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Festival „Coming of Age“ in den Sophiensaelen: Alle Aspekte des Alterns

Die Sophiensaele versöhnen Jung und Alt beim Performance-Festival „Coming of Age“ und widmen sich bis zum 7. November in Premieren, Gastspielen und Diskussionen verschiedenen Facetten des Alterns in der Gesellschaft. Generationengerechtigkeit ist ein wichtiges Thema, wobei es nicht um Alt gegen Jung geht, sondern um Erfahrungsaustausch, Familienverhältnisse und prekäres Leben. Ein Ausblick auf die wichtigsten Veranstaltungen.

Familienaufstellung: Die Performance „A Family Outing – 20 Years On“ von Ursula Martinez und ihrer dementen Mutter gastiert auf dem Festival "Coming of Age". Foto: Hugo Glenndinning
Familienaufstellung: Die Performance „A Family Outing – 20 Years On“ von Ursula Martinez und ihrer dementen Mutter gastiert auf dem Festival „Coming of Age“. Foto: Hugo Glenndinning

Cora Frost tritt beim „Coming of Age“-Festival auf

Die Sängerin und Performancekünstlerin Cora Frost war ein Kind, fünf oder sechs Jahre alt, als sie sich ein Herz fasste und bei ihren Nachbarn im Erdgeschoss klingelte. Es waren der Schauspieler Walter Laden­gast, ein häufiger Nebendarsteller des alten wie Neuen Deutschen Films (1899-1980), und seine Frau Jutti. Die beiden ließ sie hinein und damit begann zwischen Klein-Cora und dem alten Paar eine „Freundschaft bis in den Tod“. Aus dem Nachlass – Tonbänder, Tagebücher, Gedichte, Fotoalben – erstellt Cora Frost in den Sophiensaelen die performative Installation „Sogar dein Tod war ein Geschenk“ (21.–24.10.), in der sie ein Menschen- und Künstlerleben aufleben lässt, auch als, wie sie sagt, „Beispiel für eine wundersame Freundschaft zweier Generationen“.

Frosts Produktion gehört zum Programm des generationsübergreifenden Festivals „Coming of Age“ der Sophiensaele. „Wir merkten, dass das Thema Altern und die Auseinandersetzung der Babyboomer mit der Elterngeneration durchaus akut ist, als gleich mehrere Künstler:innen Projekte mit solchen Themen an uns herangetragen haben“, sagt Joy Kristin Kalu, die leitende Dramaturgin der Sophien­saele. Gemeinsam mit ihrer Intendantin Franziska Werner bündelte sie die Projekte mit weiteren Produktionen zum Festival „Coming of Age“.

„Coming of Age“ zeigt: Altern ist auch eine Geldfrage

Bis in den November hinein widmet sich das Produktionshaus in Premieren, Gastspielen und Diskussionen den verschiedenen Facetten des Alterns in der Gesellschaft. „Wir stellen hier auch die Frage nach Gerechtigkeit im Alter, gerade im Blick auf die Freie Szene“, sagt Kalu. „Was heißt das eigentlich, auch nach Jahren als Freie Kunstschaffende, sich immer noch von Projekt zu Projekt hangeln zu müssen?“ Die Erfahrungen der Pandemie haben den Künstler:innen die ökonomische Unsicherheit ihrer Zunft deutlich vorgeführt. Kaum oder lange fehlende Ausgleichshilfen machten klar, dass berufliche Erfolge und künstlerische Anerkennung nicht unbedingt vor materieller Not schützen.

Körper als Experimentierfeld: Doris Uhlich macht sich selbst in „Tank“ beim Festival "Coming of Age" zu einem Versuchsobjekt – bis ihre Mutter in die Performance platzt. Foto: Katja Illner
Körper als Experimentierfeld: Doris Uhlich macht sich selbst in „Tank“ beim Festival „Coming of Age“ zu einem Versuchsobjekt – bis ihre Mutter in die Performance platzt. Foto: Katja Illner

Das Thema bedrückt auch andere prekär Beschäftigte jenseits der 40. Zumal beileibe nicht alle Boomer mit einem üppigen Erbe rechnen können, dafür aber mit Eltern, die womöglich pflegebedürftig werden. „Wie können wir altern und uns erlauben, uns um die Eltern zu kümmern?“, ist laut Kalu eine der Fragen, die das Festival aufwirft. Es geht neben der künstlerischen Auseinandersetzung um „Erfahrungsaustausch“ und „Wissenstransfer“, um „Nachhaltigkeit“ – und beileibe nicht um Alt gegen Jung.

Queere Sterbebegleitung und „Ok boomer“-Musical

Eröffnet wird „Coming of Age“ mit der Premiere von „Thank you for your effort, even if these requests cannot be fulfilled“. Es geht um queere Sterbebegleitung und neue Formen des Hospizes abseits von konventionellen Familienverhält­nissen. In „The History Of Korean Western Theatre“ geht der koreanisch-belgische Performer Jaha Koo in den humorvollen Austausch über Abschied, Verlust und Hoffnung mit seinem kleinen Sohn, der Großmutter und einem Reiskocher (24.+25.9.). Die britische Performerin und Underground-Kabarettistin Ursula Martinez überprüft 20 Jahre nach einem gemeinsam mit ihren Eltern gespielten Familien­stück in „A Familiy Outing – 20 Years On“, wie wir werden, wer wir sind (24.+25.9.). Der englischer Vater ist inzwischen verstorben, ihre spanische Mutter leidet an Demenz im Frühstadium.

In „Deep Godot“ lässt die Gruppe Interrobang Besuchende in einem One-on-One-Setting mit Künst­licher Intelligenz kommunizieren (9., 10., 13.-17.10.). Um Vergänglichkeit und Körpermodifikationen dreht sich „Tank“ von der Wiener Tänerzin und Choreografin Doris Uhlich (20.+21.10.), und das Musical „Ok boomer“ (18.-20.9.) geht anhand von Pop-Hits auf eine generationsübergreifende Zeitreise durch die letzten Jahrzehnte. Und so gilt wohl auch auf diesem Generationen-Festival der auf manchen Familienfeiern gern mal geäußerte Spruch: „So jung kommen wir nicht mehr zusammen.“

  • Sophiensaele Sophienstr. 18, Mitte, bis 7.11., Programm und Tickets hier

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