• Kino & Stream
  • Filme
  • „Arielle, die Meerjungfrau“: Karibik-Kitsch-Klischees und verführerische Flossen

Filmkritik

„Arielle, die Meerjungfrau“: Karibik-Kitsch-Klischees und verführerische Flossen

Mit „Arielle, die Meerjungfrau“ kommt 2023 das Realfilm-Remake des Zeichentrick-Klassikers in die Kinos. Mit mäßig modernisierenden Eingriffen wird die alte Geschichte neu erzählt. In der Titelrolle überzeugt Halle Bailey, die im Vorfeld jede Menge Social-Media-Geschrei ertragen musste. Aber abseits aller Wokeness-Entrüstungen steht die Frage im Raum, ob „The Little Mermaid“ (Originaltitel) ein guter Film ist. tipBerlin-Kritikerin Alexandra Seitz hat die Antwort.

„Arielle, die Meerjungfrau“: Halle Bailey ist in der Hauptrolle zu sehen. Foto: courtesy of Disney. © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

„Arielle, die Meerjungfrau“: Kann sie singen?

___STEADY_PAYWALL___

Es mag sein, dass sich die Realfilm-Versionen der Disney’schen Animationsfilmklassiker vor allem dem kommerziellen Kalkül verdanken, mit altem Wein in neuen Schläuchen ein zweites Mal abzukassieren.

Der gar nicht mal so unangenehme Nebeneffekt ist jedoch, dass bei selbiger Gelegenheit meist auch der ursprüngliche Stoff eine Überarbeitung erfährt. Die betrifft dann nicht nur die, sagen wir mal: wertkonservativen Rollenbilder, die im Königreich der Maus von zahlreichen Prinzen und Prinzessinnen repräsentiert werden.

Jonah Hauer-King und Halle Bailey am Strand. Foto: courtesy of Disney. © 2023 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Sie umfasst auch die ethnische Varianz (und mitunter sogar die sexuelle Orientierung) der Handlungsträger:innen. Nicht immer weiß das Publikum diese ja meist nur mäßig modernisierenden Eingriffe zu würdigen. Wie zuletzt unnötigerweise das Geschrei bewies, das ob der Besetzung der Titelfigur von „Arielle, die Meerjungfrau“ mit der afroamerikanischen Sängerin Halle Bailey in den sozialen Medien anhob. Wie konnte die Zeichentrick-Arielle mit ihren roten Haaren, blauen Augen und weißer Haut in der Realfilm-Adaption auf einmal Schwarz werden?, entrüstete sich so manche:r und gab der verhassten Wokeness die Schuld. Dabei muss die Frage natürlich lauten: Kann sie singen?

Yes, she can! Und Bailey bringt darüber hinaus jene Mischung aus unschuldiger Neugierde und jugendlichem Ungestüm mit, die der Figur der Arielle – einer Meerjungfrauen-Prinzessin, die sich unsterblich in einen Menschen-Prinzen verliebt – ihren Charme verleiht. Das narrative Grundgerüst verdankt sich übrigens einem todtraurigen Märchen, das Hans Christian Andersen 1837 erdachte; von dem die beiden Disney-Adaptionen – der Zeichentrickfilm von Ron Clements und John Musker aus dem Jahr 1989 sowie die aktuelle von Rob Marshall – wenig verwunderlich signifikant abweichen. Doch nun sagt nur nicht, ihr würdet der kleinen Meerjungfrau das Happy End nicht gönnen.

Melissa McCarthy hat ein Riesenvergnügen als Ursula

Kontrastierend zum Studio-typischen Schmonzes, der sich unter anderem in Karibik-Kitsch-Klischees entlädt (gedreht wurde auf Sardinien), hat Melissa McCarthy als Seehexe Ursula ein unverblümtes Riesenvergnügen mit ihrer tentakelreichen Unterleibs-Üppigkeit. Die böse Ursula war bereits im Zeichentrickfilm die sinnlichste Figur weit und breit; sie ist es auch geblieben. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass Arielle als „reales“ weibliches Meereswesen mit Schwanzflosse ihrer gezeichneten Vorgängerin einiges an erotischer Ausstrahlung und sexuellem Versprechen voraus hat. Leider wird diesem Motiv, von raren, allzu kurzen Momenten verführerischen Flossengeschlängels abgesehen, auch diesmal nicht weiter nachgegangen. Bei satt über zwei Stunden Laufzeit eigentlich unverzeihlich.

„Arielle, die Meerjungfrau“: Trailer
  • The Little Mermaid USA 2023; 135 Min.; R: Rob Marshall; D: Halle Bailey, Jonah Hauer-King, Melissa McCarthy; Kinostart: 26.5.

Mehr zum Thema

Schon im Vorfeld kontrovers: Ulrich Seidls Pädophilie-Drama „Sparta“ – die Kritik. Ab an die frische Luft: Hier ist das Programm der Freiluftkinos in Berlin. Lohnen sich die drei Stunden? „Beau Is Afraid“ mit Joaquin Phoenix in der Kritik. Abschied mit Tierversuchen: Unsere Filmkritik zu „Guardians of the Galaxy Vol. 3“. Ein weiteres Film-Highlight: „The Whale“ mit Brendan Fraser in seiner Oscar-Rolle. Was läuft wann? Täglich aktuell: das Kinoprogramm für Berlin. Mehr zu Filmen und Kinos findet ihr in dieser Rubrik.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin