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Sofia Coppola über Männer, Elvis und ihren neuen Film „Priscilla“

Sofia Coppola bietet mit ihrem neuen Film „Priscilla“ ein Gegenstück zu Baz Luhrmanns Pop-Oper „Elvis“: In Form eines kritischen Kammerspiels beleuchtet die Regisseurin die jugendliche Beziehung zwischen Priscilla und Elvis Presley. Im Gespräch mit tipBerlin-Kritikerin Pamela Jahn erzählt sie von ihrer Zusammenarbeit mit der 78-jährigen Priscilla Presley und über die Dominanz von Männern – in den 1960ern wie heute.

Regisseurin Sofia Coppola erzählt gerne die Geschichten junger Frauen. Nach ihrem Spielfilm-Debüt „The Virgin Suicides“ und dem Biopic „Marie Antoinette“ widmet sie sich jetzt der ungleichen Beziehung zwischen der jungen Priscilla Presley und Elvis. Foto: Imago/Mireille Ampilhac/Abaca

„Priscilla“-Regisseurin Coppola: „Es wird immer noch zu viel über Männer geredet“

tipBerlin Frau Coppola, in welchem Verhältnis steht Ihr neuer Film „Priscilla“ zu Ihren früheren Werken?

Sofia Coppola Als ich Priscillas Buch „Elvis and Me“ zum ersten Mal las, dachte ich: „Oh, ist das vielleicht zu sehr wie Marie Antoinette? Es gibt definitiv Ähnlichkeiten, aber der Film zeigt eine völlig andere Welt, eine andere Biografie, eine andere Zeit. Ich interessiere mich immer für die Geschichten junger Frauen, dafür, wie sie ihre Identität finden und zu den Menschen werden, die sie sind. Insofern gibt es, glaube ich, einen roten Faden, der sich durch alle meine Arbeiten zieht.

tipBerlin Warum ist es wichtig für Sie, diese Art von Geschichten zu erzählen?

Sofia Coppola Elvis und Priscilla waren ein sehr mythisches Paar. Im Grunde wissen wir nicht wirklich viel über die beiden, sondern eigentlich nur über ihn. Das finde ich schade. Es wird immer noch zu viel über Männer geredet und zu wenig über Frauen. Es geht mir hier aber gar nicht darum, etwas zu beurteilen oder zu werten. Ich wollte einfach Priscillas Erfahrungen teilen, ihre Perspektive zeigen, den weiblichen Blick auf die Geschichte richten, weil ich mich damit identifizieren kann.

Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny) war 14 Jahre alt, als sie Elvis Presley kennen lernte, und 21, als beide heirateten. Foto: Imago/Landmark Media

tipBerlin Wie erinnern Sie sich an das erste Gespräch mit Priscilla Presley, als klar war, dass Sie aus ihrem Buch einen Film machen würden?

Sofia Coppola Es war ein offenes Gespräch. Priscilla hat mich ermutigt und versucht, alle meine Fragen zu beantworten. Ich hatte jede Menge Fragen an sie. Dieser Austausch mit ihr, bis in die kleinsten Details ihres Lebens, hat mir in der Entwicklungsphase extrem geholfen. Es war das erste Mal, dass ich an einem Drehbuch gearbeitet habe und die Person, um die es geht, zugänglich war. Ich fand es toll, dass ich sie einfach anrufen konnte, wenn es um Einzelheiten ging oder ich mir an bestimmten Stellen unsicher war.

Priscillas Beziehung mit Elvis Presley: Alles drehte sich um den Superstar

tipBerlin Besteht bei einer solchen Herangehensweise nicht die Gefahr, dass man sich vielleicht zu sehr an der Person orientiert und die eigene Vision in den Hintergrund tritt?

Sofia Coppola Die Geschichte basiert auf ihrem Buch, aber meine Aufgabe als Regisseurin ist es, die Erfahrungen und Gesichtspunkte herauszufiltern, mit denen ich mich persönlich verbunden fühle. Es geht also immer auch um meine Sichtweise. Ich konnte mir zum Beispiel gut vorstellen, wie es ist, als junges Mädchen neu in der Schule zu sein, wo man niemanden kennt. Ich habe als Kind die gleiche Erfahrung gemacht. Auf dieser menschlichen Ebene habe ich mich immer weiter an die Priscilla von damals angenähert, bis ich das Gefühl hatte, jetzt verstehe ich sie.

Cailee Spaeny und Jacob Elordi als junges Paar Presley. Foto: Imago/Landmark Media

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tipBerlin Was hat Sie überrascht, das Sie vorher vielleicht nicht wussten?

Sofia Coppola Mir war zunächst nicht klar, dass sie ihre High-School-Zeit zum Teil in Graceland verbracht hat (Anm. d. Red.: Sie traf Elvis in Hessen, wo sie auch zur Schule ging). Oder dass Elvis Presley sie nach Las Vegas einlud. Diese Aspekte ihrer Geschichte fand ich faszinierend. Wie geht man danach wieder in Deutschland zur Schule, wenn man so was erlebt hat? Und was hätten Sie gedacht, wenn jemand in Ihrer Jugend in Joe Strummer von The Clash verknallt gewesen wäre?

tipBerlin Was, glauben Sie, war für Priscilla der größte Kampf in ihrer Beziehung?

Sofia Coppola Da gibt es so viele Elemente, aber auf jeden Fall war er immer der Star. Egal wie alt sie war, er war die dominante und berühmte Person in ihrer Beziehung. Alles drehte sich um sein Leben, seinen Stil, seinen Erfolg. Sie erzählte mir einmal, dass sie, als sie ihn 1973 verließ, überhaupt erst ihren eigenen Geschmack finden musste. Sie wusste gar nicht, was sie selbst mochte und was nicht.

Priscilla hat Elvis in Deutschland kennengelernt, wo dieser als amerikanischer Soldat stationiert war. Foto: Imago/Everett Collection

tipBerlin Wie sind Sie mit dem Druck umgegangen, dass Baz Luhrmanns Film „Elvis“ zuerst ins Kino kam?

Sofia Coppola Als ich davon erfuhr, dass Baz parallel einen Film über Elvis dreht, wusste ich, dass wir uns dabei nicht in die Quere kommen würden. „Priscilla“ ist vielleicht sogar eine Art Gegenstück. Es ist doch schön, dass die Zuschauer durch seinen Film wieder auf Elvis aufmerksam wurden, und jetzt kann man eben eine andere Seite desselben Mythos beobachten. Das passiert ja nicht so oft.

Die Herausforderung bei „Priscilla“ bestand darin, einen Film über Elvis ohne Elvis zu machen

tipBerlin Interessant ist auch, dass wir in Ihrem Film keine Elvis-Songs hören.

Sofia Coppola Letztendlich liegt das daran, dass wir keine Erlaubnis bekommen haben, die Musik zu verwenden, doch das war mir von vornherein klar. Die Elvis Presley Enterprises, die dahintersteht, reagiert sehr empfindlich, wenn es um den Schutz ihrer Marke geht. Die Herausforderung bestand also darin, einen Film über Elvis ohne Elvis zu machen. Es erforderte viel Kreativität, damit es sich trotzdem echt anfühlt. Aber die Musik ist für mich immer ein wichtiges Element, bei jedem Projekt. Ich mochte hier zum Beispiel den Song von Dolly Parton sehr. Ich fand es wichtig, dass am Ende eine Frauenstimme zu hören ist, die Priscillas Persönlichkeit zum Ausdruck bringt.

Kollegin Kirsten Dunst machte Sofia Coppola auf das Newcomer-Talent Cailee Spaeny aufmerksam. Foto: Imago/Landmark Media

tipBerlin Cailee Spaeny verkörpert beeindruckend sowohl die Stärke als auch die Unschuld von Priscilla. Wie haben Sie sie gefunden?

Sofia Coppola Worauf es mir zunächst ankam, war, dass ich die Schauspielerin nicht wechseln wollte. Ich brauchte jemanden, die eine 14-jährige Teenagerin und gleichzeitig eine junge Frau bis in die späten Zwanziger spielen konnte. Daraufhin machte mein Casting-Team mich auf Cailee aufmerksam. Auch Kirsten Dunst hatte gerade einen Film mit ihr gedreht. Wir sind seit Marie Antoinette eng befreundet, und ich vertraue ihr sehr. Als sie ebenfalls meinte, ich solle mich mit Cailee treffen, wurde ich neugierig. Und als ich sie zum ersten Mal sah, war ich mir sicher, dass sie die Richtige war.

tipBerlin Sie scheinen ein besonderes Auge für Newcomerinnen zu haben.

Sofia Coppola So weit würde ich nicht gehen. Aber es macht mir Spaß, neue Schauspielerinnen zu entdecken und nicht immer die gleichen Stars auf der Leinwand zu sehen. Ich war zum Beispiel sehr stolz darauf, dass Scarlett Johansson eine solche Karriere gemacht hat. Als wir vor 20 Jahren „Lost in Translation“ drehten, war sie noch ziemlich unbekannt. Keiner wollte, dass ich sie besetze. Und bei Priscilla war es mir besonders wichtig, eine neues Gesicht zu sehen, vor allem weil die Figuren, um die es geht, so berühmt sind. Ich wollte, dass es sich lebendig anfühlt und man sich in die Welt dieser jungen Frau hineinversetzen kann. Man weiß, dass man einen Film sieht, und ist trotzdem mittendrin.

  • Priscilla USA 2023; R: Sofia Coppola; D: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Dagmara Dominczyk; Kinostart: 4.1.2024

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