Filmkritik

„Colonos“: Blutiger Chile-Western mit Cannes-Auszeichnung

„Colonos“ ist das Regiedebüt von Felipe Gálvez, war Chiles Oscar-Einreichung und wurde in Cannes mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet. Der Western erzählt ein dunkles Kapitel in der chilenischen Geschichte und konfrontiert das Land mit dessen eigener Vergangenheit. tipBerlin-Kritiker Frank Arnold hat sich den blutigen Debütfilm angeschaut.

„Colonos“ kontrastiert die Weite der archaischen Landschaft mit der Brutalität, mit der weiße Männer gegen die indigene Bevölkerung vorgehen. Foto: Mubi

„Colonos“ spielt in den endlosen Weiten Patagoniens

Hier gilt das Gesetz des Stärkeren: Ein Arbeiter, der sich am Arm verletzt hat, wird von dem Aufseher einfach erschossen. „Hier ist ein Mann ohne Arm ein Mann weniger!“ Hier, das sind die endlosen Ländereien von Don José Menéndez in der Weite Patagoniens im südlichen Chile des Jahres 1901. Der Patron schickt seinen Aufseher, den britischen Ex-Militär Alexander MacLennan, los, einen Weg für die Schafe zum Atlantik zu suchen – was auch heißt, etwaigen Widerstand zu brechen, durchaus also eine Strafexpedition. Begleitet wird er von dem „Mestizen“ Segundo und dem amerikanischen Söldner Bill.

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„Colonos“, das Regiedebüt von Felipe Gálvez, im vergangenen Jahr Chiles Einreichung bei den Academy Awards und bei seiner Premiere beim Festival von Cannes mit einem Kritikerpreis ausgezeichnet, kontrastiert die Weite der archaischen Landschaft mit der Brutalität, mit der weiße Männer gegen die indigene Bevölkerung vorgehen.

Was auf die Frage nach der Komplizenschaft Segundos bei einem Massaker und einer möglichen gewaltsamen Selbstbefreiung aus seiner Versklavung hinauszulaufen scheint, überrascht durch einen Zeitsprung, mit dem Gálvez die Geschichte sieben Jahre später wieder aufnimmt und dabei sowohl die anhaltende (aber vielleicht doch nicht auf Dauer gesicherte) Macht des Großgrundbesitzers Don José (Alfredo Castro, bekannt aus den Filmen von Pablo Larraín) und seiner Familie hinterfragt, wie auch Anzeichen eines (zaghaften) gesellschaftlichen Wandels erkennen lässt. Die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Vergangenheit (die sich in Chile nicht nur in Bezug auf die Pinochet-Ära stellt), bleibt eine ständige Herausforderung, überall.

  • Colonos Chile 2023; 97 Min.; R: Felipe Gálvez; D: Mark Stanley, Camilo Arancibia, Benjamin Westfall, Mishell Guaña; Kinostart: 15.2.

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