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Warum „Sieben Winter in Teheran“ ein schrecklich guter Film ist

In ihrem eindrücklichen Debütfilm „Sieben Winter in Teheran“ führt Steffi Niederzoll uns die Verbrechen des iranischen Regimes vor Augen. Sie dokumentiert unter anderem mithilfe heimlich aufgenommener Handyvideos den Fall von Reyhaneh Jabbari, die 2014 nach sieben Jahren Haft im Iran hingerichtet wurde. tipBerlin-Kritikerin Paula Schöber hat den Film gesehen.

Steffi Niederzoll ließ einige Szenen, wie hier im Gefängnis, mit Miniaturkulissen drehen. Foto: Julia Daschner

Reyhaneh Jabbari verbrachte „Sieben Winter in Teheran“ – im Gefängnis

Die weltweit (ohne China und Nordkorea) meisten Todesurteile werden im Iran vollstreckt. 2022 wurden mindestens 582 Menschen hingerichtet, in diesem Jahr zählt die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights bereits 464 vollstreckte Todesurteile. Dieser krasse Anstieg an Hinrichtungen im Iran wird hierzulande von der Öffentlichkeit aber kaum mehr registriert, die mediale Aufmerksamkeit, die den Protesten im letzten Jahr zuteil wurde, ist längst wieder abgeebbt. Umso wichtiger ist es, dass jetzt ein Film in die deutschen Kinos kommt, der die Hinrichtung der 26-jährigen Reyhaneh Jabbari im Jahr 2014 dokumentiert. Starttermin von „Sieben Winter in Teheran“ ist der 14. September, zwei Tage, bevor sich der mutmaßlich gewaltsame Tod von Jina Mahsa Amini, der eine gewaltige Protestwelle im Iran auslöste, zum ersten Mal jährt.

„Sieben Winter in Teheran“ arbeitet viel mit Originalaufnahmen, wie hier von der jungen Reyhaneh Jabbari. Foto: MADE IN GERMANY Filmproduktion

„Sieben Winter in Teheran“ ist das Langfilmdebüt von Regisseurin Steffi Niederzoll; seine Premiere hatte der bewegende Dokumentarfilm auf der Berlinale 2023, wo er den Kompass-Perspektive-Preis sowie den Friedensfilmpreis gewann. Titelgebend für den Film sind die sieben Jahre, die die junge Iranerin Reyhaneh Jabbari in iranischen Gefängnissen verbrachte, bevor sie, allen Kämpfen ihrer Familie sowie internationalen Protesten zum Trotz, hingerichtet wurde. Das Todesurteil war die Reaktion des iranischen Regimes auf einen Notwehrakt der damals 19-Jährigen. Morteza Sarbandi hatte im Sommer 2007 versucht, die Studentin zu vergewaltigen. Reyhaneh stieß dem 47-Jährigen ein Küchenmesser in den Rücken. Sie floh und rief den Krankenwagen, doch der Mann starb an der Verletzung.

„Sieben Winter in Teheran“ lässt den Zuschauer hilflos zurück

Zum tödlichen Verhängnis wurde Reyhaneh Jabbari die Tatsache, dass es sich bei ihrem Vergewaltiger um einen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter handelte. So wurde sie noch in derselben Nacht inhaftiert. Später im Prozess, der, das wird in Niederzolls Film deutlich, alles andere als fair war, wurde Jabbari durch den parteiischen Richter belehrt, sie hätte sich erst vergewaltigen lassen und danach Anzeige erstatten sollen. Zwei Jahre nach ihrer Inhaftierung erging über Reyhaneh Jabbari das Urteil: Tod durch den Strang wegen Mordes an Morteza Sarbandi; vollstreckt wurde es im Oktober 2014.

„Sieben Winter in Teheran“ zeigt eindrücklich den Leidensweg von Reyhaneh Jabbari, aber auch ihrer Familie, allen voran ihrer Mutter Shole Pakravan, die unermüdlich um das Leben ihrer Tochter kämpfte und immer noch, inzwischen aus dem deutschen Exil heraus, für Frauenrechte und gegen die Todesstrafe im Iran kämpft. Steffi Niederzoll dokumentiert diesen Leidensweg mithilfe heimlich aufgenommener Handyvideos, mitgeschnittener Telefonate Reyhanehs aus dem Gefängnis heraus, sowie Interviews mit Reyhanehs Familie, ihrem Anwalt sowie ehemaligen Mitgefangenen. Zusätzlich lässt sie die Exil-Iranerin Zar Amir Ebrahimi Briefe und Tagebucheinträge Reyhanehs einsprechen und stellt die Orte, an denen sie nicht filmen konnte, in detailgetreuen Miniatur-Modellen nach. „Sieben Winter in Teheran“ ist ein im wahrsten Sinne des Wortes schrecklich guter Film, der den Zuschauer zutiefst aufrüttelt, ihn einerseits hilflos zurücklässt, gleichzeitig aber ermutigt und bestärkt. Vor allem aber legt er den Finger in die klaffende Wunde der katastrophalen menschenrechtlichen Lage im Iran.

  • Sieben Winter in Teheran 97 Min.; R: Steffi Niederzoll; D: Reyhaneh Jabbari, Shole Pakravan, Fereydoon Jabbari; Kinostart: 14.9.

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