Heute ist Prenzlauer Berg vor allem als Paradebeispiel der Gentrifizierung bekannt. Überall reiche Erben, Muttis mit Kinderwagen und Altbau-Wohlstand. Und auch, wenn das etwas übertrieben ist – Prenzlauer Berg hat sich verändert. Bis zur Wende war er ein beschaulicher und ziemlich sanierungsbedürftiger Berliner Stadtteil.
Rentner, Arbeiter, Punks und Studenten teilten sich die kohlenbeheizten Mietskasernen. Trabis und Wartburgs standen herum, und auf den Hinterhöfen spielten Kinder im Geröll. Wir haben 12 Fotos herausgesucht, die Prenzlauer Berg in den 1980er-Jahren zeigen. Eine Zeitreise in Bildern.
Alltag
Wer heute in der Gleimstraße aufsteht, schaut erst mal auf sein Smartphone, trinkt einen entkoffeinierten Cappuccino und isst ein Superfood-Frühstück mit Chiasamen und Avocado. Danach schwingt man sich auf den E-Roller oder das Vintage-Rennrad und düst zur Agentur oder ins Atelier. 1988 begann der Alltag in der Gleimstraße vermutlich noch etwas anders.
Hochbahn
Damals wie heute fuhr die orangefarbene Bahn über die Gleise auf der Schönhauser Allee. Die Hochbahn bestimmte den Rhythmus des Bezirks und tut es bis jetzt, auch wenn sich alles andere verändert hat.
Kinder
Dass dieses Foto 1986 entstanden ist, mag man kaum glauben. Die Szene mit den auf dem Hinterhof spielenden Kindern, zwischen Schrottwagen und Geröll, hätte auch in den 1960er-Jahren stattfinden können oder direkt nach dem Krieg. Heute spielen die Kinder in der Kastanienallee vermutlich nicht mehr so analog.
Höfe
Brandmauer, karger Hof, ein einzelner Trabi. Die Pappelallee schlummert noch. Die Höfe waren nicht begrünt, sondern eher Trümmerhaufen, auf denen Mülltonnen vor sich hin stanken. Aber auch viele kleine Handwerksbetriebe und Garagen fanden dort Platz und irgendwann haben Künstler und Musikbands die Freiräume hinter den Vorderhäusern für sich entdeckt. Heute sind Berlins Hinterhöfe für mehr Überraschungen gut.
Bauarbeiter
Heute ist Prenzlauer Berg ein durch und durch gentrifizierter, wohlhabender und sanierter Stadtteil. Die Immobilienpreise sind zwischen Kollwitzplatz und Kastanienallee astronomisch, die Restaurants vorzüglich, und die Boutiquen verkaufen regional und nachhaltig produzierte Waren für die aus dem Westen zugezogenen Akademiker und ihren Nachwuchs. Alles in allem ist Prenzlauer Berg ein cooler Bezirk. Diese Fotos zeigen die Lebenswirklichkeit vor 1989. Etwa den lustigen Bauarbeiter, der 1982 für die Fotografin Ilse Ruppert posierte, mit der wir ein langes Interview über die wilden 1980er-Jahre geführt haben.
Gaststätten
Noch ein Feierabendbier in der Gaststätte am Wasserturm. Die Fassaden sehen aus, als wären sie seit dem Krieg nicht verputzt worden, und wahrscheinlich war das auch so. In den Kneipen gab es frisch Gezapftes und zwischen Malochern und Angestellten mischten sich nach und nach auch die Bohemiens, die den Bezirk als ihre neue Heimat auserkoren haben.
Telefone
Ost-Berlin in den 1980er-Jahren war nicht nur politisch eine andere Zeit. Es gab damals auch wenige Telefone und kein Internet, auch deshalb tickten die Uhren anders. Die meisten Wohnungen hatten keinen eigenen Anschluss, da war ein öffentlicher Münzfernsprecher ganz sinnvoll. Mehr Dinge, die (fast) aus Berlin verschwunden sind.
Kohle
Spätestens ab Oktober legte sich eine feine Staubschicht über Berlin, dann ging die Heizsaison los. Da unterschieden sich übrigens Ost- und West-Berlin nicht sehr voneinander. In Kreuzberg und Neukölln bedeckte Kohlenstaub im Winter die Schneedecke genauso wie in Mitte oder Prenzlauer Berg. Die Kohlenhändler hatten viel zu tun. Heute sind sie weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden.
Punks
Viele Prenzlauer Berger hatten keine Lust mehr auf die maroden Wohnungen ohne vernünftige Heizung, oft mit Außentoilette und undichten Fenstern. Man zog gerne nach Marzahn in die Platte. Dort funktionierte alles und war sauber. In den 1980er-Jahren begannen so Wohnungen leer zu stehen, die dann findige Ost-Punks kurzerhand besetzten. Die Geschichte der besetzten Häuser in Berlin erzählt auch die Geschichte der Stadt.
Bier
Die Geschichte der Berliner Bierbrauereien muss an anderer Stelle erzählt werden, aber natürlich war auch Prenzlauer Berg eine Biergegend und die Werbeschilder für „Schultheiss Qualitätsbier“ lockten ins Innere der Gaststätten. Sie zeugten aber auch von einer kleinen Vereinigung vor der Wiedervereinigung. Denn Schultheiss hat man natürlich auch in West-Berlin getrunken.
Autos
Die Autohersteller Trabant und Wartburg dominierten in Prenzlauer Berg der 1980er-Jahre die Straßen. So wie in der restlichen DDR auch. Die Parkplatzsituation war damals naturgemäß nicht ganz so katastrophal wie heute, aber mit den Jahren verdichtete sich auch in der Rykestraße und Umgebung der Verkehr.
Die Zeiten ändern sich…
Nach der Wende wurde alles anders in Prenzlauer Berg und nicht nur dort. 1988 geht dieser Junge mit einem Fenster die Choriner Straße entlang. Einer ungewissen Zukunft entgegen, möchte man sagen. Dabei wusste er damals vermutlich sehr genau, wo er hin will.
Mehr Berlin verstehen
Immer neue Geschichten über die Geschichte Berlins findet ihr hier. Der Stadtteil hat sich seit den 1980er-Jahren verändert. Wer nach 2000 in Prenzlauer Berg aufgewachsen ist, wird diese Dinge kennen. Ihr lebt schon immer oder zumindest seit einer halben Ewigkeit in Berlin? Diese 12 Dinge kennt jeder, der im West-Berlin der 1980er gelebt hat. Manches ist nur noch Mythos: Diese Berlin-Erfahrungen werden Zugezogene heute nicht mehr machen.