doku: Otze und die Punks aus Thüringen

Großartig: „Schleimkeim – Otze und die DDR von unten“. Foto: Hofer Filmtage

Genau dies lässt sich als loser roter Faden für etliche Filme konstatieren: Menschen im Kampf mit ihrem Umfeld. Und das gilt auch für manchen Dokumentarfilm. In der großartigen Doku „Schleimkeim – Otze und die DDR von unten“ erzählt Filmemacher Jan Heck von Schleimkeim, der ersten DDR-Punkband. Mit zahlreichen Zeitzeugen und Archivmaterial entsteht das Porträt junger Menschen, die Anfang der 80er-Jahre gegen die bestehenden Verhältnisse revoltierten und dabei Repressalien und sogar Knast in Kauf nahmen. Im Zentrum steht dabei der jung verstorbene Bandgründer Dieter „Otze“ Ehrlich.

Ihre Umgebung zurechtgeschustert haben sich der Pädagoge Damian Gsponer und sein Team. Sie haben im Schweizer Dorf Bratsch 2016 eine Schule übernommen und setzen dort seither eine alternative Herangehensweise ans Lernen um, bei der die Schüler und Schülerinnen in praktische Arbeiten aller Art involviert werden. Das Besondere: Das Dorf und seine Einwohner sind in diesen Prozess integriert. Norbert Wiedmer lässt in seiner Langzeitdokumentation einige Lernende in den Vordergrund treten und führt ein spannendes Schulprojekt vor, das ohne Noten auskommt.

„Bratsch“: ein spannendes Schulprojekt. Foto: Hofer Filmtage

In „Wer hat Angst vor Braunau? Ein Haus und die Vergangenheit in uns“ ist das mit dem Umfeld umgekehrt. Es sind die Bürger von Braunau, die einigermaßen souverän mit jenem Gebäude umgehen, in dem 1889 Adolf Hitler zur Welt kam. Schwierigkeiten haben eher die Behörden, die nicht so recht wissen, wie sie mit diesem schwierigen Erbe umgehen sollen. Der Film von Günter Schwaiger ist eine Bestandsaufnahme, die den Umgang der Nachfolgegeneration mit der nationalsozialistischen Vergangenheit thematisiert und dabei das eigene Befinden des Filmemachers nicht ausspart.

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