Berlin verstehen

Kreuzberg in den 1960ern: Farbfotos aus einer anderen Zeit

Kreuzberg war in den 1960er-Jahren noch nicht der Bezirk, der er heute ist. Die Legenden und Mythen um die Gegend zwischen Bergmannstraße und Schlesischem Tor keimten damals erst auf. Zwar zogen bereits in den 1950er-Jahren die ersten Künstler in die recht heruntergekommenen Mietskasernen, gründeten Ateliers und Galerien und einige Kiezkneipen wandelten sich zu Treffpunkten der Boheme. Doch die große Zeit von Kreuzberg als Zentrum der Gegenkultur und linke Punk-Hauptstadt der BRD, folgte erst in den Jahrzehnten danach. Hier führen wir in 12 Farbfotos ins Kreuzberg der 1960er-Jahre.


Trödler in der Bergmannstraße

Kreuzberg 1960er: Trödelladen in Kreuzberg, 1969. Foto: Imago/Serienlicht
Trödelladen in Kreuzberg, 1969. Foto: Imago/Serienlicht

Die Bergmannstraße ist heute für Kreuzberg 61 das, was für Kreuzberg 36 die Oranienstraße ist. Eine geschäftige Pulsader, die das Tempo und die Befindlichkeit des Kiezes in sich vereint. Kleine Läden, Boutiquen, Second-Hand-Geschäfte, Bars und natürlich die Restaurants und Imbisse mit Spezialitäten aus aller Welt reihen sich hier dicht aneinander.


Kinder spielen in der Admiralstraße

Kinder in der Admiralstraße, 1969. Foto: Imago/Serienlicht
Kinder in der Admiralstraße, 1969. Foto: Imago/Serienlicht

In den 1960er-Jahren zogen zunehmend türkische Familien nach Deutschland und viele fanden in Kreuzberg eine neue Heimat. Einige Zeit später wurde der Bezirk verächtlich „Klein Istanbul“ genannt – heute aus vielen Gründen kaum noch vorstellbar.


Papier Reimer und John Glet am Mehringdamm

Mehringdamm, 1968. Foto: Imago/Gerhard Leber
Mehringdamm, 1968. Foto: Imago/Gerhard Leber

Es gibt einige Geschäfte in Berlin, die es seit mehr als 100 Jahren gibt. Eisenwarenhandlungen, Bäcker und Büchereien. John Glet, der Laden für Arbeitsbekleidung schlechthin, und der Schreibwarenladen Reimer residierten immerhin schon in den 1960er-Jahren am Mehringdamm und sind dort immer noch zu finden.


Hausboote auf dem Landwehrkanal

Hausboote auf dem Landwehrkanal, 1967. Foto: Imago/Serienlicht
Hausboote auf dem Landwehrkanal, 1967. Foto: Imago/Serienlicht

Alternatives Wohnen war in Kreuzberg der 1960er-Jahre bereits ein Thema. Man probierte etwa das Leben in Wohngemeinschaften aus. Die Hausbesetzungen sollten zwar erst folgen, doch Hausboote auf dem Landwehrkanal gaben eine gute Möglichkeit urbanes Wohnen mit Wildnis und nomadischem Lebensgefühl zu vereinen. Übrigens: Dank der Wasserwege in Berlin können manche auch zur Arbeit paddeln – hier der Selbstversuch.


Viktoriapark und Kreuzberg

Kreuzberg 1960er: Großbeerenstraße mit Blick auf den Viktoriapark, 1961.Foto: Imago/Gerhard Leber
Großbeerenstraße mit Blick auf den Viktoriapark, 1961.Foto: Imago/Gerhard Leber

Ein Wasserfall – mitten in Berlin! So erleben auch Stadtkinder ein kleines bisschen Bergidylle. Nach einem Bummel auf der Bergmannstraße lassen sich hier herrlich die müden Füße kühlen. Oder man klettert auf den Kreuzberg und zeigt Nachwuchsberlinern oder Berlinbesuchern von dort oben die Stadt aus einer anderen Perspektive. Viktoriapark: Spektakulärer Wasserfall und ein Gebirge mitten in Berlin.


Kinderladen in SO36

Parfümerie und Kinderladen in der Admiralstraße, 1969. Foto: Imago/Serienlicht
Parfümerie und Kinderladen in der Admiralstraße, 1969. Foto: Imago/Serienlicht

Auch in Sachen Kindererziehung hatten die Kreuzberger die Nase vorn. Statt den Nachwuchs in reguläre Kindergärten zu schicken, gründeten Elterninitiativen die so genannten Kinderläden, die sich antiautoritär der Sache annahmen. Bunt, klein und locker ging es dort zu. Wie etwa hier im Neuen Kreuzberger Kinderladen in der Admiralstraße.


Großbaustelle am Kottbusser Tor

Kreuzberg 1960er: Baustelle am Kottbusser Tor, 1969. Foto: Imago/Serienlicht
Baustelle am Kottbusser Tor, 1969. Foto: Imago/Serienlicht

Mit Kreuzberg hatte der Senat Ende der 1960er-Jahre eine ganze Menge vor. Neubaugebiete und Autobahnzubringer sollten dem etwas heruntergekommenen Arbeiterbezirk einen völlig neuen Charakter geben. Schaut man sich die Gegend zwischen den U-Bahnhöfen Hallesches Tor, Prinzenstraße und Kottbusser Tor an, lässt sich erahnen, wohin die stadtplanerische Reise gehen sollte. 

Doch die Rechnung wurde ohne die Hausbesetzer, linke Aktivisten, Türken und Punks gemacht. Die Protestbewegungen aus dem Kiez konnten nicht alle, aber zumindest einige der Vorhaben und Abrisse in den 1970er- und 1980er-Jahren stoppen.

Die Bauarbeiten für den Gebäuderiegel Neues Kreuzberger Zentrum mit der berühmten Überbrückung der Adalbertstraße, begannen dennoch 1969, fertiggestellt wurde das unansehnliche Stück Architektur in den 1970er-Jahren, die wir ebenfalls mit einer historischen Berlin-Chronik gewürdigt haben.


Axel-Springer-Verlag und Shell-Tanke

Axel-Springer-Hochhaus und Shell-Tanke, um 1966. Foto: Imago/Serienlicht
Axel-Springer-Hochhaus und Shell-Tanke, um 1966. Foto: Imago/Serienlicht

Das alte Berliner Zeitungsviertel lang an der Grenze von Kreuzberg und Mitte. Nach dem Krieg und dem Mauerbau wurde die medial einst tonangebende Gegend ruhig. Auf der Kreuzberger Seite stand aber das mächtige Springer-Hochhaus, vor dem es nach dem Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 zu Protestaktionen kam. Mehr über die RAF in Berlin – hier. Bis heute ist Berlin eine Pressstadt mit Tradition: Das ist die Geschichte der Zeitungen in Berlin.


Kreuzberger Hinterhof

Spielende Kinder auf einem Hinterhof, 1969. Foto: Imago/Serienlicht
Spielende Kinder auf einem Hinterhof in Kreuzberg, 1969. Foto: Imago/Serienlicht

Die Hinterhöfe in Berlin sind ein verborgener Teil der Stadt und dennoch prägen sie den Alltag ihrer Bewohner. Hinter Mauern und Türen existieren kleine Oasen der Ruhe. Es gibt bezaubernde Hinterhöfe, begrünt und mit Sitzbänken und Tischen, wo sich die Hausgemeinschaft versammelt und Kinder spielen können.


Brache am Anhalter Bahnhof

Kreuzberg 1960er: Anhalter Bahnhof um 1968. Foto: Imago/Gerhard Leber
Der Anhalter Bahnhof um 1968. Foto: Imago/Gerhard Leber

Der Architekt Franz Schwechten baute den Fernbahnhof, der ab den 1840er-Jahren zu den wichtigschon ten Verkehrsknoten der preußischen Metropole gehörte. In direkter Anbindung zum Potsdamer Platz spielte der Kopfbahnhof am Askanischen Platz eine wichtige Rolle in der Entwicklung Berlins zur modernen Großstadt.

Ab 1939 schloss man den Anhalter Bahnhof an das Berliner S-Bahnnetz an, doch am Kriegsende wurde die gewaltige Anlage bei der Schlacht um Berlin zerstört. Nach der Teilung der Stadt fand man keine Nutzung für die Ruine an der Sektorengrenze und gab den Standort auf. Nur die S-Bahn blieb und an die alte Pracht erinnert bis heute ein Überbleibsel des Bahnhofsportikus.

In den 1960er-Jahren war das Gelände des einstigen Anhalter Bahnhofs eine Brache. Das Bahnhofsgebäude gehört zu den berühmtesten Bauwerken in Berlin, die nicht mehr existieren.


Wagenburg hinter dem Mariannenplatz

Wagenburg in Kreuzberg, 1969. Foto: Imago/Serienlicht
Wagenburg in Kreuzberg, 1969. Foto: Imago/Serienlicht

Hausboote, Kinderläden und auch Wagenburgen gehörten in Kreuzberg zu den neuen gesellschaftlichen Entwicklungen. Auf den Freiflächen rund um den Mariannenplatz fanden die urbanen Nomaden mit ihren zu minimalistischen Behausungen umfunktionierten Bauwagen eine neue Heimat.


Mauer am Bethaniendamm

Kreuzberg 1960er: Mauer an Wohnhäusern, 1965. Foto: Imago/Serienlicht
Mauer an Wohnhäusern, 1965. Foto: Imago/Serienlicht

Auf West-Berliner Seite konnte sich Künstler an der Mauer verewigen, und die Kinder aus der Nachbarschaft hatten in den verkehrsberuhigten Zonen Platz zum fröhlichen Ballspiel. Auf Ost-Seite ging es an der Mauer nicht ganz so fröhlich zu. So sah die Kindheit im geteilten Berlin aus: Aufwachsen an der Mauer.


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