Berlin verstehen

Berlin 1994 in Bildern: Techno, Take That und eine Pyramide in Marzahn

Berlin 1994: In der Stadt wird gefeiert, die Techno-Clubs wie das E-Werk ziehen Raver an und die englischen Boyband Take That sorgt für Furore. Am Lehrter Bahnhof herrscht hingegen noch Ruhe, der Bau des Hauptbahnhofs sollte erst 1995 beginnen. Überhaupt war die Stadt damals noch eine andere: Man durfte mit dem Auto durch Brandenburger Tor fahren, die Oranienburger Straße war eher schäbig als glanzvoll, und vom Stadtschloss gab es nur eine Plastikfassade. Hier blicken wir auf Berlin im Jahr 1994 zurück.


Blick auf Mitte und den Palast der Republik mit Schlossattrappe

Alexanderplatz, Berliner Dom und Palast der Republik mit Schlossattrappe. Foto: Imago/Günter Schneider
Alexanderplatz, Berliner Dom und Palast der Republik mit Schlossattrappe, Berlin 1994. Foto: Imago/Günter Schneider

Nach der Wende wurde das Gebäude wegen des darin verbauten Asbests geschlossen, entkernt, und schließlich, nach vielen Protesten, Verschiebungen und einer künstlerischen Zwischennutzung, wurde der endgültige Abriss beschlossen. 1993 verführten Preußen-Nostalgiker mit der Stadtschloss-Attrappe die Stadtgesellschaft. Auf Polyestertuch, das insgesamt eine Fläche von 9.300 Quadratmetern bot, war die Fassade gemalt. Die gigantische PR-Aktion unter dem Titel „Schlosssimulation“ ebnete den Weg für die spätere Rekonstruktion des Schlosses, mit der bis heute viele Leute fremdeln.


Freie Fahrt durchs Brandenburger Tor

1994 war der Verkehr am Pariser Platz noch nicht umgeleitet. Foto: Imago/Itar Tass/Nikolai Malyshev
1994 war der Verkehr am Pariser Platz noch nicht umgeleitet. Foto: Imago/Itar Tass/Nikolai Malyshev

Das Brandenburger Tor, seit jeher eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt, wurde in der Wendezeit zum Symbol für die neuerlangte Freiheit und den Zerfall des Ostblocks. 1994 war von der Mauer kaum noch etwas zu sehen, stattdessen durfte der Autoverkehr durchs legendäre Denkmal fahren.


Schäbige Läden in der Oranienburger Straße

Fahrradhändler "Famos" in der Oranienburger Straße in Mitte. Foto: Imago/Imagebroker
Fahrradhändler „Famos“ in der Oranienburger Straße in Mitte. Foto: Imago/Imagebroker

Nach der Wende gehörte die Oranienburger Straße zu den spannendsten Meilen in Berlins Mitte. Hier traf das Künstlerhaus Tacheles auf eine aufkeimende Barszene und Künstler auf alte Kiezbewohner. Im Alten Postfuhramt gab es Ausstellungen, und rund um die Neue Synagoge keimte ein neues jüdisches Leben auf. Die Straße war aber auch schäbig, so wie der Kiez drumherum. Heute ist alles glatt poliert und von Touristen überlaufen, außer Kommerz und Konsum zählt hier wenig mehr.


Alles beim Alten auf dem Alexanderplatz?

Passanten am Alexanderplatz, November 1994. Foto: Imago/Seeliger
Passanten am Alexanderplatz, November 1994. Foto: Imago/Seeliger

Nach der Wende wurde auch der Alexanderplatz massiv umgestaltet, das Berolina-Haus wurde erneuert und das alte Centrum Warenhaus verwandelte sich in die Galeria Kaufhof – alles neu, wenn auch die alte Fassade blieb. So ein klein wenig sah es 1994 auf dem Alexanderplatz immer noch aus wie in DDR-Zeiten.


Eine Pyramide wird errichtet

Baustelle des Büro- und Dienstleistungskomplexes "Die Pyramide" in Marzahn. Foto: Imago/Detlev Konnerth
Baustelle des Büro- und Dienstleistungskomplexes „Die Pyramide“ in Marzahn. Foto: Imago/Detlev Konnerth

Wer heute an der Ecke Rhinstraße und Landsberger Allee vorbeikommt, sieht heute ein ungewöhnliches Bauwerk. Der Büro- und Dienstleistungskomplexes „Die Pyramide“, ein auf sonderbare Art futuristisches Hochhaus steht direkt hinter IKEA und wirkt so, als hätten DDR-Stadtplaner sich die Zukunft vorgestellt und in den 1990er-Jahren einfach weitergemacht. Hier sind noch mehr Hochhäuser in Berlin: Das sind die höchsten Gebäude der Stadt. 


Technokultur in den 1990er-Jahren

Techno Party im E-Werk, 1994. Foto: Imago/Rolf Zöllner

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Techno nahm in Berlin seinen Anfang in dunklen, feuchten Kellern. Auf das E-Werk hingegen trifft das mitnichten zu. Das E-Werk, ein altes Elektrizitätswerk, war eine Techno-Kathedrale, das „Berghain der 90er“, wie Ex-Hausbesetzer und Zug-der-Liebe-Mitorganisator Jens Schwan auf dem Club-Lexikon „The Club Map“ schreibt. Industrielle Fabrik-Architektur traf im E-Werk auf dutzende bunte Lichter, dazu weiß gekachelte Wände. 1997 war Schluss, heute ist das E-Werk ein ganz „normaler“ Veranstaltungsort.


Wilde Spielwiese: Kunst- und Kulturhaus Tacheles

Kunst- und Kulturhaus Tacheles in der Oranienburger Straße. Foto: Imago/Seeliger
Kunst- und Kulturhaus Tacheles in der Oranienburger Straße. Foto: Imago/Seeliger

Nach der Wende begann der Kampf um die Immobilien, viele Eigentumsverhältnisse waren ungeklärt, die Treuhand verwaltete die staatseigenen Betriebe, es gab aber Leerstand und dadurch Möglichkeiten für alternative Lösungen. Eine Künstlerinitiative besetzte die halb abgerissene Ruine der einstigen Friedrichstraßenpassage sowie das dazugehörige Areal und gründete darin das Künstlerhaus Tacheles mit Kino, Theater, Konzertsaal und Ateliers. Das Projekt bestand bis 2012. Seither hat sich viel verändert: Finanzkräftige Investoren errichteten dort einen neuen Stadtblock mit Büro- und Geschäftsräumen sowie einem Standort für das Museum Fotografiska.


Bevor der Hauptbahnhof kam: Lehrter Stadtbahnhof

Ruhige Stimmung am Lehrter Stadtbahnhof. Foto: Imago/Rolf Zöllner
1994 herrschte noch Ruhe am Lehrter Stadtbahnhof. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Nach starken Schäden, die während des Zweiten Weltkriegs erfolgten, wurde der alte Lehrter Bahnhof 1951 stillgelegt. Lange Zeit verkehrte dort nur die S-Bahn, die am S-Bahnhof Lehrter Bahnhof halt machte, der einem der größten Berliner Verkehrsprojekte der Nachwendezeit weichen musste: An der historischen Stelle befindet sich heute der neue Berliner Hauptbahnhof. Der Bau des Hauptbahnhofs begann 1995, die Eröffnung fand 2006 statt.


Berlin im Take-That-Fieber

Gedränge vor dem Take That-Konzert in der Deutschlandhalle, 6. April 1994. Foto: Imago/Brigani Art
Gedränge vor dem Take That-Konzert in der Deutschlandhalle, 6. April 1994. Foto: Imago/Brigani Art

Lange war die Deutschlandhalle die erste Adresse für Rock- und Pop-Stars. Hier spielten legendäre Musiker und Bands wie Jimi Hendrix, David Bowie, The Who, Pink Floyd und die Rolling Stones. Sie war auch zeitweilig Austragungsort des Berliner Sechstagerennens. 1994 stürmten begeisterte Fans das Konzert der englischen Boygroup Take That. Die Schließung und der Abriss der Deutschlandhalle erfolgten in mehreren Etappen, der Konzertbetrieb endete 1998, dann folgte eine Nutzung als Eissporthalle. 2011 wurde die Deutschlandhalle schließlich abgerissen.


Die Russen ziehen ab

Militärparade anlässlich der Verabschiedung der russischen Streitkräfte aus Deutschland in Berlin-Schöneweide, 25. Juni 1994. Foto: Imago/Seeliger
Militärparade anlässlich der Verabschiedung der russischen Streitkräfte aus Deutschland in Berlin-Schöneweide, 25. Juni 1994. Foto: Imago/Seeliger

Im August 1994 zogen die letzten russischen Soldaten in Deutschland ab. Die Vorbereitungen dafür zogen sich über mehrere Jahre. Im Juni 1994 wurden die Truppen bei einer martialischen Parade verabschiedet.


Haschischplantage auf dem Zosch-Dach

Auf dem Dach eines besetzten Hauses in der Auguststraße in Mitte wurde 1994 eine Haschischplantage entdeckt. Foto: Imago/Rolf Zöllner
Auf dem Dach eines besetzten Hauses in der Auguststraße in Mitte wurde 1994 eine Haschischplantage entdeckt. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Das ist natürlich schon etwas ungewöhnlich und nicht zur Nachahmung empfohlen. In den 1990er-Jahren betrieben die Besetzer eines Hauses in der Tucholskystraße in Mitte eine ziemlich beachtliche Hanfplantage auf ihrem Dach. Auch früher kümmerten sich etwa die Kreuzberger Besetzer um die Dachbegrünung und erfanden die urbanen Dachgärten, aber die kriminalisierte Rauchpflanze hat man eher im kleineren Maß angebaut, denn die Polizei war (und ist) in besetzten Häusern kein seltener Gast. Interessant, wie damals die Pflanzen überhaupt so groß wachsen konnten, bis die Sache aufflog. Der ganze Kiez muss ja gerochen haben wie Bob Marleys Hinterhof.


Der Dom brennt

Brand in der Kuppel des Deutschen Doms am Gendarmenmarkt, 27. Oktober 1994. Foto: Imago/Detlev Konnert
Brand in der Kuppel des Deutschen Doms am Gendarmenmarkt, 27. Oktober 1994. Foto: Imago/Detlev Konnert

Der Brand von Notre-Dame erschütterte 2019 die Welt. Im Herbst 1994 kam es in Berlin zu einem Brand in der Kuppel des Deutschen Doms am Gendarmenmarkt. Damals wurden gerade Renovierungsmaßnahmen an der Kirche durchgeführt, als während der Dachdeckerarbeiten am Fuß der Kuppel ein Feuer ausbrach und sich unter dem Kupferblech in die Höhe ausbreitete. Die Löschung verlief unter einer beängstigenden Kulisse, war jedoch erfolgreich: Die Kuppel stürzte nicht ein.


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