Berlin verstehen

Berlin um 1920: Bilder der Stadt vor einem Jahrhundert

1920 entstand mit dem Groß-Berlin-Gesetz eine riesige Metropole: Am 1. Oktober 1920 verschmolz der historische Stadtkern mit umliegenden Städten, Landgemeinden und Gutsbezirken zu einer Einheit. Quasi über Nacht entstand an der Spree die drittgrößte Metropole der Welt, nach London und New York City.

Zwar wuchs und entfaltete sich die Region schon seit dem 19. Jahrhundert in einem rasanten Tempo, und Berlins Geschichte reicht sowieso 800 Jahre zurück. Doch 1920 begann der Aufstieg Berlins zur Weltstadt. Eine Zeitreise in 12 Fotos.


Kreuzberg heißt Hallesches Tor

Hochbahn am Halleschen Tor, historische Aufnahme, ca. 1920.
Berlin vor 100 Jahren: Hochbahn am Halleschen Tor, historische Aufnahme, ca. 1920. Foto: Imago/imageBROKER/Siegfried Kuttig

Punks, Bioläden und Krawalle, daran denkt man, wenn man an Kreuzberg denkt. Auch an die türkischen Geschäfte in der Oranienstraße, besetzte Häuser und natürlich den 1. Mai. 1920 gab es zwar den Kreuzberg und den dazugehörigen Viktoriapark, aber der Bezirk drumherum hieß noch Hallesches Tor. Erst 1921 bekam er den Namen, der längst zum Mythos geworden ist. Und zum feuchten Traum von Vermietern und Investoren wurde.


Einkaufen, ganz lokal und regional

Einkaufen in Berlin um 1920.
Einkaufen in Berlin um 1920 – auch vor 100 Jahren waren die Berliner geschäftstüchtig. Foto: Imago/Cola Images

Um 1920 gab es in der aufstrebenden Weltstadt noch kein Stadtmagazin. Der tipBerlin wurde erst 1972 gegründet. Hätte es ihn aber gegeben, wären die Kollegen damals begeistert gewesen von den authentischen Händlern, die mit regionalen Produkten die Großstadt belieferten. Alles war nachhaltig, bio und hatte ein charmantes Berlin-Narrativ. Und berlinerische Sprüche hörte man auch an jeder Ecke.


Im Herzen der Stadt: Unter den Linden

Unter den Linden mit Blick auf das Hotel Bristol Berlin. Foto: Imago/Arkivi

In Mitte schlug das Herz der mächtigen Hauptstadt. Hier flanierte die Oberschicht. Man ging in die Oper oder ins Theater, in der Friedrichstraße reihten sich die vornehmen Geschäfte aneinander, und auf den Trottoirs lüfteten die Herren den Hut. Ob man in diesen Sphären die Eingemeindung des Umlandes zu einem Stadtmoloch mit knapp vier Millionen Einwohnern wohl begrüßt hat? Unter den Linden: Wie aus einem Reitweg Berlins Prachtstraße wurde.


Mondän im Zoologischen Garten

Hauptrestaurant mit Terrasse am Zoologischen Garten.
Haupt-Restaurant mit Terrasse am Zoologischen Garten. Foto: Imago/Arkivi

Der Zoologische Garten wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts eröffnet, der Kurfürstendamm war landesweit bekannt, und auch der Große Tiergarten diente schon vor 100 Jahren den Berlinern als grüne Lunge der Stadt. Im Haupt-Restaurant konnte man an den Wochenenden und im Sommer auf der großen Terrasse sitzen, was essen und ein Bier trinken. Ganz anders als heute waren die Bedürfnisse der Menschen damals auch nicht.


Die U-Bahn in Schöneberg

Schöneberg, Blick auf den Untergrundbahnhof und den Stadtpark.
Schöneberg, Blick auf den Untergrundbahnhof und den Stadtpark. Foto: Imago/Arkivi

Unterirdische Bahnen fuhren seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges baute die Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen vier Strecken, die nach Pankow, Schöneberg oder zum Halleschen Tor fuhren. Schöneberg war zuvor eine eigenständige Stadt und wurde erst 1920 zum Berliner Bezirk, doch die Gegend um den Nollendorfplatz war im Nahverkehr da bereits mit Berlin vereint. Die U4 ist Berlins kürzeste U-Bahnlinie. Wir stellen sie vor.


Trubel auf dem Potsdamer Platz

Viel los auf dem Potsdamer Platz um 1920.
Berlin vor 100 Jahren: Viel los auf dem Potsdamer Platz um 1920. Foto: Imago/Arkivi

Hier pulsierte das Leben, der Potsdamer Platz gehörte zu den turbulentesten Orten der Stadt. Er wurde zum Symbol der modernen Weltstadt Berlin und ein Inbegriff für die Lebenslust der Goldenen 20er. Die so richtig aber erst um 1924 angefangen haben.


Hipster-Mädchen im Café Meran

Loni und Gisa im Café Meran, 1920.
Loni und Gisa im Café Meran, 1920. Foto: Imago/Arkivi

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Spanischen Grippe erholte sich die Stadt langsam. Begeistert von Kinofilmen und Jazz trat eine junge, lebenshungrige Generation auf die Tanzflächen und in die Cafés der Stadt. Berlin entwickelte sich zur hedonistischen Hauptstadt der Welt. Man schnupfte Kokain, rauchte und tanzte auf dem Vulkan.

Wer Loni und Gisa waren, konnte die Redaktion nicht ermitteln, aber so sahen die Berliner Hipster-Mädchen um 1920 aus. Heute würden sie wahrscheinlich in der Berghain-Schlange stehen.


Krawalle in Friedrichshain

Friedrichshain, Straßenkämpfe, März 1919.
Friedrichshain, Straßenkämpfe, März 1919. Foto: Imago/Arkivi

Die Novemberrevolution von 1918 wirkte in Berlin noch bis ins Frühjahr 1919 nach. In Friedrichshain kam es bei den so genannten „Berliner Märzkämpfen“ zu kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Freikorpsgruppen. Barrikaden wurden errichtet, es flogen Steine und Häuser brannten. Auch in Lichtenberg kam es im Vorjahr der Eingemeindung zu heftigen Kämpfen.


Nichts los in Lichterfelde

Berlin 1920: Lichterfelde, Stubenrauch Kreiskrankenhaus.
Lichterfelde, Stubenrauch Kreiskrankenhaus. Foto: Imago/Arkivi

Dagegen herrschte in vielen Orten rund um Berlin eine idyllische Ruhe. In Lichterfelde etwa war um 1920 wenig los. Man lebte vor sich hin, arbeitete, fuhr am Wochenende an den See, und die Kinder spielten im Garten. Die Uhren tickten im Süden etwas langsamer. Und das tun sie teilweise noch bis heute.


In Reinickendorf ist auch nichts los

Berlin 1920: Reinickendorf, Residenzstraße mit Postamt.
Reinickendorf, Residenzstraße mit Postamt. Foto: Imago/Arkivi

Auch Reinickendorf gehört erst seit 1920 zu Berlin. Der Norden war von Industrie geprägt, behielt aber lange einen ländlichen Charakter. Die Nordbahn, Kremmener Bahn und die Heidekrautbahn verbanden den Vorort mit dem Zentrum.


Die Gegenrevolution rollt an

Gegenrevolution im März 1920, Kapp Putsch, Schöneberg.
Gegenrevolution im März 1920: Der „Kapp-Putsch“ in Schöneberg. Foto: Imago/Arkivi

Politisch ging es in Berlin hoch her. Im Oktober 1920 sollte Groß-Berlin entstehen, im März des Jahres hätte sich die Geschichte aber ganz anders entwickeln können. Am 13. März putschten nationalkonservative Kräfte um den General Walther von Lüttwitz gegen die Weimarer Republik. Der nach 100 Stunden niedergeschlagene Versuch ging als „Kapp-Putsch“ in die Geschichte ein.


Der Wedding ist rot

Wedding, Straßenbahn Nr. 34 in Richtung Kreuzberg.
Wedding, Straßenbahn Nr. 34 in Richtung Kreuzberg. Foto: Imago/Arkivi

Der Wedding gehörte bereits vor der Eingemeindung im Oktober 1920 zu Berlin. In dem Arbeiterbezirk, der stark von der Industrialisierung geprägt war und zu den ärmsten Gegenden Berlins gehörte, entwickelte sich schon im 19. Jahrhundert eine selbstbewusste Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung, was dem Bezirk den Beinamen „Roter“ Wedding bescherte. Ernst Busch hat den „Roten Wedding“ sogar in einem Lied verewigt.


Lust auf noch mehr Berlin?

Die Goldenen 1920er-Jahre in Berlin könnt ihr immer noch erleben – an diesen Orten. Wir haben auch aufgedeckt, was die Frauen in den 1920er-Jahren in Berlin so getrieben haben. Kleine Touri-Tour gefällig? Wir haben im beliebtesten Reiseführer der 1920er-Jahre geblättert. Immer wieder spannende Geschichten über die Geschichte Berlins lest ihr hier.

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