In den 1980er-Jahren sah das Leben in Kreuzberg noch ganz anders aus als heute: Leere Straßen und graue Hinterhöfe prägten die Atmosphäre im ehemaligen Arbeiterbezirk, aber auch politischer Aktivismus und bunte Feste. Zunehmend wurde das Leben hier von Künstlern, Studenten, Wehrdienstverweigerern, Hausbesetzern und Migranten gestaltet. 12 Fotos aus dieser Zeit zeigen wir euch hier: Kreuzberg in den 1980er-Jahren war ein urbanes Dorf im Schatten der Mauer. Und jeder Schnappschuss aus dieser Welt wirkt, als könnte unvermittelt ein Romanheld von Sven Regener durchs Bild stapfen.
Transparente an besetzten Häusern
Schon die Ton Steine Scherben, jene Band, die längst zur Kreuzberger Folklore dazugehört, besangen den Kampf um Häuser, die Knappheit von Wohnraum und die Konflikte zwischen Polizei und Besetzern. Die Transparente an einem Haus in der Adalbertstraße machen auf die Probleme aufmerksam.
Protest in der Cuvrystraße
Ein typischer Hinterhof in Kreuzberg. In den 1980er-Jahren begannen die Bewohner, ihre direkte Umgebung zu verschönern, Hinterhöfe zu begrünen und zu gemeinsam genutzten Räumen umzugestalten. Hier in der Cuvrystraße ist es noch nicht so weit, aber der Protest gegen den Abriss des Hauses regte sich, wie man dem Plakat entnehmen kann.
Der Bolle in der Skalitzer Straße
Am 1. Mai 1987 brannten Demonstranten den Bolle in den Skalitzer Straße ab. Damit wurden die Proteste am Tag der Arbeit revolutionär, Kreuzberg schaffte es in die landesweiten Nachrichten. Der Mythos Kreuzberg als Heimstätte der linksradikalen Szene entstand. Hier, im Sommer 1981, steht die Filiale der längst aus dem Stadtbild verschwundenen Berliner Marke noch ganz unbescholten an der Ecke Wiener Straße.
Hinterhof in der Lausitzer Straße
Die Kreuzberger dachten schon früh politisch. Es gab Stadtteilgruppen, offene Diskussionen, Initiativen und Bündnisse. Auch in der Lausitzer Straße fanden sich Aktivisten zusammen, die ein altes Fabrikgebäude besetzten, um dort zu leben und zu arbeiten. Die bis heute existierende Regenbogenfabrik ist ein lebendiges Beispiel für den widerspenstigen Geist im Kreuzberg der 1980er. Das Foto zeigt eine Ausstellung zu stadtplanerischen Projekten im Hinterhof der damals frisch besetzten Regenbogenfabrik.
Straßenfest der Regenbogenfabrik
Doch es war nicht alles bierernste Politik. Man wollte in den 1980er-Jahren in Kreuzberg natürlich auch feiern. Im SO36 traten Punkbands auf, die zahlreichen Kneipen schenkten Bier bis in die Morgenstunden aus, in den besetzten Häusern entstand eine radikale Subkultur, und die Besetzer organisierten lustige Feste. So wie hier im Sommer 1981.
Einsamer Mann an der Kreuzbergstraße
Kreuzberg 61 unterschied sich von Kreuzberg 36 – den friedlichen Konflikt gibt es noch immer. Obwohl in beiden Teilen des Bezirks eine linksalternative Kultur gedieh, war die Gegend um den Mehringdamm ruhiger und bürgerlicher. Das Foto von Willy Pragher zeigt einen Mann an der Ecke Mehringdamm und Kreuzbergstraße.
Die leere Manteuffelstraße
Heute gehört die Manteuffelstraße zu den anstrengendsten Straßen im Kiez. Autos parken in zweiter Spur, ständig wird gehupt, die Kneipen und Bars an der Ecke zur Skalitzer Straße sind voll, überall wuseln Leute herum. Hier im Sommer 1982 ist die Situation noch etwas entspannter.
Demo in der Wrangelstraße
„Geschichte is machbar, Herr Nachbar! Wer, wenn nicht wir! Frieden schaffen ohne Waffen! Wir haben ein Haus, ein instandbesetztes Haus!“ – Kreuzberg ist auch der Bezirk linker Parolen. In den 1980er-Jahren häuften sich die Demos, spontanen Happenings und politischen Kiezfeste. Auch in der Wrangelstraße brachten Anwohner das Leben und ihre Anliegen in den öffentlichen Raum.
Türkische Kinder
Die türkischen Kreuzberger prägten das Stadtbild, und was in den frühen 1980er-Jahren in vielen Teilen Deutschlands noch schwer vorstellbar war, wurde zwischen Kottbusser Tor und Görlitzer Bahnhof gelebt: ein multikulturelles Miteinander.
Alltag in der Naunynstraße
Es ist eine Zeit vor der Gentrifizierung, vor teuren Mieten und einem Boom, der in Kreuzberg ausbrach und den Bezirk zur beliebten Wohnadresse in aller Welt machte. Damals waren die Mietskasernen noch unsaniert, von den Gründerzeitfassaden bröckelte der Putz ab, hier und da sah man an den Mauern noch Schäden aus Kriegszeiten und man heizte mit Kohlebriketts. Der Bezirk lag aufgrund des Mauerverlaufs am Stadtrand von West-Berlin. Das hektische Leben fand woanders statt. Manchmal erinnerte Kreuzberg in den 1980er-Jahren an ein Dorf.
Wilder Garten an der Mauer
Der Begriff „Guerilla Gardening“ war um 1987 noch nicht erfunden, doch die Kreuzberger hatten auch hier die Nase vorn. Viele lebten direkt neben oder an der Mauer, die ungeklärten Verhältnisse sorgten für Freiräume, die im politischen Niemandsland lagen, und da nahm man Spaten und Harke in die Hand un begrünte die paar Quadratmeter, um es sich heimischer zu machen in der Mauerstadt. So wie hier, in der Nähe vom Mariannenplatz, wo ein kleiner Garten am antifaschistischen Schutzwall angelegt wurde. Mehr Bilder vom Kreuzberger Alltag im Schatten der Mauer seht ihr hier.
Schultheisswagen in der Methfesselstraße
Berlin ist eine Bierstadt, daran erinnern die vielen Brauereien, denen man überall in der Stadt begegnet. In der Methfesselstraße, direkt am Viktoriapark, braute noch bis in die 1990er-Jahre Schultheiss. Heute sind auf dem schönen Areal Eigentumswohnungen entstanden, doch 1981 fuhr noch der Bierkutscher die enge Gasse hinauf.
Mehr Kreuzberg-Geschichte und Geschichten
Was die Bergmannstraße für Kreuzberg 61 ist, ist in Kreuzberg 36 die Oranienstraße – hier zu sehen im Wandel der Zeit. Hier erkunden wir den Mythos Kreuzberg. Wir gehen auch noch weiter zurück in der Zeit: Fotos aus Kreuzberg in den 1960er-Jahren. Über keinen Berliner Bezirk gibt es mehr Lieder: Kreuzberg-Songs von Bloc Party bis Gebrüder Blattschuss. Der Bezirk ist immer Thema, unsere aktuellsten Texte über Kreuzberg findet ihr hier.