Berlin verstehen

Prenzlauer Berg in den 80ern: Eine Zeitreise in 12 Fotos

Heute ist Prenzlauer Berg vor allem als Paradebeispiel der Gentrifizierung bekannt. Überall reiche Erben, Muttis mit Kinderwagen und Altbau-Wohlstand. Und auch, wenn das etwas übertrieben ist – Prenzlauer Berg hat sich verändert. Bis zur Wende war er ein beschaulicher und ziemlich sanierungsbedürftiger Berliner Stadtteil.

Rentner, Arbeiter, Punks und Studenten teilten sich die kohlenbeheizten Mietskasernen. Trabis und Wartburgs standen herum, und auf den Hinterhöfen spielten Kinder im Geröll. Wir haben 12 Fotos herausgesucht, die Prenzlauer Berg in den 1980er-Jahren zeigen. Eine Zeitreise in Bildern.


Alltag

Fotos von Prenzlauer Berg:
Gleimstraße in Prenzlauer Berg, Juni 1988. Foto: Imago/Seeliger

Wer heute in der Gleimstraße aufsteht, schaut erst mal auf sein Smartphone, trinkt einen entkoffeinierten Cappuccino und isst ein Superfood-Frühstück mit Chiasamen und Avocado. Danach schwingt man sich auf den E-Roller oder das Vintage-Rennrad und düst zur Agentur oder ins Atelier. 1988 begann der Alltag in der Gleimstraße vermutlich noch etwas anders.


Hochbahn

Schönhauser Allee, August 1985. Foto: Imago/Frank Sorge

Damals wie heute fuhr die orangefarbene Bahn über die Gleise auf der Schönhauser Allee. Die Hochbahn bestimmte den Rhythmus des Bezirks und tut es bis jetzt, auch wenn sich alles andere verändert hat.


Kinder

Kinder spielen auf einem Hof in der Kastanienallee mit einem alten Auto, Oktober 1986. Foto: Imago/Christian Thiel

Dass dieses Foto 1986 entstanden ist, mag man kaum glauben. Die Szene mit den auf dem Hinterhof spielenden Kindern, zwischen Schrottwagen und Geröll, hätte auch in den 1960er-Jahren stattfinden können oder direkt nach dem Krieg. Heute spielen die Kinder in der Kastanienallee vermutlich nicht mehr so analog.


Höfe

Brandmauer in der Pappelallee Berlin-Prenzlauer Berg, 1989. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Brandmauer, karger Hof, ein einzelner Trabi. Die Pappelallee schlummert noch. Die Höfe waren nicht begrünt, sondern eher Trümmerhaufen, auf denen Mülltonnen vor sich hin stanken. Aber auch viele kleine Handwerksbetriebe und Garagen fanden dort Platz und irgendwann haben Künstler und Musikbands die Freiräume hinter den Vorderhäusern für sich entdeckt. Heute sind Berlins Hinterhöfe für mehr Überraschungen gut.


Bauarbeiter

Fotos von Prenzlauer Berg:
Ein tätowierter Bauarbeiter auf einer Straße in Prenzlauer Berg, um 1982. Foto: Imago/Ilse Ruppert/Photo12

Heute ist Prenzlauer Berg ein durch und durch gentrifizierter, wohlhabender und sanierter Stadtteil. Die Immobilienpreise sind zwischen Kollwitzplatz und Kastanienallee astronomisch, die Restaurants vorzüglich, und die Boutiquen verkaufen regional und nachhaltig produzierte Waren für die aus dem Westen zugezogenen Akademiker und ihren Nachwuchs. Alles in allem ist Prenzlauer Berg ein cooler Bezirk. Diese Fotos zeigen die Lebenswirklichkeit vor 1989. Etwa den lustigen Bauarbeiter, der 1982 für die Fotografin Ilse Ruppert posierte, mit der wir ein langes Interview über die wilden 1980er-Jahre geführt haben.


Gaststätten

Gaststätte am Wasserturm, Knaack -Ecke Rykestraße, März 1987. Foto: Imago/Christian Thiel

Noch ein Feierabendbier in der Gaststätte am Wasserturm. Die Fassaden sehen aus, als wären sie seit dem Krieg nicht verputzt worden, und wahrscheinlich war das auch so. In den Kneipen gab es frisch Gezapftes und zwischen Malochern und Angestellten mischten sich nach und nach auch die Bohemiens, die den Bezirk als ihre neue Heimat auserkoren haben.


Telefone

Öffentliches Telefon an einer Häuserecke in Prenzlauer Berg, um 1984. Foto: Imago/NBL Bildarchiv

Ost-Berlin in den 1980er-Jahren war nicht nur politisch eine andere Zeit. Es gab damals auch wenige Telefone und kein Internet, auch deshalb tickten die Uhren anders. Die meisten Wohnungen hatten keinen eigenen Anschluss, da war ein öffentlicher Münzfernsprecher ganz sinnvoll. Mehr Dinge, die (fast) aus Berlin verschwunden sind.


Kohle

Fotos von Prenzlauer Berg:
Kohlenwagen in der Rykestraße in Prenzlauer Berg, um 1986. Foto: Imago/Christian Thiel

Spätestens ab Oktober legte sich eine feine Staubschicht über Berlin, dann ging die Heizsaison los. Da unterschieden sich übrigens Ost- und West-Berlin nicht sehr voneinander. In Kreuzberg und Neukölln bedeckte Kohlenstaub im Winter die Schneedecke genauso wie in Mitte oder Prenzlauer Berg. Die Kohlenhändler hatten viel zu tun. Heute sind sie weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden.


Punks

Fotos von Prenzlauer Berg:
Besetzte Wohnung in Prenzlauer Berg, um 1982. Foto: Imago/Ilse Ruppert/Photo12

Viele Prenzlauer Berger hatten keine Lust mehr auf die maroden Wohnungen ohne vernünftige Heizung, oft mit Außentoilette und undichten Fenstern. Man zog gerne nach Marzahn in die Platte. Dort funktionierte alles und war sauber. In den 1980er-Jahren begannen so Wohnungen leer zu stehen, die dann findige Ost-Punks kurzerhand besetzten. Die Geschichte der besetzten Häuser in Berlin erzählt auch die Geschichte der Stadt.


Bier

Fotos von Prenzlauer Berg:
Leerer Rollstuhl vor einer Gaststätte in der Dunckerstraße, um 1983. Foto: Imago/Imagebroker /Carsten Milbret

Die Geschichte der Berliner Bierbrauereien muss an anderer Stelle erzählt werden, aber natürlich war auch Prenzlauer Berg eine Biergegend und die Werbeschilder für „Schultheiss Qualitätsbier“ lockten ins Innere der Gaststätten. Sie zeugten aber auch von einer kleinen Vereinigung vor der Wiedervereinigung. Denn Schultheiss hat man natürlich auch in West-Berlin getrunken.


Autos

Fotos von Prenzlauer Berg:
Wohnhäuser in der Rykestraße, August 1985. Foto: Imago/Frank Sorge

Die Autohersteller Trabant und Wartburg dominierten in Prenzlauer Berg der 1980er-Jahre die Straßen. So wie in der restlichen DDR auch. Die Parkplatzsituation war damals naturgemäß nicht ganz so katastrophal wie heute, aber mit den Jahren verdichtete sich auch in der Rykestraße und Umgebung der Verkehr.


Die Zeiten ändern sich…

Fotos von Prenzlauer Berg: Kind mit Fenster in der Choriner Straße, 1988.
Kind mit Fenster in der Choriner Straße, 1988. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Nach der Wende wurde alles anders in Prenzlauer Berg und nicht nur dort. 1988 geht dieser Junge mit einem Fenster die Choriner Straße entlang. Einer ungewissen Zukunft entgegen, möchte man sagen. Dabei wusste er damals vermutlich sehr genau, wo er hin will.


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