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Beau Is Afraid: Lohnt sich die Höllenfahrt mit Joaquin Phoenix?

Ari Aster schickt in „Beau Is Afraid“ Joaquin Phoenix mit dessen gesamter schauspielerischer Intensität auf eine bizarre Odyssee. Der Regisseur hetzt seinen Titelhelden durch traumatische Abgründe und psychotische Untiefen, pflastert seinen Weg mit paranoidem und hysterischem Personal. Kann er damit an „Midsommar“ und „Hereditary“ anknüpfen? tipBerlin-Filmkritikerin Alexandra Seitz hat „Beau Is Afraid“ gesehen.

Joaquin Phoenix in „Beau Is Afraid“: An ihm liegt es nicht, dass der Film implodiert. Foto: Takashi Seida

„Beau Is Afraid“: Joaquin Phoenix’ Figur fürchtet sich vor Menschen, Zukunft und Orgasmen

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Die Gesellschaft ist offenbar lang schon völlig aus den Fugen geraten; auf den Straßen toben die Verhaltensauffälligen, der Tote, der in der Gosse vor sich hin mumifiziert, kümmert keinen. Nicht mal Beau, der in dieser dystopisch zugespitzten Welt sich in einem heruntergekommenen Apartmentkomplex verschanzt und Angst hat: Vor den Menschen, vor seinem eigenen Schatten, vor dem, was sein wird, vor dem, was war – und schließlich Angst davor, zu ejakulieren, sind doch bereits der Vater und der Großvater im Moment ihres ersten Orgasmus verstorben.

Es ist wohl ein Fluch. Die Mutter hat Beau das eingetrichtert; und obwohl man sie lange nicht zu Gesicht bekommt, durchschaut man doch gleich zu Beginn von Ari Asters „Beau Is Afraid“ die Natur des Verhältnisses der beiden: Die allzeit übergriffige Schmerzensmutter, die sich zur Heiligen stilisiert, treibt das hilflose Muttersöhnchen mit passiver Aggression in die Verzweiflung. Man versteht das, weil Joaquin Phoenix seine gesamte schauspielerische Intensität (bekanntlich keine geringe) darein setzt, diesen Beau am Rande eines schmerzhaften Wahnsinns entlang taumeln zu lassen, jederzeit absturzgefährdet. An ihm liegt es also nicht, dass der Film letztlich implodiert.

Was ging da schief? Die Frage stellt sich unsere Filmkritikerin bei „Beau Is Afraid“. Foto: Takashi Seida

Man kann sich für Beau kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als ganz alleine quer durchs Land zur Beerdigung seiner Mutter reisen zu müssen, gequält von Schuldgefühlen und als leichte Beute für Lügner, Betrüger und Windbeutel aller Art. Da aber Aster mit „Hereditary“ (2018) und „Midsommar“ (2019) doch etwas mehr als nur Talent für den etwas anderen Horror bewiesen hat, begibt man sich gespannt auf diese Höllenfahrt.

Alsbald setzt Ernüchterung ein. Geschlagene drei Stunden lang hetzt der Regisseur seinen Titelhelden durch traumatische Abgründe und psychotische Untiefen, pflastert seinen Weg mit paranoidem und hysterischem Personal. Je länger es zugeht wie im Irrenhaus, umso weniger Sinn ergeben die Ereignisse, die als Albträume, Erinnerungen, Vorahnungen, Geschichten-in-Geschichten sowie möglicherweise tatsächlichem Geschehen präsentiert werden. So faszinierend das im Einzelnen sein mag, am Ende bleibt die Ratlosigkeit: Was ging da vor sich? Vor allem aber: Was ging da schief?

„Beau Is Afraid“: Deutscher Trailer

„Beau Is Afraid“ ist Ari Aster über den Kopf gewachsen

Wie es aussieht, ist „Beau Is Afraid“ dem Filmemacher über den Kopf gewachsen und hat Aster sich im Dickicht seiner Narration, an der er bereits seit 2011 herumlaboriert, verfangen. Er ist darin seinem orientierungslosen Helden nicht unähnlich. Immerhin gelingt ihm der Beweis, dass Film zur Therapie einer konfusen Psyche nur bedingt taugt. Weil das fantasieliebende Medium allzu gerne die Seiten wechselt und weiteres Chaos stiftet, wo Ordnung nottäte. Alexandra Seitz

  • Beau Is Afraid USA/Kanada 2023; 179 Min.; R: Ari Aster; D: Joaquin Phoenix, Patti LuPone, Parker Posey; Kinostart: 11.5

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