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Besser machen

Tag des Wunsches: Unsere Berlin-Wunschliste von Wohnen bis Natur

Der 29. April ist der Tag des Wunsches, auch in Berlin. Und wer hier lebt, weiß, dass es einiges gibt, dass verbesserungswürdig ist. Entsprechend haben tip-Mitarbeitende aufgeschrieben, was sie sich so spontan wünschen würden, wenn sie eine Sache spontan ändern könnten. Von Kneipenrettungen und Klassikern wie bezahlbaren Wohnraum bis zu sehr eigenwilligen Umgestaltungsvorschlägen für Schloss Bellevue.


Kneipen, Clubs und Kulturstätten erhalten Bestandsschutz

Alternative und gemeinnützige Orte, Clubs, Kulturstätten, Kneipen und Jugendzentren müssen geschützt werden. Foto: Imago/Peter Homann

Der Gentrifizierungsvorschlaghammer schlägt das alternative Berlin kaputt. Investoren fressen sich gierig durch jedes Überbleibsel der Subkultur. Das Zukunft am Ostkreuz schließt, Meuterei, Syndikat, Rosi’s, Potse — alle weg. Das RAW-Gelände wird bebaut und die A 100 macht in ein paar Jahren so ziemlich alle Clubs rund ums Ostkreuz platt. Aber nicht nur aggressive Verkehrsminister und Raupe-Nimmersatt-Investoren stehen auf Verdrängung sondern natürlich auch all die neuen Nachbar:innen, die über, unter oder neben Kneipen, Clubs und Kulturstätten ziehen und direkt die Polizei rufen, wenn eine Minute nach 22 Uhr noch ein Bierglas klirrt. 

Ohne all diese Orte ist Berlin nichts. Das kann nur eines heißen: Bestandsschutz für Kneipen, Clubs, Kulturstätten und alle anderen Orte, die diese Stadt spannend machen. Die verruchte Eckkneipe wird Weltkulturerbe, der Stammtisch zum Wächter. Neue Mieter:innen unterschreiben beim Einzug eine Verzichtserklärung: „Ich werde nicht die Polizei rufen. Ich werde diesen heiligen Ort respektieren.“ Clubs und Kulturstätten erhalten langfristige Perspektiven und Sicherheit. Die Investoren können ja das Stadtschloss haben, den Mercedes-Platz, den Amazon Tower… Oder die A 100 mit Starbucks-Filialen zukleistern, Platz haben sie da ja genug. Lennart Koch


Bezahlbare Wohnungen

Die Mieten sind in viel zu vielen Berliner Wohnungen zu hoch.  Foto: Stefan Zeitz

Jede:r von uns kennt bestimmt eine von ihnen: absurde Wohnungsanzeigen in Berlin. Da sind schnell unverschämte 650 Euro im Monat für ein zwölf Quadratmeter großes Durchgangszimmer zur Küche fällig. Und es gibt noch schlimmere Anzeigen. Der Wohnungsmarkt in Berlin wirkt hoffnungslos, gar erdrückend, zumal im Frühjahr 2021 der zuerst akzeptierte Mietendeckel wieder für nichtig erklärt wurde. Begründung: Das Bundesland Berlin habe keine Möglichkeit, „landesrechtliche Regelungen zur Mietbegrenzung einzuführen“, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Ob sich die Berliner SPD an die Versprechen im Wahlprogramm halten und mehr bezahlbarere Wohnungen bauen (200.000 neue Wohnungen bis 2030), Mieten tatsächlich wirksam regulieren und den Leerstand bekämpfen wird? Wir werden es sehen. Die Liste der teuersten Straßen und Bezirke jedenfalls vergrößert sich gefühlt Jahr für Jahr, während es an ordentlichen, bezahlbaren Wohnungen immer weiter mangelt. Es muss etwas passieren, darauf können wir uns wohl alle einigen – besser früher als später. Josephine Bährend


Was Berlin zu wünschen wäre: Bessere Bauten

Ein Wunsch für Berlin: dass nicht jedes Neubauquartier wie die Europacity endet. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Okay, es ist komplex: Es hängen einfach zu viele Geschäftsinteressen dran, Baustoff ist teuer, Rendite ist alles, da ist die ästhetische Abwägung auf der Prioritätsliste wahrscheinlich ganz unten – und am Ende soll man ja froh sein, wenn überhaupt Häuser gebaut werden. Aber so vollkommen visionslos, beliebig und grässlich muss es einfach nicht sein.

Die Stadt scheint nur die Wahl zu haben zwischen protzigen Villen, die von historistischen Vorbildern allen Charme abgeschliffen haben, und Schießscharten-Architektur, die mit den Blaupausen aus der klassischen Moderne gerade so viel zu tun hat wie Ikea mit Bauhaus.

Berlin ist zu wünschen, dass für die kommenden Bauvorhaben in irgendwelchen Projektgruppen irgendjemand die Reißleine zieht und doch noch ein Gespür für Formen und Fassaden aufkommt. Denn selbst der einst so verhasste Brutalismus ist rehabilitiert, aber dass in Zukunft irgendjemand einen soft spot für 2010er-Jahre-Ideenlosigkeit haben wird, scheint ausgeschlossen. Christopher Wasmuth


Soziales Projekt statt Konsum im Karstadt

Sinnvolle Nutzung für den Stadtteil statt Konsumtempel: Neue Idee für Karstadt. Foto: Imago/Stefan Zeitz

René Benko und sein Signa-Immo-Konzern bauen den Karstadt am Hermannplatz in ein integratives-Wohn-Arbeits-Konsumprojekt um: Wohnmöglichkeiten und Schulungszentrum für Obdachlose und Drogendealer vom Hermannplatz und Hasenheide. Shops, Gastronomie wo sie arbeiten können. Dazu begrüntes Dach zum Abhängen mit Dachgarten, Räume für innovative, nachhaltige Start-Ups, Kreativbüros etc.  Von mir aus dann auch ein paar Lofts in den oberen Etagen. Aber erstmal an die anderen denken. Ina Hildebrandt


Würdigung des Wegbieres

Verdient alle Ehren: Das Wegbier. Foto: Imago/Seeliger

Das Berliner Wegbier soll Unesco-Weltkulturerbe werden (gern auch alkoholfrei!), dafür wird ein Tag des Wegbiers eingeführt, und zwar am 10. Juni, das ist der Geburtstag von Harald Juhnke, mit einer Wegbier-Parade durch jährlich wechselnde Bezirke. Im Gegenzug verpflichten sich die Berliner:innen, nie wieder leere Flaschen achtlos auf den Gehweg zu werfen. Das ganze Loblied aufs Fußpils gibt es hierErik Heier


Die Stadtnatur endlich wirklich schätzen und schützen

Ein Mäusebussard. Für Tiere aller Art ist es in Berlin nicht wirklich viel besser geworden in den vergangenen Jahren. Foto: Imago/Manja Elsässer

Wenn ich mir für Berlin etwas wünschen könnte, egal was, dann, dass wir endlich anfangen, mit der Stadtnatur auf wirkliche Weise zu koexistieren. Sich dafür zu beglückwünschen, dass Berlin eine grüne Stadt ist, in der viele Tiere leben, die hier genügend zu fressen finden und Plätze, um sich zu verstecken, reicht in der heutigen Zeit nicht mehr aus. Wahrscheinlich hat es noch nie ausgereicht, denn um Ökosysteme zu schonen und Arten zu erhalten, gibt es keine einfachen Lösungen. Schon gar nicht als deutsche Hauptstadt.

Doch auch 2022, in einer Zeit, in der uns längst bewusst sein sollte, dass es keinen Klimaschutz ohne Naturschutz geben kann, fließt vom Senat noch immer viel zu wenig Geld in den Schutz der Stadtnatur. Die bedrohten Arten, die in Berlin leben, haben es durch Landwirtschaft, Bebauung und das veränderte Klima schon schwer genug. Die „Charta für das Berliner Stadtgrün“, hochfliegend untertitelt mit „Eine Selbstverpflichtung des Landes Berlin“, wurde 2020 erstellt, seither aber nur beklatscht und liegt seitdem als theoretisches Schreiben in der Schublade herum. Man könnte sagen: Unser Senat vernachlässigt Natur- und Artenschutz.

Wenn der Vogelschwund immer hörbarer und es morgens auf dem Weg zur S-Bahn stiller wird, werden wir vielleicht zuhören, und damit aufhören, uns eine gesunde Natur nur zu wünschen, und stattdessen wirklich etwas tun. Rosanna Steppat


Mehr öffentliche Klos – und die für alle

Wall-Toilette, Bundesplatz. Foto: Imago/Joko

Ein kleiner, wichtiger Wunsch: mehr öffentliche Toiletten, vor allem in Parks, aber auch an anderen wichtigen Orten, an denen viele Menschen unterwegs sind. Es müssen ja nicht gleich Paläste oder Prunkbauten sein – wie ein paar dieser öffentlichen Toiletten in Berlin. Gerne auch diese Öko-Klos, die es auf Festivals gibt und wofür man keinen Wasseranschluss braucht. Und die dann bitte so gedacht und konzipiert, dass nicht nur stehpinkelnde Menschen umsonst und unkompliziert auf Toilette gehen können Bei dem Thema öffentliche Toiletten blamiert sich Berlin ja gern. Also: besser machen. Xenia Balzereit


Das Schloss Bellevue durch Wohnkomplexe ersetzen

Warum nicht weg für mehr Wohnungen: Das Schloss Bellevue. Foto: Imago/Shotshop

Naheliegend wäre es, sich mehr Wünsche zu wünschen – oder, sollte das nicht gehen, 365 Tage des Wunsches. Muss aber nicht, es würde bereits reichen, das Schloss Bellevue abzureißen und durch Wohnkomplexe zu ersetzen. Wenn Architektinnen, Denkmalliebende und Hobby- sowie Berufshistoriker den Bau aus dem 18. Jahrhundert nicht missen wollen, kann er auch einfach in einen Plattenbau integriert werden. Möglich ist alles. Die Büroräume können ebenso erhalten bleiben, der restliche Platz könnte wiederum als Fahrradkeller dienen. Also, wieso nicht die vom Senat stets großgeredete Bauoffensive im Spreeweg 1 starten? Tim Kröplin


Pflanzprojekt für Berlin

Und jetzt? Alle pflanzen! Foto: Imago/Maskot

Wir brauchen mehr Grün! Damit das klappen kann, sollte jede Person, die in Berlin Wurzeln schlägt, eine wohlgemeinte Verpflichtung auferlegt zu bekommen – im Namen der Umwelt, des Stadtbilds, des Wohlbefindens. Der Deal sollte heißen: wer sich Berliner:in nennt, zugezogen oder fest eingesessen, muss pro Jahr zehn Pflanzen setzen, davon fünf Bäume. Für diesen floralen Stadtanteil bekommt man gleich die Patenschaft vermacht, sodass alle miteinander in zehn Jahren für einen großen Stadtgarten verantwortlich sind. Big Happy Family Project!

Tipps, wo man was pflanzt und wie man sich pflanzengerecht kümmert, werden in regelmäßigen Workshops und über Online-Beiträge vom Senat vermittelt. Am besten wird der innere Bereich vom Ring gleich, als Bonus, zur autofreien Zone erklärt. Damit das Grün sich besonders gut entfalten kann. Luisa-Marie Kauzmann


Mehr zum Thema

Falls ihr in Berlin lieber schöne Dinge seht, ist unser Architektur-Guide richtig für euch – zahlreiche Tipps für jeden Geschmack. Manches, was gut war, ist leider weg: 12 berühmte Gebäude in Berlin, die aus dem Stadtbild verschwunden sind. Wäre auch den Bausünden zu wünschen: Wir zeigen euch Sprengungen in Berlin. Hier bleibt ihr auf dem neuesten Stand: Die aktuellen Texte in unserer Architektur-Rubrik.

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