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Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Vom neuen James Bond bis „Nö“ von Dietrich Brüggemann

Diese Woche steht eindeutig im Zeichen des lange erwarteten neuen James Bond: Es ist der letzte mit Daniel Craig. Cary Joji Fukunaga hat bei „Keine Zeit zu sterben“ Regie geführt. Gegen diese Konkurrenz treten allerdings durchaus interessante Titel an: „Le Prince“ von Lisa Bierwirth, die Beziehungskiste „Nö“ von Dietrich Brüggemann und einige spannende Dokus. Hier ist der tipBerlin-Überblick über die Kino-Neustarts vom 30. September.


James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben

Der/die neue Bond: „Keine Zeit zu sterben“ von Cary Joji Fukunaga. Bild: MGM

ACTION Im letzten Bond-Abenteuer mit Daniel Craig bekommt es der britische Agent nicht nur mit einem Schurken zu tun, der mit einer DNA-Waffe einen Großteil der Menschheit ausrotten könnte, sondern er gerät auch in ein Spannungsfeld, das viel mit den Kindheitstraumata seiner großen Liebe Madeleine Swann zu tun hat. Bond zwischen Routine-Action und viel Psychologie – mit gemäßigtem Schwung und immer noch akzeptablem Unterhaltungswert. Lars Penning

No Time to Die (OT); GB/USA; 163 Min.; R: Cary Fukunaga; D: Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Ana de Armas; Kinostart: 30.9.  

Hier die tip-Berlin-Filmkritik zu „Keine Zeit zu sterben“ sowie ein Interview mit Léa Seydoux zum Film


Le Prince

„Le Prince“ von Lisa Bierwirth. Bild: Port au Prince

DRAMA Monika Albrecht ist eine gut etablierte Kunstkuratorin in Frankfurt am Main. Beruflich verlässt sie sich vielleicht ein bisschen zu sehr auf Peter, der eine wichtige Institution leitet, und mit dem sie auch privat einmal zusammen war. Eines Abends lernt sie zufällig einen Mann kennen, der ihr Leben verändert: Joseph kommt aus dem Kongo, sein Status in Deutschland ist unklar, weil er mehrfach gegen Regeln verstoßen hat. Durch Joseph lernt Monika eine völlig neue Welt kennen. Eine Welt mit dubiosen Geschäften und sagenhaftem Reichtum. Eine schwer durchschaubare Welt, in der sie als Europäerin mit ihrer distanzierten Art ganz andere Umgangsformen kennenlernt. Joseph und sie beginnen eine Beziehung, aber es bleiben viele Unklarheiten. Und es stellt sich die Frage, ob Liebe unter den Bedingungen kultureller Fremdheit eine Chance haben kann.

Im Kongo war Joseph ein Prinz, heißt es an einer Stelle, und es bleibt charakteristisch offen, wie ernst diese Bemerkung zu nehmen ist. „Le Prince“ heißt nun auch der Film von Lisa Bierwirth, in dem sie zwei Bereiche zueinander in Verbindung setzt: die Kunst, die wir hier vor allem als soziales System kennenlernen, und die kongolesische Diaspora ein Frankfurt, die ein anderes soziales System darstellt. Für Monika gehört der Umgang mit so einer Differenz eigentlich zum beruflichen Alltag. Aber es zeigt sich, dass sie keineswegs klüger ist, wenn sie sich auf Josephs Verhalten einzustellen versucht.

Der Reichtum von „Le Prince“ liegt unter anderem darin, wie Lisa Bierwirth die beiden Systeme verknüpft und dabei doch deren Autonomie niemals antastet. Monika hat eine beste Freundin namens Ursula, eine Juristin, die ihr notfalls auch eine größere Summe Geld borgt, wenn Joseph wieder einmal in Schwierigkeiten ist. Beruflich muss Monika auf Empfänge und zu Sitzungen, sie versucht auch, weiterhin zu netzwerken, also alles, was man von einem modernen, flexiblen Individuum wie ihr erwartet.

Einmal gibt es einen Gastauftritt mit dem schottischen Künstler Douglas Gordon, also ein anderer Typ Star neben Ursula Strauss, die in der Rolle der Monika großartig ist. Nahezu alle Emotionen bleiben hinter kaum merklichen Bewegungen ihres Gesichts verborgen. Passi Balende als Joseph ist gleichermaßen schwierig lesbar. So wird „Le Prince“ zu einem Meisterwerk über untergründige Leidenschaften und die Grenzen einer Selbstdistanz, die eben nicht die Grenzen einer kulturellen Welt sind. Bert Rebhandl

D 2020; 124 Min.; R: Lisa Bierwirth; D: Ursula Strauss, Passi Balende, Victoria Trautmannsdorff; Kinostart: 30.9.

Hier lest ihr das tipBerlin-Gespräch mit Ursula Strauss, der Hauptdarstellerin in „Le Prince“.


Alexander Khuon und Anna Brüggemann in „Nö“ von Dietrich Brüggemann. Bild: Filmwelt

DRAMÖDIE Neben der Eroberung des Weltraums, der Bekämpfung von Krebs, Hunger und Klimawandel und der Einhegung des Kapitalismus zählt das Führen einer modernen Paarbeziehung vermutlich zu den größten Herausforderungen auf diesem Planeten. Millionen haben es schon probiert, im Zeichen der Liebe das Leben zu teilen. Und was kam dabei heraus?

Tja, das kann man in Millionen Büchern und Filmen nachschauen. Selten aber hat sich jemand so prinzipiell mit diesem Thema auseinandergesetzt wie die Geschwister Dietrich und Anna Brüggemann. In „Nö“ erzählen sie von Dina und Michael, die in der ersten von fünfzehn Szenen ebenso gut auseinander gehen könnten (meint jedenfalls er gerade), die dann aber ein Kind bekommen, wechselseitig die Eltern zu ertragen versuchen, und mit jedem Zeitsprung nach vorn steigt ein bisschen die Spannung. Denn natürlich läuft alles auf die Frage hinaus: Bleiben sie zusammen?

Wie schon das gemeinsame Projekt „Kreuzweg“ ist auch „Nö“ ein formal eigenwilliger Film. Jede Szene ist so gestaltet, dass sie in entweder wie in einem Gemälde vor fixer Kamera abläuft (wobei dann im Bild aber eine Menge passiert), oder aber mit einer dynamischen Kamera eine Choreographie einfängt. Anna Brüggemann hat dieses Jahr auch einen „Trennungsroman“ veröffentlicht, sie spielt Dina, Alexander Khuon spielt Michael. „Nö“ ist spannend und lebensnah, leidet allerdings ein bisschen unter einem Hang zu surrealer Überinszenierung und dem einen oder anderen bemühten Schock. Die vielen präzisen Beobachtungen, auf denen die Geschichte von Dina und Michael beruht, geraten dadurch fast ein bisschen ins Hintertreffen. Bert Rebhandl

D 2021; 120 Min.; R: Dietrich Brüggemann; D: Anna Brüggemann, Alexander Khuon, Hanns Zischler; Kinostart: 2.10.


Bis an die Grenze

„Bis an die Grenze“ von Anne Fontaine. Bild: Studiocanal

DRAMA Virginie ist Polizistin in Paris. Gemeinsam mit ihren Kollegen Aristide und Erik soll sie nach einem Brand in einem Gefängnis einen Mann aus Tadschikistan zum Flughafen bringen. Er soll abgeschoben werden. Nach einem (eigentlich nicht erlaubten) Blick in die Unterlagen kommen ihr Zweifel. Anne Fontaine erzählt in geschickt verschachtelter Form von den drei Menschen, die gemeinsam oder gegeneinander nach einer moralischen Entscheidung suchen, die sich nicht hinter der reinen Dienstroutine verstecken würde. Im französischen Original heißt der Film einfach „Police“, und darum geht es auch: Leben und Arbeiten bei der Polizei. Bert Rebhandl

F 2020; 98 Min.; R: Anne Fontaine; D: Virginie Efira, Omar Sy, Grégory Gadebois; Kinostart: 30.9.


Lost in Face

„Lost in Face – Die Welt mit Carlottas Augen“ von Valentin Riedel. Bild: Cine Global

DOKU Carlotta kann keine Gesichter erkennen, weder ihr eigenes noch fremde. Gesichtsblindheit (Prosopagnosie) wird hervorgerufen durch ein Nichtfunktionieren jener Hirnregion, die dafür zuständig ist – eine kleine Region hinter dem rechten Ohr, jeder hundertste Mensch leidet an diesem – überwiegend angeborenen – Defekt.

In seinem Film nähert sich Regisseur Valentin Riedl, der auch Hirnforscher ist, behutsam einer Frau an, die eher Distanz zu Menschen hält. Von sich selber sagt Carlotta, dass sie schon immer möglichst wenig mit Menschen zu tun haben wollte. Dazu hat – als Kind – das zufällige Entdecken, dass sie adoptiert war, ebenso beigetragen wie Hänseleien durch ihre Mitschüler. Ihre eigenen Wege, sich selber auszudrücken und ihre Träume zu verwirklichen, waren oft Umwege – so erwies sich der Umgang mit Pferden als Sackgasse, denn dabei hatte sie doch viel mit Menschen zu tun.

Es folgten ein Jahr als LKW-Fahrer, dann die Arbeit als Filmvorführerin im Kino, die wiederum das Fernweh befeuerte – mit einem Schiff die Welt zu umsegeln, wurde das nächste Ziel, vier Jahre lang war sie Besitzerin einer 10-Meter-Yacht und konnte damit die Gegensätze zusammenführen: „In erster Linie weg von den Menschen…mit dem Schiff kann ich die Welt sehen und hab’ mein Schneckenhaus dabei.“ Dabei kommt auch die Vielfalt ihrer künstlerischen Arbeiten, darunter Zeichnungen und Videofilme, ins Bild.

Eine bemerkenswerte Frau, die auf ihren Eigenheiten beharrt, aber auch in ihr Innerstes blicken lässt, wenn mithilfe von Animationssequenzen etwa ihre rege Traumarbeit ins Bild gesetzt wird. Am Ende ist „Lost in Face“ auch ein Film über die Vielfalt der Wahrnehmung, etwa wenn Carlotta darüber spricht, dass jeder Mensch eine ganz eigene ‚Geräuschfahne’ hat. Frank Arnold

Lost in Face, D 2020, 81 Min., R: Valentin Riedl, Start: 30.9.


Träum weiter! Sehnsucht nach Veränderung

„Träum weiter! Sehnsucht nach Veränderung“ von Valentin Thurn. Bild_ Alamode

DOKU Ob die Menschen in Deutschland tatsächlich alle Sehnsucht nach Veränderung haben, wie es im Beititel des aktuellen Films von Valentin Thurn (bekannt vor allem für seine Dokumentation „Taste the Waste – die globale Lebensmittelverschwendung“) heißt, ist vielleicht noch nicht völlig klar. Dass sie von Veränderungen oder (aus ihrer Sicht) guten Ideen träumen – oft mit der Konsequenz, das eigene Leben komplett zu ändern, manchmal mit der Perspektive, die eigenen Visionen auch zum Wohle der Menschheit einsetzen zu wollen – zeichnet aber zumindest jene fünf Leute aus, die der Journalist, Autor und Regisseur Thurn in  „Träum weiter!“ porträtiert.

Da gibt es einen Aktionskünstler, der schwimmende Inseln aus Müll als soziale Plastiken im Sinne von Beuys erschafft, und eine Frau, die als Aussteigerin in Portugal lebt, damit ihre Kinder ohne Schulzwang nur noch lernen, was sie selbst gern wollen. Ein österreichischer Musikveranstalter hat sich für eine Marsreise ohne Wiederkehr beworben, und ein Erfinder glaubt immer noch an die Idee der Cargo-Lifter, mit der er schon einmal Pleite gemacht hat. Mittlerweile einige Bekanntheit hat der Architekt Van Bo Le-Mentzel mit seinen Tiny Houses auf Rädern erlangt.

Wie spannend man die Protagonist:innen dann im Einzelnen findet, hängt allerdings stark davon ab, ob man selbst einen Bezug zu diesen Ideen herstellen kann. Regisseur Thurn lässt die Leute einfach erzählen und tut ansonsten wenig, um ein Interesse an ihnen zu vermitteln: Sein überwiegend mit Kinomitteln finanzierter Film wirkt letztlich doch nur wie ein solides Fernsehfeature. Lars Penning

D 2021, 97 Min., R: Valentin Thurn, Start: 30.9.


Walter Kaufmann – Welch ein Leben!

„Walter Kaufmann – Welch ein Leben“ von Karin Kaper und Dirk Szuzies. Bild: Karin Kaper Film

DOKU „Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übrig geblieben.“ Sein linkes politisches Engagement hat sich der im April dieses Jahres im Alter von 97 Jahren verstorbene deutsch-australische Schriftsteller Walter Kaufmann, der seit den 1950er-Jahren immer wieder (auch) in der DDR gelebt hatte, nie nehmen lassen.

Weil er mit seinem australischen Pass beliebig reisen konnte, besuchte er für seine Reportagen nicht nur Kuba nach der Revolution und Hiroshima nach dem Atombombenabwurf, sondern auch die USA, wo er aus New York oder von einem Prozess gegen die Bürgerrechtlerin Angela Davis berichtete. Überhaupt hatte der 1924 als Sohn einer jüdischen Mutter in Berlin geborene Kaufmann – teils bedingt durch die Zeitläufte, teils aus eigenem Antrieb – ein derart unstetes Leben, dass all die Stationen aufzuzählen hier definitiv den Platz sprengen würde.

Das Berliner Dokumentarfilm-Team Karin Kaper und Dirk Szuszies hatte das Glück, noch mit Kaufmann zu arbeiten – er ist mit seinen Erzählungen vor der Kamera eine Art Reiseführer durch sein eigenes Leben; das schriftstellerische Werk seiner Romane und Kurzgeschichten bleibt dabei nicht außer Acht, spielt aber eher eine Nebenrolle. Neben Interviewpassagen mit Kaufmann arbeiten Kaper und Szuszies sehr schlüssig mit interessantem Archivmaterial sowie heutigen Aufnahmen von den Schauplätzen seiner Lebensgeschichte; Kritisches gibt es bei alledem allerdings nicht zu hören. Kaufmanns etwas gewöhnungsbedürftiger Umgang mit seinen Frauen oder die doch sehr privilegierte Stellung in der DDR klingen eher im Vorübergehen an, verdeutlichen aber eine Lebenseinstellung, die wohl vor allem von großer Neugier auf neue Erfahrungen geprägt war. Lars Penning

D 2021, 102 Min., R: Karin Kaper, Dirk Szuszies, Start: 7.10.


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Was lief vergangene Woche an? Die Filmstarts vom 23. September im Überblick. Über ihre preisgekrönte Doku „Herr Bachmann und seine Klasse“ sprachen wir mit Regisseurin Maria Speth. Er ist Fotograf, nun hat er seinen ersten Film gemacht: Wir sprachen mit Jim Rakete über seine Doku „Now“. Lichtspielhäuser mit Stil findet man überall in der Stadt. Das sind die schönsten Kinos in Berlin. Was sonst so läuft im Streaming-Bereich und den Kinos, erfahrt ihr hier.

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