Berlin verstehen

Bäcker, Schuhmacher, Goldschmied: Das Berliner Handwerk im Wandel der Zeit

Diesen Satz hört man auch in Berlin immer öfter: Handwerk hat goldenen Boden. Zwar wollen sich die Millennials und Digital Natives gefühlt alle als Club-DJs, Youtube-Stars oder It-Girls verwirklichen, doch am Ende müssen immer noch Häuser gebaut, Brot gebacken und Schuhe gemacht werden. Und gerade fehlen Handwerker, fast überall, und ohne Handwerk hat eine Gesellschaft wenig Zukunft, das sagt nicht nur die Berliner Handwerkskammer, sondern die Vernunft. Zwar reicht die Geschichte des Berliner Handwerks naturgemäß bis zur Zeit der Stadtgründung vor bald 800 Jahren, hier blicken wir aber nicht ganz so weit zurück. Doch auch seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich das Handwerk in Berlin sehr gewandelt. Viel Spaß auf der „handwerklichen“ Foto-Zeitreise.


Schriftsetzerin – Als Nachrichten noch „gemacht“ wurden

Schriftsetzerin in einer Druckerei beim Setzen von Schriften. Foto: Imago/Frontalvision.com
Schriftsetzerin in einer Druckerei beim Setzen von Schriften, 1950er-Jahre. Foto: Imago/Frontalvision.com

Bevor der Offset-Druck und moderne Drucktechniken den ehrwürdigen Beruf der Schriftsetzer überflüssig machten, waren die Setzkästen mit den Bleilettern ein elementarer Bestandteil der Verlagsbranche. In der Zeitungsstadt Berlin, deren Geschichte bis heute im Zeitungsviertel spürbar ist, war das Handwerk natürlich recht verbreitet. Nach dem Krieg haben auch Frauen den Job gemacht.


Maurer bei den Bauarbeiten in der Stalinallee

Junge Maurer bei Bau der Arbeiterpaläste in der Stalinallee, 1953. Foto: Imago/Frontalvision.com
Junge Maurer bei Bau der Arbeiterpaläste in der Stalinallee, 1953. Foto: Imago/Frontalvision.com

Die Karl-Marx-Allee zwischen Mitte und Friedrichshain hieß nach dem Krieg Stalinallee, ungezählte Maurer arbeiteten dort an der architektonischen Überlegenheit der DDR. Die Arbeiterpaläste sollten den Erfolg des Sozialismus widerspiegeln und suggerieren, dass bald alle Menschen so luxuriös leben würden, wenn das System erst richtig in Fahrt käme. Ganz so blühend verliefen die Bauarbeiten aber nicht. Am 17. Juni 1953 eskalierten die Proteste und die sowjetischen Soldaten schlugen den Aufstand brutal nieder. 


Wenn Berliner Pfannkuchen machen

Handwerk in Berlin: Bäcker beim Verzehr der von ihnen gefertigten Pfannkuchen, 1960er-Jahre. Foto: Imago/Imagebroker
Bäcker beim Verzehr der von ihnen gefertigten Pfannkuchen, 1960er-Jahre. Foto: Imago/Imagebroker

Berliner heißen in Berlin nicht Berliner, wer es wagt, das leckere Schmalzgebäck in der Hauptstadt so zu nennen, begeht Blasphemie. Daran müssen sich Zugezogene gewöhnen! Pfannkuchen heiß es, das ist bei der Bäckerzunft hier schon immer so gewesen. In den 1960er-Jahren schmeckte es dem Team ganz besonders gut und in über einem halben Jahrhundert hat sich wenig an der Tatsache verändert.


Schornsteinfeger auf den Dächern Berlins

Schornsteinfeger auf den Dächern Berlins, 1978. Foto: Imago/Werner Schulze
Schornsteinfeger auf den Dächern Berlins, 1978. Foto: Imago/Werner Schulze

Der Klassiker unter den Dach-Aktivitäten ist natürlich beruflicher Natur. Bevor Partymacher und Imker die Dächer für sich erschlossen, waren die Herren in Schwarz mit ihren Bürsten und Leitern auch den Dächern in Berlin unterwegs. Die Schornsteinfeger auf diesem Foto aus dem Jahre 1978 hatten ebenso einen guten Blick über die Stadt wie ihre Kollegen von heute.


Goldschmied bei der Arbeit

Goldschmied bei der Arbeit, 1980. Foto: Imago/Frank Sorge
Goldschmied bei der Arbeit, 1980. Foto: Imago/Frank Sorge

Genauso wie Brot, Schuhe und Metallwerkzeug, müssen auch feine Halsketten und Trauringe hergestellt werden. Diese altehrwürdige Aufgabe übernehmen seit jeher die Goldschmiede, vielleicht so etwas wie die Könige unter den Handwerkern. Dieses Foto entstand 1980 in einer Berliner Goldschmiede-Werkstatt und so ein klein muss man an Gandalf und die Hobbits denken. Ist das der Herr der Ringe aus Berlin-Pankow?


Kunstgießer bei der Arbeit

Kunstgießer bei der Vorbereitung einer Abgussform für das Ernst-Thälmann-Denkmal in der Eisengießerei Lauchhammer, 1986. Foto: Imago/PEMAX
Kunstgießer bei der Vorbereitung einer Abgussform für das Ernst-Thälmann-Denkmal in der Eisengießerei Lauchhammer, 1986. Foto: Imago/PEMAX

Wer kennt nicht den Ernst-Thälmann-Park in Prenzlauer Berg? Die Hochhäuser an dem nach dem berühmten KPD-Politiker benannten Park im Prenzlauer Berg stehen längst unter Denkmalschutz und auch das in den 1980er-Jahren aufgestellte Denkmal gilt als Sehenswürdigkeit. Mehr über Parks in Prenzlauer Berg lest ihr übrigens hier.


Vietnamesischer Vertragsarbeiter in der Metallverarbeitung

Handwerk in Berlin: Vietnamesische Vertragsarbeiter in den Werkshallen eines Volkseigenen Betriebes in Ost-Berlin, 1990. Foto: Imago/Werner Schulze
Vietnamesische Vertragsarbeiter in den Werkshallen eines Volkseigenen Betriebes in Ost-Berlin, 1990. Foto: Imago/Werner Schulze

Etwa 60.000 vietnamesische Vertragsarbeiter lebten dauerhaft zwischen 1980 und 1989 in der DDR. Ursprünglich sah der Vertrag von 1980 einen mehrmonatigen Sprachkurs sowie eine Berufsausbildung vor. Das wurde in der Realität jedoch kaum umgesetzt. Im SED-Staat fehlten vor allem un- und angelernte Arbeitskräfte. Für die Betriebe ergab es deswegen keinen Sinn, die Neuen auszubilden. 


Fleischer in der Groß-Fleischerei

Fleischer in der Groß-Fleischerei Heidebrecht & Kluge in der Beusselstraße in Berlin, 2001. Foto: Imago/Kai Horstmann
Fleischer in der Groß-Fleischerei Heidebrecht & Kluge in der Beusselstraße in Berlin, 2001. Foto: Imago/Kai Horstmann

In Berlin gibt es einige gute Fleischer. Unter den Schlachtern und Metzgern sind echte Traditionsbetriebe, ein Blutwurst-Ritter und ein Neuland-Pionier. Egal, ob ihr den (Elektro-)Grill anschmeißt, für Feiertage einkauft oder euch einfach mal wieder ein gutes Steak in die Pfanne hauen wollt: In diesen Berliner Fleischereien werdet ihr fündig.


Schuhmacher-Azubi in Friedrichshain

Schuhmacher-Azubi beim Besohlen eines Schuhs in Friedrichshain, 2001. Foto: Imago/Sabine Gudath
Schuhmacher-Azubi beim Besohlen eines Schuhs in Friedrichshain, 2001. Foto: Imago/Sabine Gudath

Das Traditionshandwerk muss sich im Zeitalter der Massenproduktion gegen die internationalen Konzerne durchsetzen. Ein ungleicher Wettbewerb. Kleine Manufakturen können mit Qualität und der eigenen Geschichte überzeugen und bewusste Kundschaft an sich binden, etwa der Pantoffelmacher Jünemann in Mitte. Dieser junge Mann lernt den Beruf des Schuhmachers in einer Werkstatt in Friedrichshain. Wer Handwerk schätzt, verhält sich übrigens nachhaltig. Denn statt der Einweg-Sneaker aus dem Kaufhaus ist ein guter Schuh vom Fachmann oft eine (fast) lebenslange Investition.


Maler und Lackierer im Ausbildungszentrum

Handwerk in Berlin: Azubis zum Maler und Lackierer im Ausbildungszentrum Wedding, 2006. Foto: Imago/Thomas Köhler/Photothek
Azubis zum Maler und Lackierer im Ausbildungszentrum Wedding, 2006. Foto: Imago/Thomas Köhler/Photothek

Viele junge Menschen haben keine Lust auf die alten Handwerksberufe, davon können nicht nur die Berliner Betriebe ein Lied singen. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt von Jahr zu Jahr. Dabei verdienen Handwerker gar nicht mal so schlecht und gebraucht werden sie immer. Die Zukunftsperspektiven stimmen also. Und man kann sich auch durchaus in Handwerksberufen selbst verwirklichen, so wie diese Azubis, die ihre Leidenschaft für Graffiti im Ausbildungszentrum Wedding ausleben können.


Junge Tischlerinnen in der Werkstatt

Junge Mädchen bearbeiten Holz während des "Girls Day" in einer Tischlerwerkstatt in Weißensee, 2007. Foto: Imago/Reiner Zensen
Junge Mädchen bearbeiten Holz während des „Girls‘ Day“ in einer Tischlerwerkstatt in Weißensee, 2007. Foto: Imago/Reiner Zensen

Frauen im Handwerk sind ein Politikum. Viele Traditionsberufe galten lange als Männerdomäne, und auch wenn sich die Situation ändert, tut sie es oft nur langsam. Beim Girls‘ Day bekommen junge Frauen die Möglichkeit, (nicht nur) in Handwerksberufe reinzuschnuppern. So wie diese jungen Mädchen, die sich als Tischlerinnen in einer Werkstatt in Weißensee versuchen.


Dudelsäcke nach Maß – Ein Instrumentenbauer am Werk

Handwerk in Berlin: Matthias Branschke in seiner Dudelsackmanufaktur, 2021. Foto: Imago/A. Bugge/Future Image
Matthias Branschke in seiner Dudelsackmanufaktur, 2021. Foto: Imago/A. Bugge/Future Image

Die Schnittstelle zwischen Kreativität, Berufung und Können ist der magische Moment im Handwerk. Zugegeben, das ist nicht in jedem Bereich gleichermaßen möglich. Aber auch als Steinmetz, Bäcker oder Fleischer kann man in Großbetrieben alles so machen, wie es „schon immer gemacht wurde“. Oder aber man wagt etwas und sucht nach eigenen Wegen, um den Beruf in die Zukunft zu führen. Zu den spannendsten Handwerksberufen gehören sicherlich auch die Instrumentenbauer, etwa Matthias Branschke (Foto), der in Weißensee eine Dudelsackmanufaktur betreibt.


Mehr Berlin

Einige Themen jenseits vom Handwerk, aber ganz klar in Berlin! Ihr lebt schon immer oder zumindest seit einer halben Ewigkeit hier? Diese Dinge kennt jeder, der im West-Berlin der 1980er-Jahre gelebt hat. Ihr seid auf der anderen Seite groß geworden? 12 Dinge, die alle kennen, die im Ost-Berlin der 1980er-Jahre gelebt haben. Mehr aus der Vergangenheit der Stadt lest ihr in der Rubrik Geschichte, was heute Berlin bewegt, erfahrt ihr in der Stadtleben-Rubrik.

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