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Obskure Orte in Berlin: Futuro-Haus, Judengang, Stand-By-Me-Baum und mehr

Obskure Orte in Berlin, was soll das eigentlich sein? Die Obskurität bezeichnet Dinge, die dunkel, unbekannt, verdächtig und von zweifelhafter Herkunft sind. Alles also, was auf den ersten Blick nicht ganz geheuer und etwas seltsam erscheint. Das können Relikte aus vergangenen Zeiten sein, so wie die historische Stadtmauer in Mitte oder der Kugelturm in Lichtenberg. Es können merkwürdige Artefakte im Stadtraum sein, da gäbe es den Stand-By-Me-Baum im Tiergarten oder das Penis-Relief im alten Zeitungsviertel oder das Baumhaus, das Onkel Osman einst auf dem Todesstreifen errichtete. Und was hat es eigentlich mit den Kaninchenfeldern auf sich? Wer genau schaut, findet die obskuren Orte in Berlin. Hier sind 12 Tipps für Stadterkundungen der unbekannten Art.


Kugelturm in der Nöldnerstraße

Der Kugelturm in der Nöldnerstraße ist das Wahrzeichen von Rummelsburg. Foto: Imago/Hohlfeld
Obskure Orte in Berlin: Der Kugelturm in der Nöldnerstraße ist das Wahrzeichen von Rummelsburg. Foto: Imago/Hohlfeld

Die Bleigießerei und Maschinenfabrik Juhl & Söhne, seit 1901 Eigentümerin des Grundstücks, errichtete im Jahr 1908 den rechteckigen, 38 Meter hohen Backsteinturm an ihrem Wohn- und Kontorgebäude. Im Turm wurden einst Schrotkugeln hergestellt. Im obersten Stockwerk wurde Blei erhitzt und dann in eine Fallröhre gegossen. Im freien Fall formten sich die Bleitropfen zu völlig nahtlosen Kugeln. Beim Eintauchen in das Auffangbecken waren sie bereits erstarrt. Der unter Denkmalschutz stehende Turm wurde 1998 saniert. Lust auf mehr Türme? Diese 12 Türme in Berlin sind besonders wichtig, schön und nützlich.

  • Kugelturm Nöldnerstraße 15/16, Lichtenberg

Alte Stadtmauer

Reste der alten Stadtmauer im Herzen von Alt-Berlin. Foto: Imago/Joko
Reste der alten Stadtmauer im Herzen von Alt-Berlin. Foto: Imago/Joko

Berlin ist eine ziemlich junge Stadt, jedenfalls was den Baubestand angeht: Die meisten Gebäude hier sind nicht viel älter als 100 bis 120 Jahre, im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten wie Paris, London oder Rom ist Berlin damit geradezu jugendlich. Die Weltkriege, massive stadtplanerische Umgestaltungen sowie Teilung und Mauerbau haben der historischen Mitte zugesetzt. Bauwerke, die bereits um 1850 in Berlin existierten, sind heute rar. So wie dieses letzte Stück der historischen Stadtmauer in der Waisestraße in Mitte. Wer weiß, welche Henker, Ritter, Bettelmönche und Prinzessinnen an diesem Mauerstück schon entlang gingen?

  • Alte Stadtmauer Waisenstraße, Mitte

Der Stand-By-Me-Baum im Tiergarten

Der Text von "Stand By Me" von B. B. King in die Rinde eines Baumes geritzt. Foto: Imago/Volker Hohlfeld
Der Text von „Stand By Me“ in die Rinde eines Baumes geritzt. Foto: Imago/Volker Hohlfeld

1961 schrieb das berühmte Songwriter-Duo Leiber/Stoller die berühmten Zeilen: „And darling, darling. Stand by me, oh stand by me. Oh stand, stand by me“. Der Refrain des Rhythm’n’Blues-Hits mit dem Ben E. King die Charts stürmte, ging in die Popgeschichte ein. John Lennon spielte den Song 1975 ein, dann erlebte „Stand By Me“ ein Revival dank des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1986. Jener Stephen-King-Adaption, in der sich eine Jungsclique aufmacht, um eine Leiche zu finden. Irgendwem ging der Song nicht aus dem Kopf und so schnitzte er oder sie den Text in die Rinde eines Baums im Großen Tiergarten. Seitdem hat Berlin ein obskuren Ort mehr, den Stand-By-Me-Baum.

  • Großer Tiergarten an der Kreuzung von Großer Weg und Große Sternallee

Penis-Wandfries an der taz-Fassade

Obskure Orte in Berlin: "Friede sei mit Dir" – Wandfries von Peter Lenk an der Fassade der taz. Foto: Imago/Schöning
„Friede sei mit Dir“ – Wandfries von Peter Lenk an der Fassade der taz. Foto: Imago/Schöning

Der Bildhauer Peter Lenk schuf 2009 ein kontroverses Werk, das für einen mittelgroßen Skandal sorgte. Das politisch-satirische Wandrelief „Friede sei mit dir“ zeigt Kai Diekmann, den ehemaligen Chefredakteur der „Bild“, dessen erigierter Penis meterhoch in den Himmel steigt. Die auch innerhalb der „taz“-Redaktion heftig umstrittene Arbeit, wurde am Bürogebäude der linken Tageszeitung angebracht, unweit der Springer-Zentrale im Herzen des alten Berliner Zeitungsviertels. Diekmann wetterte, es hagelte Kritik, doch Diekmanns Penis blieb der Öffentlichkeit erhalten. Ob zu ihrem Segen, sei dahingestellt.

  • Friede sei mit Dir (Wandfries) Charlottenstraße 85, Kreuzberg

Hand mit Uhr

Die Uhr im öffentlichen Raum. Plastik von Joachim Schmettau. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Die Uhr im öffentlichen Raum. Plastik von Joachim Schmettau. Foto: Imago/Jürgen Ritter

„Hand mit Uhr“ ist der Name einer Skulptur im Berliner Hansaviertel. 1975 wurde die Bronzeplastik des Bildhauers Joachim Schmettau, der auch den Brunnen auf dem Breitscheidplatz entwarf, vor dem heutigen Gymnasium Tiergarten errichtet. Die Hand hält eine Uhr mit digitaler Ziffernanzeige, die allerdings schon nach wenigen Jahren witterungsbedingt ihre Funktion aufgab. 1983 erlangte die „Hand mit Uhr“ internationale Bekanntheit als Kulisse für das Video der britischen Synthie-Pop-Band Depeche Mode, zum Song Everything Counts (etwa bei Minute 3:10). Bei einer umfangreichen Restauration wurde der ursprüngliche rote Mosaikwürfel durch orangenen Sichtbeton ersetzt.

  • Hand mit Uhr Altonaer Straße 26, Tiergarten

Grab von Nico

Man nennt ihn auch den Selbstmörder-Friedhof, auf dem die Sängerin Christa Päffgen, besser bekannt als Nico, beerdigt ist. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Man nennt ihn auch den Selbstmörder-Friedhof, auf dem die Sängerin Christa Päffgen, besser bekannt als Nico, beerdigt ist. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Der Friedhof Grunewald-Forst ist eine Besonderheit unter den Berliner Friedhöfen. Idyllisch mitten im Wald gelegen, erreicht man ihn eigentlich nur auf dem Fußweg. Dort wurden früher Selbstmörder bestattet, daher trägt er auch den Beinamen „Selbstmörderfriedhof“. Die 1938 in Köln geborene Christa Päffgen, die als Nico in die Geschichte einging, wurde hier neben ihrer Mutter Margarete beerdigt. Berühmtheit erlangte sie als Model, Schauspielerin und vor allem als Sängerin der von Andy Warhol geförderten New Yorker Avantgardeband The Velvet Underground. 1988 verstarb Nico nach einem tragischen Unfall auf Ibiza.

  • Friedhof Grunewald (Forst) Havelchaussee 92B, Grunewald

Baumhaus an der Mauer

Mauergarten am Bethaniendamm in Kreuzberg. Foto: Imago/Winfried Rothermel
Mauergarten am Bethaniendamm in Kreuzberg. Foto: Imago/Winfried Rothermel

Zurück ins Kreuzberg der frühen 1980er-Jahre. Im Niemandsland an der Mauer entdeckte der sechsfache Vater Osman Kalin eine kleine, vermüllte Brache. In diesem Niemandsland zwischen Ost-und West-Berlin legte der Mann, denn alle nur Onkel Osman nannten, einen Garten samt selbstgezimmerter Datsche an. Das bizarre Projekt auf dem zentral gelegenen Grundstück hat wie durch ein Wunder die Wirren der Wendezeit überstanden und existiert bis heute. 2018 verstarb der Schöpfer dieses Freiraums, sein Sohn überlegt, aus dem Baumhaus an der Mauer ein Museum zu machen.

  • Baumhaus an der Mauer Bethaniendamm/Mariannenplatz, Kreuzberg

Judengang

Obskure Orte in Berlin: Der Judengang hinter der Mauer des Jüdischen Friedhofs in Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Steinach
Der Judengang hinter der Mauer des Jüdischen Friedhofs in Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Steinach

Er ist sieben Meter breit und vierhundert Meter lang, der Judengang verläuft entlang des Jüdischen Friedhofs an der Schönhauser Allee, wo viele bedeutende Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts bestattet sind. Spannend ist der hinter dem Friedhof liegende Judengang vor allem, weil man nicht genau weiß, weshalb er angelegt wurde. Angeblich, weil Friedrich Wilhelm III. auf seinem Weg nach Pankow nicht von dem Anblick jüdischer Bestattungen gestört werden wollte. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, der Weg hätte religiöse Gründe. Es bleibt ein Geheimnis.

  • Judengang Knaackstraße 41, Prenzlauer Berg

Sitzbank auf dem U-Bahnhof Dahlem Dorf

Kunstvolles Design mit Penis-Ornament auf der Sitzbank am U-Bahnhof Dahlem Dorf. Foto: Imago/Steinach
Kunstvolles Design mit Penis-Ornament auf der Sitzbank am U-Bahnhof Dahlem Dorf. Foto: Imago/Steinach

In den 1980er-Jahren wurde der U-Bahnhof Dahlem Dorf in Japan zum schönsten U-Bahnhof in Europa gekürt. Ob das an den obskuren Sitzgelegenheiten lag, die der Berliner Künstler Wolf van Roy gestaltet hat? Die Bank besteht aus einer folkloristischen Holzfigurengruppe mit extravaganten Kopfbedeckungen und optisch in den Fokus gerückten primären und sekundären Geschlechtsteilen. Wer sich also mal an Holzbrüste anlehnen oder neben einen Holzpenis setzen will, ist hier richtig!

  • U-Bahnhof Dahlem Dorf

Futuro-Haus

Skurriler DDR-Futurismus: Das Futuro-Haus. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Skurriler DDR-Futurismus: Das Futuro-Haus. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Das „Futuro“-Haus ist ein runder Bungalow, der an ein Ufo erinnert. Das seltsame Objekt befand sich lange auf dem Gelände vom Funkhaus Nalepastraße in Oberschöneweide in Köpenick. Die Geschichte ist spannend: In den späten 1960er-Jahren revolutionierte das mobile Heim die Welt, produziert wurde es in der DDR nach den Plänen des finnischen Architekten Matti Suuronen. Insgesamt entstanden nur 22 Stück von der 36 Quadratmeter großen Wohneinheit. 2020 wurde das Berliner Ufo abtransportiert und ist nun etwa 1,5 Kilometer entfernt im Eingang zur Rummelsburger Bucht an der Lichtenberger Seite zu finden – gut sichtbar ist es allerdings nur vom Wasser aus.

  • Spreeufer unweit der Rummelsburger Bucht

Hinweis: In einer früheren Version des Textes informierten wir noch nicht über die Verlegung, der Fehler tut uns leid.


Schwerbelastungskörper

Obskure Orte in Berlin: Hitlers irre Pläne für die Reichshauptstadt Germania lassen sich am Schwerbelastungskörper in Tempelhof erahnen. Foto: Imago/Schöning
Hitlers irre Pläne für die Reichshauptstadt Germania lassen sich am Schwerbelastungskörper in Tempelhof erahnen. Foto: Imago/Schöning

Mehr Beton geht nicht. Die Nazis ließen den massiven Betonzylinder um 1941 bauen. Das Vorhaben Schwerbelastungskörper war absurd: Mit dem monströsen Ding sollte die Statik für den Bau eines gigantischen Triumphbogens simuliert werden. Natürlich stand das Projekt im Zusammenhang mit Hitlers Plänen für die „Welthauptstadt Germania“, wie Berlin nach dem „Endsieg“ heißen sollte. Dazu kam es nicht, doch das 12.650 Tonnen schwere Teil lastet bis heute denkmalgeschützt im Niemandsland zwischen Schöneberg und Tempelhof und sorgt bei jedem, der es mal entdeckt, für Staunen und Stirnrunzeln. Hier zeigen wir weitere Betonbauten und den Berliner Brutalismus.

  • Schwerbelastungskörper General-Pape-Straße 34A, Tempelhof

Kaninchenfeld

Obskure Orte in Berlin: Die Kaninchenfelder sollen an die Kaninchenpopulation auf dem Todesstreifen während der Zeit der Berliner Teilung erinnern. Foto: Imago/Joachim Schulz
Die Kaninchenfelder sollen an die Kaninchenpopulation auf dem Todesstreifen während der Zeit der Berliner Teilung erinnern. Foto: Imago/Joachim Schulz

Wer mit offenen Augen durch die Stadt läuft, vor allem entlang des Berliner Mauerwegs, findet hier und da kleine Piktogramme in der Form eines Kaninchens. 1999 hat die Künstlerin Karla Sachse 120 solcher flachen Messingkaninchen in den Berliner Asphalt eingearbeitet. Sie sollten an die Population der hüpfenden Tierchen erinnern, die zur Zeit der Berliner Teilung den Todesstreifen bewohnten. Mit dem Mauerfall war es mit dem schwer bewachten Kaninchen-Idyll vorbei.

  • Kaninchenfeld Chausseestraße, Mitte (und andere Orte)

Noch mehr Berlin?

Verstopfungen, zu wenig Toiletten, keine Snackautomaten und andere First-World-Problems – hier sind 12 Berliner Sehenswürdigkeiten und ihre nicht ganz so ernst zu nehmenden Google-Kritiken. Es gibt noch mehr Dinge, an die sich Zugezogene in Berlin erstmal gewöhnen müssen. Für die bessere Eingewöhnung gibt es hier schon mal Berlinerisch to go: 12 Berliner Sprüche, die ihr kennen solltet. Und danach direkt 12 Dinge, die Zugezogene an Berlin sofort lieben. Wir stellen euch immer neue Ausflüge und Ausflugsziele in und um Berlin vor.

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